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Hurrapatriotismus

(Mücherfeier 1913

Bon Jörg »ütjcl*)

Peng-bum! Trara! Tsching-bum! Hurra!
Monokel, Schnüre und Attila!
Konnnandogeschnarre und Sporengeklirr,
Soldatenspaliere und Redengeflirr —

Peng-bum!

-Am Denkmalfuß schwelt eine Zigarette-

Sie kräuselt und wedelt um Orden und Lack,
Um Exzellenzen in Palmen und Frack,

Um lächelnde Damen in Strümpfen ä jour
Und blasser Aestheten Gedankenvelour —
Peng-bum!

-Am Denkmalfuß schwelt eine Zigarette — -

Sic ringelt und kringelt um Reden und Wein,
Uin Kaiserhochs und die Wacht am Rhein, —
Sie schneckelt auch zu den. Alten empor
Und sumnit ihm ein Wackeltänzchen ins Ohr —
Peng-bum!

-Anr Denkmalfuß schwelt eine Zigarette-

* * *

Vorüber der Tag. Ich stand am Strom.

Die Wasser rauschten und sangen.

* Aus dem Begleitbriefe des Autors, Ende November
1913: „Dos Gedicht ist ein satirischer Keitenhieb auf
die kürzlich stattgefundene CauberJahrh»nd>rtfeier, die
wieder die »»vermeidliche Leutnantsschablone hatte."

Willi Geiger (Berlin)

Hoch baute die Nacht ihren schimmernden Dom
Mit funkelnden Lichtern behängen.

Und die Lichter troffen auf Burg und Stein,
Und küßten die Giebel, die grauen,
Leichtschrittig tanzten den Schleierreih'n
Die spinnenden Nebelfrauen.

Und aus den Schleiern, da löste sich's leis,
Gestalten drängten und quollen,

Die Pfalz trug eine Krone von Eis,

Es knirschten am Buge die Schollen.

Vom Ufer kroch es in heimlicher Hast —

Ein Huschen, ein Hämmern und Hacken —
Stolz beugte der Brücke schwerjochigen Last
Der Rhein seinen fürstlichen Nacken.

Und an dem Strande, in eiserner Wehr,
Verhüllt die zerfetzten Standarten,

Stand pulvergebrüunt das Blücher'fche Heer
Zn kampflustdurchglühtem Erwarten:

Graubärtige Landwehr von Acker und Herd
Und rotwangig-junge Gesellen,

Das Sturmband ums Kinn, die Faust an

dem Schwert,

Des Volkes zornbrandende Wellen.

Da stieg von dem steinernen Postanrent
Der alte Degen herunter —

10

„So, Kinners, nu vorwärts! Det Zahr is

zu End'!.

Hinaus mit dem fränkischen Plunder!

Wir haben lange genug gedarbt,

Gelitten in Ohnmacht und Schande!

Wer rasten will, bis ihm die Wunde vernarbt
Den fressen die Raben im Lande!

Und is wo ein Fürst, der dagegen sich

stemmt —

Wir können ihn gern entbehren!

Wem näher der Rock als das deutsche Hemd
Der möge zum Deubel sich scheren!

Die Fahne 'raus! Nach Paris hinein!

Det gibt ein fröhlichet Zagen!

Dort drüben is Frankreich! Hier fließt

der Rhein!

Mehr brauch' ich euch »ich zu sagen:" —

Schon flogen jubelnd die Mützen empor,

Es klirrten und blitzten die Klingen —

„Still, Kinners! Erst druff uff det Schelmenchor!
Dann — meintweqen — könnt ihr ooch

singen!" -

Stumm zog es vorüber, Brigade und Troß, —
Die Brücke knirschte und knarrte —

Den Knaster in Brand, am Zügel das Roß,
Hielt der Alte auf schneeiger Warte.

„Die Ruder ins Wasser! Hinein in den Kahn!

Hinüber, Zungens, hinüber!"-

Der Alte lauschte — es war kein Wahn —
Ein Hurra brauste herüber,

Ein deutsches Hurra, ein jubelnder Schrei,
Vom wiedergewonnenen Strande —

Das Echo, frohlockend von Lei zu Lei,
Durchjauchzte die dämmrigen Lande.

Kein Echo war's mehr, cs war ein Choral,
Gesungen von Munde zu Munde,

Der Sturmwind trug ihn von Tal zu Tal,
Aufrauschten die Wasser im Grunde.

Da nahm der Alte den Stummel zur Hand
Und blies eine mächtige Wolke:

„Nu vorwärts für Freiheit und Vaterland!
Gott kämpft mit dem deutschen Volke!"

Peng-bum! Trara! Ein Beckenschlag! —
Zerronnen der Spuk, versunken der Tag —
Vom Volke bekränzt, umbraust von der Nacht,
Stand wieder der Alte auf einsanier Wacht--

— — Zertreten lag am Weg die Zigarette.

*

Menn Himmel und Hölle
prozessieren müssen

Aus dem Schnurrenschatz der Altbayern überliefert
von Georg M.ucri

Damals (im Schwedenkrieg, heißt 's) ist die
Höll ein bissel zu klein geworden. Tag für Tag
ein Heuwagen voll Soldaten und Raubersgsellen

— die haben Platz gebraucht. Und ihre langen
Gewehr haben sie mitgebracht und ihre Kanonen
und das ander Handwerkszeug — was richtige
Soldaten sind, die hören hall in der Höll auch
noch nicht auf — und so is halt die Höll ein
bissel zu klein worden.

„Anbauen?" hat der alt' Teufl zu den jungen
gsagt, „wie könnte denn ihr mir einen so sau-

(8elilu88 unk 8eilS IS)
Register
Willi Geiger: Hurrapatriotismus
Jörg Ritzel: Blücherfeier 1913
Georg Queri: Wenn Himmel und Hölle prozessieren müssen
 
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