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Bartpoesie

In Paris wird es jetzt Mode, daß Damen einen
Backenbart tragen. Sie haben also — wir begrüßen
dies mit Freuden — einen neuen Schritt ans dem
Wege der Emanzipation getan und sich ein Gebiet
erobert, ans dem der Mann bisher Alleinherrscher
war. Hoffentlich werden sie nicht auf halbem Wege
stehen bleiben und bald Schnurr- und Pollbärte dem
Kollegen von der Back« folgen lassen. Allerdings
wird dann die vorhandene Lyrik etwas modernisiert
werden müssen. Etwa so:

Das Meer erglänzte weit hinaus,

Das sich der Sonne paarte.

Wir faßen am einsamen Fischerhalis,

Ich bartlos, du mit dem Barte.

Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,

Die Möwe flog hin und wieder:

Aus deinen Augen die Trätie quoll,

Fiel in den Schnurrbart nieder.

Ich sah sie fallen in ihrer Art
Und bin aufs Knie gefunken:

Ich Hab' von deinem schwarzen Bart
Die Träne fort getrunken.

Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Wange juckt, die zarte.

Mich hat das unglückselige Weib
Zerstochen mit ihrem Barte.

l'rido

Marschall Rückwärts in würzbnrg

Merkle sprach, der Glaubcnsfreiheilskricger:
„Dies ist meine neue Theorie:

Für die Freiheit kämpft inan wie ein Tiger,
Aber, bleibt der Andre Sieger,

Dann verzichtet nian auf sie . .

Scharnhorst, 'Jork und Jahn, und wie sie eben
Alle hießen, jene Heldensöhn',

Hatten wohl das nämliche Bestreben!

Für das Vaterland zu — leben,

Ist auch schön!

Denn das läßt sich gar nicht übersehen:

Immer vorwärts gehn hat keinen Zweck:
Manchmal bleibt der Weise einfach stehen,

Ja, er kann sogar sich drehen...

Kommt der Krebs nicht auch vom Fleck?

A. l*o Sora

*

Der neue Plntarch

Prombt hatte der Kandidat int juristischen Exa-
men 99 Prozent der Frage» falsch beantwortet.

„C je!" seufzte der Professor. „Tic haben
wohl bei Jagow Jurisprudenz studier«'

Liebe Jugend!

Die Bankfirma Suchenheim & Söhne will in
den großen Uandelsblättern die Tabelle der zum
Januar Termin au ihrer Rasse einlösbaren Kupons
»nd Divideudenscheine veröffentlichen. Tin junger
Buchhalter, der mit Pilse einflußreicher Protektoren
erst den Sprung ans der Blusenbranche ins Bank-
fach gewagt hat, wird mit dein Ausarbeiten der
Inserate betraut.

Am Tage der Veröffentlichung konnnt der Seuior-
chef aufgelöst niit den Morgenzeitungen ins Büro
gestürzt:

„Mer hat die Linlösnugstabelle aufgegeben?"

Stolz tritt der junge Beuling vor die Front.

„Mann Gottes," schreit sein Brotherr, „was
haben Sie denn da gemacht, da sind doch nicht
unsere Januar-Termine!?!"

„Doch," sagt der Autor verletzt, „das sind
unsere Gerichtstermine im Januar!"

I-u>In irr Kugel

*

Rubisiiscsie Tanzreform

Die französische Dichterin Valentins äs Laint-
Doinr tritt jetzt als Neformatorin des Tanzes auf.
Empört darüber, daß man sich bei den bisherigen
Tänzen „nichts denken kann", fordert sie, und zwar
vor allem vom weibliche» Geschlecht, einen rein-
geistigen „Übertanz" kubisttschen Stils, der eine»
„Zustand des Bewußtseins" zur Darstellung bringt.

Gar vieles schon dachte mau aus
Au Tänzen zuni Klange der Geigen —

Doch lief es auf eines hinaus:

Die Reize des Weibes zu zeigen!

Die Anmut des Köpfchens nicht nur
Und des Nackens holdselige Reine,

Neili, auch die gesamte Statur,

Den Busen, die Hüften, die Beine!

Was aber siel jene n da ab,

Die minder vom Schöpfer begnadet —

Was euch, die ihr wüst oder schlapp
Oder plump oder spärlich bewadet?

Auch ihr ja doch möchtet den Herr'»

Im Reigen berückend gefallen —

Wie macht man den Tanz so modern,

Daß er Chancen auch sichert euch allen?

Die Antwort, sie war nicht so schwer:

Zum Teufel den Bein-Tanz, den seichten,
Und tanzt mit dem Hirne nur mehr,

Und zwar mit dem lieblich erweichten!

Mag manchen zunächst noch verwirr'n
Rechtwinkliges Gliederverrenken —

Weich ward auch das Männer-Gehirn,

Und es wird sich bei allem was denken!

Und irrt es sich, ladjot nicht Hohn,

Als Hab' es den Sinn nicht entschleiert —

Ihr habt ja nach alter Fasson
Die Männer nicht minder gemeiert!

Sassafras s

*

Gerechtigkeit muß sein!

I.

Der Marineoberst Labrador, der sich, weil er
Protestant ist, geweigert hatte, als Vorsitzender
eines Kriegsgerichts der üblichen Messe beizuwoh-
nen, ist vom Mariuekriegsgericht in Cadix zu
6 Monaten Arrest verurteilt worden.

II.

In Königslutter in Brnunschweig ist den Ka-
tholiken, von denen etwa 200 dort und in der
Umgegend wohnen, biird) die herzogliche Kreis-
direktion in Helmstedt die Abhaltung eines Gottes-
dienstes am Weihnnchtsfeste verboten worden.

III.

Gerechtigkeit muß sein: ich schlage vor, daß
die Richter des spanischen Marinekriegsgerichts
jetzt von der Herzog!. Kreisdirektion in Helmstedt
abgeurteilt werden, und daß die Herzog!. Kreis-
direktion in Helmstedt vor das spanische Marine-
kriegsgericht gestellt wird.

Kartellen
Index
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Karlchen: Gerechtigkeit muß sein!
A. De Nora: Marschall Rückwärts in Würzburg
Ludwig Engel: Liebe Jugend!
Frido: Bartpoesie
Richard Rost: Silvesterpunsch
Sassafrass: Kubistische Tanzreform
 
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