am meisten. Er wurde redseliger und frug ab
und zu, wie's den eigentlich stünde, und ob man
den König Peter immer noch nicht gefangen hatte.
Auch den Herrn Kooperator und den alten
achtzigjährigen Herrn Dekan frug er. Man sah
es dem Tobias jedesmal an, wie er es sehnlichst
wünschte, daß man den König Peter einfing. Es
war ganz vergeblich, dem Tobias einen ordent-
lichen Begriff voll dem Krieg beizubringen. Er
hörte andachtsvoll zu und gläubig wie ein Kind,
um dann immer wieder auf die eine Frage zurück-
zukonunen. Und auf den greisen Herrn Dekan
gab der Tobias doch so viel. Der war für
sein fronlmgläubiges Gemüt das Gleiche wie das
Evangeliunl.
Das erstemal war es, daß er mit dem Herrn
Dekan innerlich nicht ganz übereinstimmte. Denn
der hochwürdige Herr hatte ihm erklärt, daß es
ja eigentlich gar nicht notwendig sei, den König
Peter zu fangen, wenn man nur sein Heer ver-
llichte. Das ging dem Tobias jedoch nicht ein.
Das Glück und Unglück des ganzen Riesenkrieges
hing bei ihm nur lnit der Frage zusammen, ob
man den Köllig Peter sing oder nicht. . .
Und wieder läuteten die Glocken von dem
spitzen Kirchturm dem jungen Tag entgegen. Kurz
und klagend war ihr Toll. Sie klagteil unl den
ersteil toten Krieger des Dorfes, der auf dem Felde
der Ehre gefallen war.
Der Tobias stand im Acker und grub mit der
Schaufel in der taufeuchten Erde. Er horchte
auf den Glockenton, steckte die Schaufel in die
Erde, zog den Hut, faltete die leicht zittrigen
Hände und betete in der Morgenkühle des Herb-
stes für den Toten, der weit von der Heimat in
fremder Erde lag.
Die Leute am Wartbichlerhof redeten jetzt nur
mehr wenig voll den Buben. Wozu auch? Bauern
illachen nicht viele Worte uild fügen sich mit Er-
gebung in das Geschick. Dabei ist es ein felsen-
festes Gottvertrauen, das sie aufrecht hält und
hoffen läßt.
Die ersten Berwuildeten sind ins Land ge-
bracht worden, und einer der allerersten war der
Jos vom Wartbichlerhof. Der hatte einen Bein-
schuß bekonlmen und hatschte jetzt noch viel ärger
als der alte Tobias.
Ganz plötzlich stand der Jos da, und die Lena
konnte sich kaum fassen vor Freude. Vom Nach-
barhaus her halten sie den Jos kommen gesehen,
waren ihm entgegen gelaufen und hatten ihn
heimgeleitet wie einen Sieger. Daun waren sie
alle zusannnengekommen vom Wartbichlerhof,
hatten den Jos umringt und ausgefragt.
Die Lena war in die Küche gegangen, um
schnell einen Kaffee zu kochen. Denn der Jos
hatte sicher lange keinen Kaffee mehr getrunken.
So stellte sich's die Lena wenigstens vor.
Als der Jos mit schweren, ungelenken Schrit-
ten in das Haus trat, kam der Tobias gerade
aus seiner Kammertür heraus.
„Tobias . . ." sagte der Bursche und trat auf
den Bauer zu.
Der Alte stand wie vom Schlag gerührt und
sah zu dem schlanken, hochgewachsenen Burschen
auf. Er mußte sich am Türrahmen festhalten.
Dann fuhr er sich mit der zittrigen, welken Ar-
beitshand über die Augen.
Wortlos reichte er dem Jos die Hand. Kaum
ein leichter, flüchtiger Druck der beiden Hände.
Aber aus den guten, treuen Augen des Alten
kamen die Tropfen. Dick und schwer. Der To-
bias mußte in die Kanuner gehen. Damit es die
andern nicht sahen, wie er weinte.
Draußen in der Küche saß jetzt der Jos bei
dem großen Tisch, der in der Ecke stand, und er-
zählte. Nicht ausführlich und nicht viel. Er war
ziemlich wortkarg, der Los, und die Lena mußte
eigentlich alles aus ihm herausdrücken. Dabei
paßte sie aber auf jedes Wort wie ein Haftel-
beißer, vergaß in ihrer Aufregung ganz den Kaffee
in die Kanne zu gießen und schüttete das bloße
Wasser auf.
Ja, er war merkwürdig wortkarg, der Los,
und wollte nicht recht heraus mit der Sprache.
Dazu hatte er in feinem Wesen etwas Gedrücktes
und Scheues, was sonst nicht seine Eigenart war.
Seine Blicke irrten oft fast erschrocken ins Leere,
als ob sie weit, weit fort etwas sehen würden.
Er mußte Furcht baresgesehen haben, der Los, in
denl großen Krieg. Und das tauchte wohl immer
wieder vor ihni auf. Es schien, als ob er sich
erst langsam an den Frieden seiner Heimat ge-
wöhnen niüßte.
Sie fragen ihn auch nach dem Hänsele. Wie
es dem wohl ergehe. Der Los behauptete, daß
er nichts Näheres wisse. Erst nach ein paar Ta-
gen kam es zu Tag, daß der Los ganz genau
um das Schicksal des Hänsele wußte. Er hatte
es nur nicht früher über das Herz gebracht, dem
Alten und der Lena das schwere Leid anzutun.
Der Hänsele war den Heldentod fürs Vater-
land gestorben. Bei einem Sturmangriff hatte
ihn und einen ganzen Zug seiner Kameraden eine
feindliche Granate in Fetzen gerissen . . .
Nun wußte es auch der Tobias. Der Hän-
sele, der jüngste Bub und sein Liebling, würde
nicht mehr in das Tal zurückkehren. Der Tobias
starrte wie geistesabwesend vor sich hin, als der
Los endlich mit der Wahrheit herausrückte. Daß
so etwas möglich war . . .
Dann waren die Nachbarn gekommen und ver-
suchten den Tobias und die Lena zu trösten. Und
alle sprachen sie vom Heldentod und von der
Ehre, für das Vaterland zu sterben. Und wie
der Tobias stolz sein könne, daß er einen Helden
aufgezogen habe.
Der Alte hörte still zu und erwiderte kein
Wort. Ln seiner innersten Seele dachte er aber,
daß der Tod des Hänsele auch damit zusammen-
hänge, weil man noch immer nicht den verflixten
König Peter gefangen hatte.
Dann läuteten auch für den Hänsele vom
Wartbichlerhof die Totenglocken. Ln der Dorf-
kirche hielten sie ein feierliches Seelenamt für den
gefallenen Krieger. Mit Gesang und Orgelspiel.
Der greise Herr Dekan selbst zelebrierte das Amt,
und nach dem Evangelium bestieg er die Kanzel
und hielt eine ergreifende Predigt über den Hel-
dentod fürs Vaterland.
Der Tobias hatte bis dahin keine Träne
weinen können um das Hänsele. Letzt, da der
Dekan da droben sprach, schüttelte es den Alten
vor Weinen. Vom Andreas Hofer sprach der
Herr Dekan und wie die Tiroler sich würdig er-
wiesen hätten ihrer Ahnen. Und jeder, der den
Heldentod stürbe für das Vaterland, käme vom
Mund auf in den Himmel. Ihm öffneten sich
weit die Pforten des himmlischen Paradeises, und
HANS J. PHILIPP
alle Chöre der Engel empfingen ihn. Denn jeder,
der da draußen stünde in Wehr und Waffen,
schützte ein Dach seiner Heimat, und der himm-
lische Lohn sei den Tapfern sicher.
Es war am Nachmittag des gleichen Tages,
da sie dem Hänsele vom Wartbichlerhof das
Seelenamt hielten. Der alte Herr Dekan ging
mit seinem Brevier in der Hand im Garten des
Widums auf und ab. Der Spätherbst hatte die
Bäume entblättert. Die scheidende Sonne schien
in den Garten.
Da kam der Tobias langsam auf den Herrn
Dekan zu, nahm ehrfürchtig seinen Hut vom Kopf
und meinte: „L Hab' mi grad erkundigen wollen,
Herr Dekan, ob der Hänsele wirklich und wahr-
haftig vom Mund auf in Hinnnel kommen ist."
„Der ist vom Mund auf in Himmel kommen!"
versicherte der Herr Dekan dem Alten, steckte das
Brevier in eine Tasche seines Talars, nahm den
Tobias leise bei der Hand und führte ihn zu
einer Gartenbank, wo sich die beiden alten Männer
niederließen. „Mußt es nit so hart nehmen, To-
bias ..." fuhr der Herr Dekan fort. „Der
Hänsele hat den Heldentod erlitten, und das ist
der ehrenvollste Tod, der Heldentod für Kaiser
und Reich."
„So ist der Hänsele mit großer Ehr' in
Himmel kommen . . ." sprach der Alte halblaut
vor sich hin.
„Und die Pforten des himmlischen Paradeises
haben sich weit vor ihm geöffnet!" sagte der
Herr Dekan.
„Da stehen wohl am Himmelstor Engel
Wacht?" frug der Tobias.
Ein Lächeln ging über das runzlige Gesicht
des Herrn Dekan. Dann meinte er: „Dös kannst
dir wohl denken, Tobias. Sonst möcht' ja glei
alles G'sindel eini in Himmel."
„Da haben die Engel am End' gar aufgr-
pflanzte Bajonetter. . ." sagte der Tobias.
„Das werden sie wol haben. . ." gab ihm
der Dekan Recht. Was sollte er auch den Alten
in seinem schlichten Kinderglauben stören.
Nach einer längern Pause frug der Tobias:
„Da werden die Wachtengel vielleicht gar haben
präsentieren müssen, wia der Hänsele kommen
ist..." Halb Schüchternheit, halb Stolz sprach
aus der Stimme des Alten, und feine Augen
hingen an den Lippen des Herrn Dekan.
Der drückte jetzt fest beide Hände des alten
Bauern, als ob er es ihm nicht kräftig genug
versichern könnte: „Präsentieren haben sie müssen
und den Generalmarsch schlagen, wia der Hänsele
eingezogen ist durch das himmlische Tor!"
„Wol den Generalmarsch aa?" meinte der
Tobias. Wie ein freudiges Weinen zitterte es
in seiner Stimme.
„Ganz gleich wie vor an General auf der
Welt herunten!" versicherte ihn der Herr Dekan.
Der Tobias fuhr sich mit der Hand über die
feuchten Augen. Unwillkürlich hob er den Kops
gegen den Himmel, an dem die Sonne unter-
gegangen war. Lange war der alte Bauer still,
und der Herr Dekan störte ihn nicht in seinen
Betrachtungen.
Es war dem Tobias, als ob er hoch dort
droben, weit über den mächtigen Gipfeln seiner
heimatlichen Berge in den Himmel sehen könnte..
und als ob er den Hänsele sehen müßte . . . den
Hänsele vom Wartbichlerhof, den er aufgezogen
hatte zum Heldentod fürs Baterland . . . den
Hänsele, wie er in das himmlische Paradeis schritt
unter den Ehrenbezeigungen der Engel, die das
Gewehr präsentierten und den Generalmarsch
schlugen ....
Völlig frei war es dem Alten geworden ums
Herz. Er erhob sich und küßte dem Herrn Dekan
die rechte Hand. „L dank' halt schön für die
christliche Belehrung, Herr Dekan!" sagte er und
hatschte langsam aus dem Garten des Widums.
Der Hänsele hatte den Heldentod gefunden. Da
durfte er nicht murren dagegen. Es war die
höchste Ehre, die dem Buben widerfahren konnte,
der in der himmlischen Glorie weilte . . . Wenn
sie jetzt noch den König Peter fingen . . .
- -V
und zu, wie's den eigentlich stünde, und ob man
den König Peter immer noch nicht gefangen hatte.
Auch den Herrn Kooperator und den alten
achtzigjährigen Herrn Dekan frug er. Man sah
es dem Tobias jedesmal an, wie er es sehnlichst
wünschte, daß man den König Peter einfing. Es
war ganz vergeblich, dem Tobias einen ordent-
lichen Begriff voll dem Krieg beizubringen. Er
hörte andachtsvoll zu und gläubig wie ein Kind,
um dann immer wieder auf die eine Frage zurück-
zukonunen. Und auf den greisen Herrn Dekan
gab der Tobias doch so viel. Der war für
sein fronlmgläubiges Gemüt das Gleiche wie das
Evangeliunl.
Das erstemal war es, daß er mit dem Herrn
Dekan innerlich nicht ganz übereinstimmte. Denn
der hochwürdige Herr hatte ihm erklärt, daß es
ja eigentlich gar nicht notwendig sei, den König
Peter zu fangen, wenn man nur sein Heer ver-
llichte. Das ging dem Tobias jedoch nicht ein.
Das Glück und Unglück des ganzen Riesenkrieges
hing bei ihm nur lnit der Frage zusammen, ob
man den Köllig Peter sing oder nicht. . .
Und wieder läuteten die Glocken von dem
spitzen Kirchturm dem jungen Tag entgegen. Kurz
und klagend war ihr Toll. Sie klagteil unl den
ersteil toten Krieger des Dorfes, der auf dem Felde
der Ehre gefallen war.
Der Tobias stand im Acker und grub mit der
Schaufel in der taufeuchten Erde. Er horchte
auf den Glockenton, steckte die Schaufel in die
Erde, zog den Hut, faltete die leicht zittrigen
Hände und betete in der Morgenkühle des Herb-
stes für den Toten, der weit von der Heimat in
fremder Erde lag.
Die Leute am Wartbichlerhof redeten jetzt nur
mehr wenig voll den Buben. Wozu auch? Bauern
illachen nicht viele Worte uild fügen sich mit Er-
gebung in das Geschick. Dabei ist es ein felsen-
festes Gottvertrauen, das sie aufrecht hält und
hoffen läßt.
Die ersten Berwuildeten sind ins Land ge-
bracht worden, und einer der allerersten war der
Jos vom Wartbichlerhof. Der hatte einen Bein-
schuß bekonlmen und hatschte jetzt noch viel ärger
als der alte Tobias.
Ganz plötzlich stand der Jos da, und die Lena
konnte sich kaum fassen vor Freude. Vom Nach-
barhaus her halten sie den Jos kommen gesehen,
waren ihm entgegen gelaufen und hatten ihn
heimgeleitet wie einen Sieger. Daun waren sie
alle zusannnengekommen vom Wartbichlerhof,
hatten den Jos umringt und ausgefragt.
Die Lena war in die Küche gegangen, um
schnell einen Kaffee zu kochen. Denn der Jos
hatte sicher lange keinen Kaffee mehr getrunken.
So stellte sich's die Lena wenigstens vor.
Als der Jos mit schweren, ungelenken Schrit-
ten in das Haus trat, kam der Tobias gerade
aus seiner Kammertür heraus.
„Tobias . . ." sagte der Bursche und trat auf
den Bauer zu.
Der Alte stand wie vom Schlag gerührt und
sah zu dem schlanken, hochgewachsenen Burschen
auf. Er mußte sich am Türrahmen festhalten.
Dann fuhr er sich mit der zittrigen, welken Ar-
beitshand über die Augen.
Wortlos reichte er dem Jos die Hand. Kaum
ein leichter, flüchtiger Druck der beiden Hände.
Aber aus den guten, treuen Augen des Alten
kamen die Tropfen. Dick und schwer. Der To-
bias mußte in die Kanuner gehen. Damit es die
andern nicht sahen, wie er weinte.
Draußen in der Küche saß jetzt der Jos bei
dem großen Tisch, der in der Ecke stand, und er-
zählte. Nicht ausführlich und nicht viel. Er war
ziemlich wortkarg, der Los, und die Lena mußte
eigentlich alles aus ihm herausdrücken. Dabei
paßte sie aber auf jedes Wort wie ein Haftel-
beißer, vergaß in ihrer Aufregung ganz den Kaffee
in die Kanne zu gießen und schüttete das bloße
Wasser auf.
Ja, er war merkwürdig wortkarg, der Los,
und wollte nicht recht heraus mit der Sprache.
Dazu hatte er in feinem Wesen etwas Gedrücktes
und Scheues, was sonst nicht seine Eigenart war.
Seine Blicke irrten oft fast erschrocken ins Leere,
als ob sie weit, weit fort etwas sehen würden.
Er mußte Furcht baresgesehen haben, der Los, in
denl großen Krieg. Und das tauchte wohl immer
wieder vor ihni auf. Es schien, als ob er sich
erst langsam an den Frieden seiner Heimat ge-
wöhnen niüßte.
Sie fragen ihn auch nach dem Hänsele. Wie
es dem wohl ergehe. Der Los behauptete, daß
er nichts Näheres wisse. Erst nach ein paar Ta-
gen kam es zu Tag, daß der Los ganz genau
um das Schicksal des Hänsele wußte. Er hatte
es nur nicht früher über das Herz gebracht, dem
Alten und der Lena das schwere Leid anzutun.
Der Hänsele war den Heldentod fürs Vater-
land gestorben. Bei einem Sturmangriff hatte
ihn und einen ganzen Zug seiner Kameraden eine
feindliche Granate in Fetzen gerissen . . .
Nun wußte es auch der Tobias. Der Hän-
sele, der jüngste Bub und sein Liebling, würde
nicht mehr in das Tal zurückkehren. Der Tobias
starrte wie geistesabwesend vor sich hin, als der
Los endlich mit der Wahrheit herausrückte. Daß
so etwas möglich war . . .
Dann waren die Nachbarn gekommen und ver-
suchten den Tobias und die Lena zu trösten. Und
alle sprachen sie vom Heldentod und von der
Ehre, für das Vaterland zu sterben. Und wie
der Tobias stolz sein könne, daß er einen Helden
aufgezogen habe.
Der Alte hörte still zu und erwiderte kein
Wort. Ln seiner innersten Seele dachte er aber,
daß der Tod des Hänsele auch damit zusammen-
hänge, weil man noch immer nicht den verflixten
König Peter gefangen hatte.
Dann läuteten auch für den Hänsele vom
Wartbichlerhof die Totenglocken. Ln der Dorf-
kirche hielten sie ein feierliches Seelenamt für den
gefallenen Krieger. Mit Gesang und Orgelspiel.
Der greise Herr Dekan selbst zelebrierte das Amt,
und nach dem Evangelium bestieg er die Kanzel
und hielt eine ergreifende Predigt über den Hel-
dentod fürs Vaterland.
Der Tobias hatte bis dahin keine Träne
weinen können um das Hänsele. Letzt, da der
Dekan da droben sprach, schüttelte es den Alten
vor Weinen. Vom Andreas Hofer sprach der
Herr Dekan und wie die Tiroler sich würdig er-
wiesen hätten ihrer Ahnen. Und jeder, der den
Heldentod stürbe für das Vaterland, käme vom
Mund auf in den Himmel. Ihm öffneten sich
weit die Pforten des himmlischen Paradeises, und
HANS J. PHILIPP
alle Chöre der Engel empfingen ihn. Denn jeder,
der da draußen stünde in Wehr und Waffen,
schützte ein Dach seiner Heimat, und der himm-
lische Lohn sei den Tapfern sicher.
Es war am Nachmittag des gleichen Tages,
da sie dem Hänsele vom Wartbichlerhof das
Seelenamt hielten. Der alte Herr Dekan ging
mit seinem Brevier in der Hand im Garten des
Widums auf und ab. Der Spätherbst hatte die
Bäume entblättert. Die scheidende Sonne schien
in den Garten.
Da kam der Tobias langsam auf den Herrn
Dekan zu, nahm ehrfürchtig seinen Hut vom Kopf
und meinte: „L Hab' mi grad erkundigen wollen,
Herr Dekan, ob der Hänsele wirklich und wahr-
haftig vom Mund auf in Hinnnel kommen ist."
„Der ist vom Mund auf in Himmel kommen!"
versicherte der Herr Dekan dem Alten, steckte das
Brevier in eine Tasche seines Talars, nahm den
Tobias leise bei der Hand und führte ihn zu
einer Gartenbank, wo sich die beiden alten Männer
niederließen. „Mußt es nit so hart nehmen, To-
bias ..." fuhr der Herr Dekan fort. „Der
Hänsele hat den Heldentod erlitten, und das ist
der ehrenvollste Tod, der Heldentod für Kaiser
und Reich."
„So ist der Hänsele mit großer Ehr' in
Himmel kommen . . ." sprach der Alte halblaut
vor sich hin.
„Und die Pforten des himmlischen Paradeises
haben sich weit vor ihm geöffnet!" sagte der
Herr Dekan.
„Da stehen wohl am Himmelstor Engel
Wacht?" frug der Tobias.
Ein Lächeln ging über das runzlige Gesicht
des Herrn Dekan. Dann meinte er: „Dös kannst
dir wohl denken, Tobias. Sonst möcht' ja glei
alles G'sindel eini in Himmel."
„Da haben die Engel am End' gar aufgr-
pflanzte Bajonetter. . ." sagte der Tobias.
„Das werden sie wol haben. . ." gab ihm
der Dekan Recht. Was sollte er auch den Alten
in seinem schlichten Kinderglauben stören.
Nach einer längern Pause frug der Tobias:
„Da werden die Wachtengel vielleicht gar haben
präsentieren müssen, wia der Hänsele kommen
ist..." Halb Schüchternheit, halb Stolz sprach
aus der Stimme des Alten, und feine Augen
hingen an den Lippen des Herrn Dekan.
Der drückte jetzt fest beide Hände des alten
Bauern, als ob er es ihm nicht kräftig genug
versichern könnte: „Präsentieren haben sie müssen
und den Generalmarsch schlagen, wia der Hänsele
eingezogen ist durch das himmlische Tor!"
„Wol den Generalmarsch aa?" meinte der
Tobias. Wie ein freudiges Weinen zitterte es
in seiner Stimme.
„Ganz gleich wie vor an General auf der
Welt herunten!" versicherte ihn der Herr Dekan.
Der Tobias fuhr sich mit der Hand über die
feuchten Augen. Unwillkürlich hob er den Kops
gegen den Himmel, an dem die Sonne unter-
gegangen war. Lange war der alte Bauer still,
und der Herr Dekan störte ihn nicht in seinen
Betrachtungen.
Es war dem Tobias, als ob er hoch dort
droben, weit über den mächtigen Gipfeln seiner
heimatlichen Berge in den Himmel sehen könnte..
und als ob er den Hänsele sehen müßte . . . den
Hänsele vom Wartbichlerhof, den er aufgezogen
hatte zum Heldentod fürs Baterland . . . den
Hänsele, wie er in das himmlische Paradeis schritt
unter den Ehrenbezeigungen der Engel, die das
Gewehr präsentierten und den Generalmarsch
schlugen ....
Völlig frei war es dem Alten geworden ums
Herz. Er erhob sich und küßte dem Herrn Dekan
die rechte Hand. „L dank' halt schön für die
christliche Belehrung, Herr Dekan!" sagte er und
hatschte langsam aus dem Garten des Widums.
Der Hänsele hatte den Heldentod gefunden. Da
durfte er nicht murren dagegen. Es war die
höchste Ehre, die dem Buben widerfahren konnte,
der in der himmlischen Glorie weilte . . . Wenn
sie jetzt noch den König Peter fingen . . .
- -V