auf den Tisch, lächelte und sagte:
„Belieben Sie zu zählen!"
Der Verwalter gehorchte.
„Fünfhundert Rubel," sagte er
dann.
„Fünfhundert Rubel, sehr rich-
tig/' bestätigte der Direktor.
Und indem er plötzlich seme
ganze Gestalt straff spannte, die
Stirn in ernste Fallen legte und
nicht ohne Grütze seinen schönen
schwarzen Vollbart strich, matz er-
den Verwalter hoheitsvoll durch die
goldenen Gläser und sagte: „Diese
Summe, mein Lieber, ist das Ge-
schenk einer Fürstin! Rehmen Sre
sie! Und verteilen Sie sie unter dre
armen Verwundeten Ihres Spr-
tales!"
Der Verwalter war abwechselrrd
diatz und rot im Gesicht geworden,
denn solche Geschenke erhielt er
nicht alle Tage.
Mit zitternderr Händen griss er zu.
„Ich erlaube mir. Euer Hochwohlgeboren
devotest zu danken!" flüsterte er. seinen
Der Direktor lächelte, strich sich erneut seme
schönen Bart und nickte nachlässig nut d .
„Es ist gw, Sie können gehen! veiav
schiedete er den Verwalter. . ureuc
Und mit einer Genugtuung, b'c f . «
Brust schwellen machte, trat er vor den vp,ege.
um einen Mann zu betrachten, d> r stä, eurer
schweren Versuchung gegenüber sta 1
wiesen hatte.
ctem Oeorg Hirtli-Schrein)
JTuf meinen ßrabttcm:
3d) werde wiederkommen. Jlber ein anderes-
mal als ein einfältig Ci er, 0rün oder Stein.
Denn für einen Menschen mit seinem unstill-
baren stunger nach dem Ueichturn des Lebens
ist es ;u unsagbar schwer, von der ?racht der
Crde Abschied zu nehmen.
Lozen, Mai 1911
Hans o. yosfensthal-tzepperger
(gell, am 7. Dezember 1914 zu Bojen)
üräume
Der Dichter
3u schönem Spiel
und liebem Tand
Ist jetzt nicht Zeit.
Die Brüder stehn fürs Vaterland
Zum Tod bereit.
Doch Zeit ist's heut und jeden Tag
Zum höchsten Spiel:
Datz man sein Leben opfern mag
Für fernes Ziel.
Und anders ward zum
Sieg kein Streit,
Kein Tun zur Tat,
Als datz die Seele weltbefreit
Den Tod umfaht.
Hermann Hesse
Die Flöte
Ole Luk Oie hat jetzt viel Arbeit und 9m Schützengraben vor Saint Croix
mutz so viele Wege umsonst gehen. Da Spielt Einer Ziehharmonika,
kommt er zu den Leuten und will seinen Die Brüder kauern im Erdloch stumm,
schönen bunten Schirm über sie aufspannen. Ein traumhaft Lächeln huscht herum.
Aber sie liegen wach im Bett und können Ein Lächeln, das die Dinge kennt,
nicht schlafen.
Er kommt zu Frau Martha: „Guten
* Abend, Ole," sagt sie, „ich kann nicht
Der Verwalter freilich war weniger ehrlich, schlafen, geh nur wieder fort, es nützt nichts.
n * r *. —
Ein Lächeln, das sich Bruder nennt,
Ergeben dem Leben, ergeben dem Tod.
Geklärt von der Flamme, genannt die Rot.
denn der innere Kamps, den er auszufechten hatte,
wogte längere Zeit unentschieden hin und her.
,Wieviel stehle ich?' fragte in ihm der rus-
sische Beamte. .
-Tölpel, stiehl alles!‘ antwortete der böse Geilt.
. ,Rein, lasse einen Teil den verwundeten Mu-
schi ks !‘ mahnte das patriotische Gewissen.
Und es kann nicht verschwiegen werden, das;
das patriotische Gewissen schlietzlich doch den Sieg
davon trug.
Der Verwalter nämlich trennte, da genau
fünfzig Verwundete in seinem Spital lagen, von
den erhaltenen fünfhundert Rubeln fünfzig Rubel
ab und verteilte sie an die einzelnen Leute, 1 o
datz ein jeder Soldat einen Rubel erhielt.
Der Verwalter hielt aus diesem Anlatz eine
kleine patriotische Rede. .
, ..So seht Ihr, Kinder." schlotz er diese Rede,
«das; Mütterchen Rutzland unser aller zur richtigen
stets gedenkt!"
Än der Äisne
Nur abends tauchen aus den Katakomben
Der schmalen Graben lehmige Gesichter,
Dann zucken grell und krachend auf die Lichter
Der platzenden Schrapnells und schweren Bomben.
Leuchtkugeln brechen dllrch die Nacht wie Lanzen,
Patrouillen kriechen schattenhaft im Tal.
Alltäglich wächst der roten Hosen Zahl,
Die blutgetränkt verfaulen vor den Schanzen.
Schneeganse schwirren kreischend überm Wald,
Ringsum scheint alles Nacht und Tod gewohnt.
Feldküchen klirren fern. Und nur der Mond
2st ganz verändert, seltsam weiß und alt.
15. November 1914.
Friedrich Eisenlohr
z. Zt. Offizier-Stellvertreter im Feld.
Ich mutz immer an die Kinder denken, wo Und drüben, kaum einen Steinwurf weit
die wohl jetzt sind. Die können Deinen
Schirm jetzt gut brauchen, bringe ihnen
schöne Träume."
„Erst der eine, dann der andre," sagt
Ole Luk Oie. Und er streicht mit seinen
feinen Fingern über Frau Marthas Augen
und rückt ihr das Kissen zurecht — und
sie schläft.
„Nun wollen wir mal sehen," sagt Ole.
Und Frau Martha träumt.
Im Schützengraben, gut verpackt, da
liegt ein Soldat und schläft. Er hat es
behaglich warm. Frau Martha kennt sie
wohl, die Decke, in die er sich fester ein-
wickelt. Er spricht im Schlaf. Was sagt
er wohl? Ein Wort nur ist's. Er ist im
Traum bei ihr. —
Weiter! —
Sie hört Lachen und Lustigkeit, und da
sitzt er ja auch, mitten unter seinen Kame-
raden. der Fröhliche, der alles heiter stimmt.
Wuchtet in nächtlicher Dunkelheit
Der feindliche Fuchsbau starr durchs Land,
Ingrimmerfüllt bis an den Rand.
Äugende Büchsen haltet; dort Wacht,
Durchtasten gierig die Schaltennacht.
Darüber, aus Gottvaters Hand,
Sind lächelnde Sterne ausgespannt.
Im Bauernschwung, tschari, tschara,
Streckt sich die Ziehharmonika.
Dehnt die Lungen und orgelt weit
Hinaus in die lauschende Dunkelheit.
Da horch — ganz aus der Ferne fein
Mischt eine Flöte sich darein.
Einsame Flöte, geziert und galant,
Freundliche Flöte in Feindeshand.
Jetzt trillert sie vertraulich nah,
Verneigt sich vor der Harmonika,
Erwischt ein Zipfelchen hier und dort,
Ernste Augen blicken glücklich, wenn er den Sucht dann nach vollerem Akkord,
Ton anschlägt, der ihnen allen frohe Gegen
wart, strahlende Zukunft, baldige Heimkehr
vorgaukelt.
Frau Martha lächelt im Schlaf.
„Und Hellmut," fragt sie, „Hellmut,
Ole, wo ist er?"
Ja, wo war Hellmut?
Ole, der allwissende, sucht.
Wieder legt er Frau Martha seine Hand ^ ’ ~
auf die Augen und ihr Schlaf wird tiefer. " ^ Cl^u ^ an ^en ^and.
Sie träumt nicht mehr. — Wo soll sie
Hellmut suchen?
„Du bist hart, mein großer Bruder,"
sagt Ole.
Paul N)era
Schwenkt die Hüsten und dreht sich ein,
Greift die Fühlung und fügt sich drein,
Wagt endlich ein Tänzchen in Saus und Braus
Und-klingt wehmütig wieder aus.
Und schweigend kaum einen Steinwurf weit,
Wuchtet in nächtlicher Dunkelheit
Der feindliche Fuchsbau starr durchs Land.
Schweigend durchtasten die Schattennacht
Äugende Büchsen. Hat niemand acht.
Datz eben auf eine Spanne Zeit
Sprach Menschlichkeit zu Menschlichkeit.
Franz Lar 1 Glnzkcy
81