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(Im Feld gezeichnet) GEORG PFEIL

(nach schwerer Verwundung gestorben zu Comines,
Nordtrankreich, am 18. Januar 1915)

Meine (Verwundeten

Ißr Kamt zu mir mit Len zersetz offnen Händen,
Durch °klrm und (Kein war Todeogrusz gegangen,
Ihr saht mich an. ich sokkt' die Achmerzen enden.
Sokkt' Kosen zaubern auf die bkeictzen Mangen.

(Von Saarburg, «Arras, Np"n Kamen Scharen;
Das düstre (poken und die Trotz-(Vogesen,

Sie warfen Sure MannerKraft auf Kahren.
(Nun kamt Ihr her, in Hoffnung, zu genesen.

Doch ob auch Schmerzen Such die Krust zerrissen.
Der Feuergeist war nicht in Such vergtommen.
Ihr kaget hekdenhaft in Suren Nissen
(Und keine Nkage Hab' ich je vernommen.

Mir staunte ich vor Surem Seekenadek,

°klko Sure SrLsze sich mir offenbarte;

Ihr Stikken, treu der (pfkicßt und ohne Tadek,
Die Sott zum Schutz um die Standarte scharte

Doch die (Voklkommenheit der Mannertugend.
Das Tiefste. Keste, was ich je erkekt,

Mar die Kescheidenheit der Kühnen Jugend.
Der 'o Herr jetzt unterm Sisen Nreuze Keöt.

Dr. Franz R. 21. Jung
Chefarzt des Amerikanischen
Roten Kreuz-Lazaretts Münchens

wieder in die Augen. Wie ein unheimlicher Vor-
hang, den man vor ihm zuzog. Dazu zuckten ihm
rapide stechende Schmerzen dürr!) den Körper.

Da war es ihm, als ob er von oben ein Ge-
räusch hörte. Zwischen den Stünmien schien sich
jemand zu nahen. Er drückte sich hart an den
Boden und hielt den Atem an. War es eine
Patrouille? Vielleicht ein Bauer, ein Frankti-
reur? Ein leises Frösteln stieg ihm das Rück-
grat hinauf. Er hatte sich hinter den Stamm
einer Tanne gerollt. Die Wunden an der Rück-
seite des Schenkels, die er nicht sehen, sondern
nur vorsichtig abtasten konnte, brannten entsetzlich.

Oben kamen die Tritte näher, dann ein merk-
würdig schlürfendes Geräusch.

Er hielt jetzt den Revolver in der Hand. Er-
dachte: „Wenn es wenigstens ein Soldat ist."
Was ihn erschauern ließ, war die Idee, daß ihm
ein fanatischer Bauer wie einem Tier mit einer
Hacke den Schädel einschlagen konnte.

Mit flirrenden Augen starrte er den Hang
hinauf. Jetzt muhte es kommen.

Da erschien zwischen den Stämmen im Halb-
dunkel der Kops einer Kuh, die jetzt, da sie sich
am Abhang sah. klagend und langgezogen in ben
Wald hineinbrüllte. Fernher antwortete ein zweites

Tier und das Gebrüll ging hin und her, zwischen
den Bäumen verhallend wie ein trauriges Suchen.

Plessen war über den Umschlag der Stimmung
derart verblüfft, das) er langsam und mit etwas
stupidem Gesicht die Schlucht weiter hinauf kroch.

Er schleppte sich von Baum zu Baum weiter.
Wie er hinaussah. entdeckte er plötzlich am Wald-
saum, der sich nach Westen zog, rote Hosen. Wie
matte Flecke klebten sie an den Stämmen, irrten
sie im Halbdunkel hin und her. Zur Rechten
war in einigen hundert Metern Entfernung ein
vereinzeltes Gehöft. Auch dort war Bewegung
zu sehen.

Es begann eine Gruppe auf dem Bauch über
die Wiese nach Norden ztt kriechen, in der Rich-
tung einer vereinzelten Baumgruppe. Plessen
dachte: „Wo sind die Unsrigen . . ., wo sind die
Unsrigen?" Es war nichts von ihnen zu sehen.

Da fiel von Norden ein Schuf;. Die Patrouille
jenseits auf der Wiese kroch weiter. Von rechts
fiel das Geraffel der Maschinengewehre ein und
plötzlich donnerten von links aus dem Gehölz
die Schläge von Artilleriefeuer. Die Batterie
muhte verdeckt hinter dem Gehöft eingegraben
sein. In einem hohen, halb singenden Pfeifen
zogen die Schrapnells nach Norden. Dort war

immer noch kein Mensch zu erblicken, nur das
Geknatter wurde von Sekunde zu Sekunde
dichter. Plessen hörte, wie die Kugeln drüben
ins Gehölz schlugen.

Er dachte: „Ich lege mich in den Graben"
und er kroch noch zwei Schritte vorwärts. Da
begann das Donnern von Norden.

Ein dumpfes Krachen kam von vorn. Eine
Granate hatte ins Dach des Bauernhauses ein-
gefchlagen. Eine andere schien im Hose geplatzt
zu sein.

Fast zugleich stieg schon das Feuer aus dein Dach.

Eine neue Salve kam nach und schlug tiefer
nach links in den Wald. Es war nun wirklich
Zeit in den Graben zu kriechen. Plessen hatte
den Oberkörper über den Rand gebeugt kon-
statierte, daß nur ganz im Grunde etwas Wasser
war, als er die Augen aufrih.

Zur Rechten lag kaum drei Schritte entfernt,
ein Mensch. Er schien ohnmächtig, vielleicht tot
zu sein. Plessen konnte kein Abzeichen sehen,
aber es war französische Infanterie. Wie er jetzt
näher heran kroch, erkannte er einen Sergeanten,
der den Kopf auf der Böschung aufgebettet hatte
und mit dem übrigen Körper im Wasser lag.
Eine Verletzung konnte Plessen zunächst nicht

(Schluß auf Seite 101)

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Franz August Richard Jung: Meine Verwundeten
Georg Pfeil: Ein Verwundetentransport
 
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