Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
„Das denke ich, denn es gibt nur eins, was größer und mäch-
tiger ist, als der Mensch."

„Und das ist?"

„Die Zeit."

Plötzlich durchzuckte Or. Zniäg ein Gedanke. „Herrgott, wenn
das Anthropologin, wie Sie meine Erfindung nannten, die Kraft
luitte, Sie hervorzubringen, könnte dann nicht mit seiner Hilfe auch

„Nein, geben Sie sich keine Mühe, Ihr Stoff erfüllt von tausend
Bedingungen nur eine, die tatsächlich das Resultat Ihrer Forschung
ist. Es bleibt Ihnen nichts übrig, als über die anderen Bedingungen
nachzudenken, dann kommen Sie vielleicht in Millionen Jahren zum
Ziel. Übrigens zeigen Sie mir die Tinktur einmal."

Von der Fülle der Eindrücke völlig verwirrt, ging der Forscher
zu einem Wandschrank, dem er eine Flasche entnahm.

Der Zukunftsmensch entfernte den Pfropfen und nieinte: „Die
Elenrente erkenne ich, die Mischung aber ist mir fremd, sie riecht
wie das Wesen der Unkultur in flüssiger Form." Mit diesen Worterr
kostete er ein paar Tropfen, verdrehte die Augen und tat dann einen
gewaltigen Zug. „Hm, die Unkultur hat auch ihre Vorzüge-“

Jetzt erst bemerkte Berthold seinen Irrtum.

„Uni 's Hinimelswillen, das ist ja die Kognakflasche, ich habe
mich in der Aufregung vergriffen: hier, dieses ist das Anthropologin."

Doch der andere winkte ab und trank abermals. Seine Stimme
stieß bereits merklich an, als er, vergnügt mit ben Augen zwinkernd,
fragte:

„Sagen Sie mal, wissen Sie hier in der Nähe nicht ein ver-
nünftiges Nachtcafs, wo es ein bißchen lustig hergeht?"

Imag stand wie augedonnert. Wenn das Zimmer mit allein
Inhalt sich voni Hause abgelöst hätte und auf den Mond zu geflogen
wäre, so würde ihm das natürlicher vorgekommen sein, als die eben
gehörten Worte.

„Was wolleii Sie?" tönte es da weiter. „Jugend will aus-
toben und Sie müssen bedenken, d-d-daß ich eine Million Jahre jünger
b-b-bin als Sie. Und überhaupt, ich h-h-habe jetzt genug von den
langweiligen Selbstverständlichkeiten, ich w-w-will mein Leben ge-
nießen."

Hiemit wandte siel, der Zukunftsniensch ab, hob sich auf die
Fensterbank und ein frivoles Lied sunnnend schwebte er hinaus und
davon.

Doktor Berthold Imag aber sank auf seinen Stuhl zurück,
schloß die Augen und murmelte resigniert gedankenvoll mit Goethe:
„Uns bleibt ein Erdenrest zu tragen peinlich.

Und wär er von Asbest, er ist nicht reinlich"
wobei er de» Ton auf „bleibt" legte

Ani nächsten Tage fand der Naturforscher seine Kleider voll-
zählig im Schrank und auch der Inhalt seiner Flasche Hennessy
Monopol hatte augenscheinlich seil 24 Stunden keine Verminderung
erlitten.

Dies neue Wlinder verwirrte Berthold derart, daß er sofort
seine Sachen packte und in ein Sanatorium fuhr.

Mikroberei

Heute Früh las ich in der Zeitung: „Professor Metschnikosf
erklärt: Wir essen zu viel rohe Speisen. Dadurch dringen schädliche
Mikroben in den Organismus. Man soll es machen wie ich. Hier
siiid zum Beispiel ein paar Bananen. Ich tariche sie eine Minute
lang in kochendes Wasser. An der Flamme eines Bunsenbrenners
lasse ich Messer und Gabeln ausglühen, und ich röste das Brot, um
die Mikroben, die auf seiner goldbraunen Kruste sitzen, z» vernichten;

das Wasser wird bei mir filtriert und gekocht.“

Darauf dachte ich »ach und schwankte: Sollte ich fortan zusammen
mit einem Bunsenbrenner und einenr Filter unter einer Glasglocke
leben und mich von dampfgeschwefelten Speisen nähren, oder —

„Liebster," sagte meine Frau, „ich habe dir Bananen vom
Markte mitgebracht; komni, mach den Mund auf."

„Nein," sagte ich, „zuerst müssen wir die Bananen nach Professor
Metschnikosf in kochendes Wasser tauchen, dann niüssen wir an der
Flamme eines Bunsenbrenners — aber gib mir erst mal einen Kuß,
Schatz."

„Bedaure," sagte meine Frau, „eben aß ich selbst Bananen.
Du wirst dich also gedulden müssen, bis meine Lippen ausgekocht
und an der Flamme eines Bunsenbrenners —"

„Ach was," sagte ich, „der Metschnikosf kann mir gestohlen
werden!"

Und dann gab ich meiner Frau einen ungewässerten und »»ge-
schwefelten Kuß und aß mit ihr friedlich die ungebrühten und un-
gebuns—ten Bananen, die uns köstlich schmeckten.

Fritz Hüller

Prosit Neujahr!

Paul Rieth (München)
Index
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen