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durch. So bafe er kreischend aufflog und den
alten Wald allein ließ.

„Was macht ihr denn da unten an meinen
Stämmen mit euren dünnen weißen Zacke-
blättcrn?" sagte der Wald und neigte sich neu-
gierig. Aber da fiel er schon um und ward zur
Hafenstadt geschleift. Und dann ging es ganz
genau so, wie der Rabe gesagt hatte. Über das
Meer stößten sie ihn. Zu einem weißen Pulver
zerrieben sie sein Blut und seine Knochen. Mit
Säuren übergossen sie ihn und hießen ihn Sulfit.
Durch Walzen preßten sie ihn und machten
tausend Kilometer Papier aus ihm.

Und der Wald verwunderte sich sehr. Denn
das war ihm alles neu.

Jetzt ward ein Teil von ihm zu Rollen um-
geformt, die durch Rotationsmaschinen rasten.
Schwarz ergoß sich die Letternflut über ihn.
Menschenhände falteten ihn aus einander und
steckten die Köpfe in ihn hinein: „Wird es Krieg
geben, Krieg?"

Und ein andrer Teil vom Wald ward Ge-
schäftspapier, Quartformat mit Firma und mit
Datumsvordruck: „Berlin, den so und so vielten."
Und wieder sah er Buchstaben auf sich hageln:
„Wir bestätigen Ihr Geehrtes von vorgestern und
bedauern, Ihnen mifteilen zu müssen, daß wir
infolge des Kriegsausbruches nicht in der Lage
sind . . ."

Und aus noch einem andern Teil des Waldes
wurden Einberufungsscheine: „Sie werden hiermit
im Namen des Königs und des Vaterlandes auf-
gefordert, sich zu den Ersatzmannschaften in der
Maxkaserne zu stellen .. ."

Und wieder ein Waldteil wurde Telegramme,
die an den Straßenecken angeschlagen wurden:
„Der Feind wurde über die Grenze zurückge-
worfen und aufs Haupt geschlagen.

Der Generalguartiermeister."

Und auf einen Teil des Waldes druckte man
lange Listen mit Verwundeten und Toten.

Hub alle diese Teile des Waldes gingen still
und geduldig im Lande umher und raschelten be-

Dcr schlagfertige Bettler

.Hier haben Sie ein Almosen! Adieu!"
„Man sagt nicht mehr ,adieu‘, sondern:
.Rommen Sie wieder'!"

scheiden und fragten daim und wann: „Kommt
jetzt bald die Zeit, von der der Rabe sagte, daß
id) wieder werden könnte, was id) war? Da die
Sonne wieder an mir weben wird, da wieder
eine prächtig weiße weiche Decke über midi hin-
gelegt wird, wenn es Sdilafenszeit ist, da. . ."
Und er verzehrte sid> in allen Teilen in Eehn-
fudjt nach der alten Waldzeit, denn es gab ihm
nientand Antwort.

In alle» seinen Teilen, sag' id) ? Nein, einen
letzten Teil vergaß id). Aus dem machten sie

Postkarte». Feldpostkarten, weldie die Sol-
daten von dem Schlachtfeld heimwärts schreiben
durften.

Und es begab sid), daß eine solche Feldpost-
karte im Schützengraben vor dem Feinde war.
Der Novemberabend rückte an vom trüben
Hinnnel, an dem die dicken Sd)»eewolken hingen.
Die letzten Schüsse wurden an diesem Tage hin-
über und herüber gewediselt. Für den und jenen
kam der Schlaf. Nur die Wadien lugten un-
verwandt hinüber. Dunkel wurde es. Die Stunden
rannen trübe hin.

Da geschah es, daß eine Feldpostkarte, eine
leere, aus der Tasche einer Wache lugte, vor-
gezogen wurde, auf dem Rand des Schützen-
grabens ausgebreitet wurde, jäh mit einer elek-
trischen Taschenlaterne beleuri)tet wurde, von
einem dünnen Bleistift llberschrieben wurde:
„Liebste! Auf der Wache in dem Schützengraben,
fern im Feindeslande, denk' id) dein. Behalt'
mid) lieb und —"

Aber da machte ein Knall von drüben einen
jähen Punkt hinter dieses „Und". Der Kopf der
Wad>e sank vornüber und rührte sid> nid)t mehr,
bis daß der Morgen kam. Und die Feldpostkarte,
als des Waldes letzter Teil lag da, und wartete
und fröstelte im Morgengrauen.

Da ging die Sonne auf, blinzelte durch zwei
dicke Schneewolken und warf ein dünnes Gold-
netz über die Feldpostkarte, webte durd) die
„Liebste" drauf, durd, das „Denk' ich dein", und
am längsten durch „Behalt' mid) lieb . .." Und
dann gesdiah es weiter, daß zum Sturm geblasen
wurde, und daß über der Feldpostkarte ein mäch-
tiges Brausen anhob, fast gewaltiger, als sie 's
je im alten Wald gehört. Und endlich flodüe es
von oben leise abwärts und deckte die Feldpost-
karte mütterlich mit einer prächtig-weißen weichen
Decke zu:

„Oh," sagte die Feldpostkarte mit gestillter
Sehnsucht, „oh, es ist Sdilafenszeit, und ich bin
wieder, was ich war, der Wald. Wie bin ich
froh, wie bin id) froh .. ." Und dann war sie
langsam eingesdilafen.

hat sich

Carmol
im Felde

außerordentlich gut bewährt, es wirkt schmerzlin-
dernd als Einreibung, auch erfrischend, nament-
lich mit Zucker genommen oder in Zuckerwasser als Limonade.

Unpässlichkeiten verschiedener Art werden
durch Carmol, mit Zucker genommen, beseitigt.

Anerkennungen aus dem Felde hestätioen dieses.

Vertriebsstelle für Oesterreich-Ungarn:

Dr. A. Sehlosser’s Apotheke, Wien IV.

Bel etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „JUGEND“ Bezug zu nehmen.

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Rudolf Hesse: Der schlagfertige Bettler
 
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