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Widerhall von Geräuschen und schallt mahnend hinunter ans Ziel
der Bahn. Dort trödelt mit viel Behaglichkeit der Wärter vom
Telephonhaus ins Freie. Lächelnd sieht er dem langsam ab-
gleitenden Neuling entgegen. „Eine feine Zeit erreichen die."
denkt er. Da tönt die Glocke des Fernsprechers in die Stille
des sonnendurchfunkelten Wintertages.

Der Wärter horcht aus und verschwindet.

Und während, aufgeschreckt, der alte Bahnmeister über die
gelben Tücher starrt, die zum Schutz der Bahn' gegen die Glut
des Tagesgestirnes aufgehängt sind, vernimmt er wiederum den
Widerhall jenes Geräusches, das die Antwort der Schiteewände
auf das Sigital des Starters ist.

Was war das? Eilt zweiter Bob unterwegs? Der Starter
hätte einmal der Ungeduld der Fahrer nachgegeben? Undenkbar!
Der erstabgelassene Bob ist noch weit vom Ziel.

Beinahe zitternd horcht Wandolf in die wiederhereingesunkene
Stille hinein. Nur das leichte Kratzen des Anfänger-Bremsers
ist hörbar.

Plötzlich stürzt, aus der Höhe rasend um die Kurve drehend,
wie hervorgequirlt aus irgend einem Schlup loch der Felsenwände,
lautlos lausend, göttergleich gelenkt, der alte Siegerbob mit seiner
Mannschaft daher.

Dreimal tönt, mahnend, die Tronipete. An der gefährlichen
Ecke. Gefahr! Sechsfach schallt das Echo aus dem Innern der
Berge zurück.

Der Alte sah starr nach den unheimlichen Fahrern. Er kannte
die Präzision und Zuverlässigkeit des wundervollen Stahlwesens,
das zwischen den hochgetürmten Schneewänden lautlos daherjagte.
Er wußte, das schnelle Schneevehikel mutzte den lernenden Neuling,
der noci) immer an der Kurvenwand klebte und unsichtbar blieb,
überholen, was gleichbedeutend mit Vernichtung war.

Da umklammerte ihn mit einemmale das Gefühl, das; der
Bob. dessen Konstruktion die Anforderungen an seine Leistungs-
fähigkeit ins Höchste wachsen lies;, mit einem Ruck stillstehen müßte,
in dem Augenblick, da sein Lenker die Gefahr erkennen würde.
Oft hatte die Kaltblütigkeit des Bremsers im Vorjahre ähnliche
Experimente erdacht und ausgeführt.

Aber sein Mahnruf erreichte die Sausenden tricht. In dein
blitzschnellen Dahingleiten im Schalten der weißen Wände fährt
die belebende Luft an den geröteten Wangen vorbei, daß die
Ohren taub bleiben gegen jedes Geräusch. Die Unvorbereiteten
jagen, stellenweise mit 92 Kilometer Geschwindigkeit daherfchwingend,
die Augen starr nach vorne gerichtet, nur den großen Bogen herum:
klettern, irach links geneigt, die steile Schneemauer hinan: nehmen,
leicht bremsend. das fabelhafte Gefälle; unb sicher, ohne Ahnung
der Gefahr, setzen sie im engauslaufenden Bogen der letzten Kurve
zrun Finish an . . . Da lag, . . . drei halbe Meter vor ihnen . . .
beinahe zu Steiir erstarrt, noch immer der Fünfsitzer in der Bahn.

„Bremse!", schrieen alle gleichzeitig auf. „Br— ea — ea — kerr.

Ein einziger, furchtbarer Hilfeschrei der Angst, der Furcht, des
Entsetzens stieg gräßlich betäubend zum Himmel auf . . . mit mäch-
tigem Krachen fuhr der Bobsleigh Zepp in den Rücken der An-
fänger - Mannschaft hinein.

Es ist still. Es ist jetzt vollkommen still an der Bobbahn-
Das schöne große Rund an der Endbahn, eingeschlossen von den
grauen Bänken der Sitzreihen, ist mit rotem Blut bedeckt. Die
Mannschaften der Sportgebilde sind in ihren Wohnungen verschwun-
den. Mit verschrammten Gesichtern und Gliedern. Dicke Verbände
um die zerbeulten Köpfe.

Der alte Wandolf ist allein. Um ihn herum die verbogenen
Eisenröhren des zertrümmerten, alten Siegerbobs.

Ruhig und unbewegt, starke, düstere Bestandteile einer un-
geahnten Macht, liegen sie da im weißen, heißen Lichte des Mittags.
Eine drohende, grandiose, grausame Mahnung an die Kraft der
Vergangenheit, die mit triumphierenden Gegenwartsschauern den
alten Mann erfaßt unb durch dringt, das; er deutlich empfindet:
Die, deren rotes Blut das Sportfeld hier deckt, sind nichts als
armselige Geschöpfe neben den Riesen, welche unter Entbehrungen,
in Not, in Feindesland ihr Blut für die heilige Heimat verspritzen.
Uber die Trümmer und Fetzen der Kämpfe werden sie sich empor-
schwingen wie Adler und ein Lächeln über unser Tun hier wird
ihre Züge verschönern.

„Aber Du. alter Bob, hast getan, was Du konntest! Sie
sollen Dich in alter Form wiederfinden!"

Und einen letzten Rest von starrem Staunen sich von der
Seele schüttelnd, bettet der alte Mann mit Stolz und Freude und
fast zärtlicher Gebärde die Trümmer des trotzigen Siegerbobs in
seinen Arm und in seinen grauen Augen dämmert ein rührendes
Verstehen auf.

Olga Bogner
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