leicht drei Flugzeuge über ihnen, er konnte es
ja nicht sehen, nicht wissen....
Wenn er den Kopf nach oben wandte, sah er
nur den Benzintank aus dem die kostbare Kraft
wie Blut aus einem Körper langsam und un-
aufhaltsam davon ging, unmerkbar sich in der
Lust zerstäubte.
Eine wehe brennende Wut kam ihm ins Herz.
An einem Zufall, an der Undichtigkeit eines
Blechzylinders mußte er zugrunde gehen. Der
Apparat ftnnb jetzt so hoch, daß man unter
sich kaum noch etwas deutlich wahrnahm. Nur
weiße Wölkchen von Schrapnells verteilten sich
vielleicht zweihundert Meter tiefer. Vielleicht
wütete auch unten die Schlacht, von Graben zu
Graben, von Mann zu Mann mit dem Bajonett
und dem Messer, ein grauenhaftes, mörderisches
Streiten. Vielleicht starrten auch Tausende hinauf
zu der wilden Jagd der Vögel, die nur wie
Fliegen, nur wie Punkte am Firmament sich
bewegten und die fast nicht ahnen ließen, daß
darin auch Wesen waren, denen cs vor den
Augen flirrte, denen das Blut im Gesicht und
der Herzschlag im Gehirn flammte.
Sie waren jetzt acht Minuten gestiegen und
die Benzinuhr zeigte noch fünf Liter.
Da, Siepert wollte den Kopf eben drehen,
brach ein furchtbares Geprassel über den Rück-
teil der Maschine herein. Ein schrilles, entsetz-
liches Pfeifen, das sich fast zu einem fortdauern-
den Ton vereinigte.
Er hatte sich erst geduckt, als ob ihni der
ganze Hagel ins Genick käme. Als er den Kopf
drehte, sah er wie der Hauptmann das Gewehr
noch im Anschlag hatte, es aber plötzlich langsam
herab nahm und ruhig zwischen die Beine stellte.
Dann fiel ihm der Kopf vornüber.
Im nächsten Augenblick mußte alles zu Ende
gehen. Das Flugzeug stand von oben unter
Maschinengcwehrfeuer. Wieder stob eine heulende
Ladung nieder. Da setzte plötzlich der Takt des
Motors aus. . . der Gleitflug begann . . . und
in diesem Moment sah Siepert vielleicht 300 Meter
über sich, fast vor sich, den feindlichen Eindecker
stehen,
Jetzt begannen nervenerschütternde martervolle
Sekunden und ein grauenvoller Kampf, dem er
wehrlos preisgegebcn war.
Mit gebogenem Rücken saß er da und hielt
kranipfhaft das Steuer, tauchte zuweilen auf ein
Dutzend Meter kopfüber, brachte den Apparat
wieder hoch, ging in tollen Kurven während der
Apparat schlingerte und wogte . . . Aber Ladung
auf Ladung sauste vorbei, wobei der feindliche
Eindecker zusehends tiefer kam.
„Er wird mir mit einer Bombe den Rest
geben," überlegte Siepert kühl und klar. Er
hatte sich jetzt schon mit der Idee abgefunden.
Gedanken konnte er in der Erregung keine mehr
fassen, aber es war ihm, als ob der entsetz-
liche, würgende Druck auf der Brust allmählig
schwände. . . er war auf alles gefaßt. . .
Wie er sich jetzt drehte, sah er wie der Haupt-
mann den Kopf wieder geradeaus trug, als ob
er zu ihm herüberschaute. Er hatte seine Hände
auf den Knien liegen und rührte sich nicht. In
seinen Pelz, in seine Gesichtsmaske, in seinen
Sturzhelm gehüllt, saß er still und groß wie ein
Götze da, es war kein Ausdruck seiner Augen,
kein Zucken seines Mundes, es war nichts zu
sehen. War er verwundet? War er tot?
Siepert rieselte das Grauen über den Rücken.
Der Gedanke mit den toten Kameraden mit atem-
loser Geschwindigkeit durch die Lüfte zu rasen,
während ihm selbst in jeder Sekunde das Ende
bevorstand, erschütterte ihn. Wie ein lähmendes
entsetzliches Geheimnis kam ihm das Gesicht des
andern vor, das vermummt mid wie in einer
unheimlichen Hülle gefangen seinen Todesschmerz
verbarg.
Mechanisch starrte er aus die Benzinuhr. Der
Apparat stand jetzt auf 1200 Meter. Die Ge-
schosse, die unter ihni platzten, gaben ihm Stöße,
daß er sich bäumte und zuweilen wie auf einer
Schaukel abwärts ging....
Wieder hob das Pfeifen an, aber von oben
war nichts mehr zu spüren. Unten lag es wie
Dampf über dem Schlachtfeld. Er konnte sich
fast nicht Rechenschaft geben, was da geschah ...
Rur hörte er trotz allem das Heulen der Gra-
naten, die unten in langen Kurven vorbeizogen.
Schon wollte er aufatmen. Da glühte cs vor
ihm wie eine weiße Flamme auf. Ein entsetz-
liches Krachen. Das Flugzeug wurde seitlich
gerollt, schwankte fürchterlich, drohte zu kippen
— entsetzt starrte er zurück . . . Der Andere saß
immer noch still und starr . .. noch eine Flamme
. . . wieder eine Explosion .... unten war es
schwarz.... Sein letzter Gedanke war: „Ich
falle aus 600 Meter in einen Wald..." Es
drehte sich alles um ihn, ein Sturm ging ihm
durch das Gehirn... er wußte nicht mehr, ob
er das Steuer noch hielt.... in fürchterlichem
Sausen ging es kopfüber zur Erde. . . wieder
ein Krachen, er hatte das Gefühl als ob ihm
die Beine in den Leib getrieben würden, dann
war alles plötzlich still....
Nach einer Weile hörte er Stimmen ....
Er dachte: „Ich lebe ja noch . . ." und wunderte
sich darüber. Gestalten nahten. Wie im Traum
hörte er ihre Stimmen, sah eine feldgraue Sil-
houette, die sich über ihn neigte, seinen Ober-
körper aufrichtete und da gewahrte er auck, wie
einer seinent stillen toten Kameraden den Apparat
mit den Aufnahmen vom Körper löste. Er at-
mete auf. Nuit war ja alles gut und die Haupt-
sache doch gerettet. Er fühlte, daß er noch nicht
ganz bei Besinnung war, und daß nachher noch
entsetzliche Schmerzen kommen würden, aber er
hatte jetzt nur einen Wunsch: fürs erste recht
lange und gründlich zu schlafen.
13cl etwaigen Ueetelliuigen bittet man auf eile Mülleimer „JUGEND“ liezug zu nehmen.
313
UW
ja nicht sehen, nicht wissen....
Wenn er den Kopf nach oben wandte, sah er
nur den Benzintank aus dem die kostbare Kraft
wie Blut aus einem Körper langsam und un-
aufhaltsam davon ging, unmerkbar sich in der
Lust zerstäubte.
Eine wehe brennende Wut kam ihm ins Herz.
An einem Zufall, an der Undichtigkeit eines
Blechzylinders mußte er zugrunde gehen. Der
Apparat ftnnb jetzt so hoch, daß man unter
sich kaum noch etwas deutlich wahrnahm. Nur
weiße Wölkchen von Schrapnells verteilten sich
vielleicht zweihundert Meter tiefer. Vielleicht
wütete auch unten die Schlacht, von Graben zu
Graben, von Mann zu Mann mit dem Bajonett
und dem Messer, ein grauenhaftes, mörderisches
Streiten. Vielleicht starrten auch Tausende hinauf
zu der wilden Jagd der Vögel, die nur wie
Fliegen, nur wie Punkte am Firmament sich
bewegten und die fast nicht ahnen ließen, daß
darin auch Wesen waren, denen cs vor den
Augen flirrte, denen das Blut im Gesicht und
der Herzschlag im Gehirn flammte.
Sie waren jetzt acht Minuten gestiegen und
die Benzinuhr zeigte noch fünf Liter.
Da, Siepert wollte den Kopf eben drehen,
brach ein furchtbares Geprassel über den Rück-
teil der Maschine herein. Ein schrilles, entsetz-
liches Pfeifen, das sich fast zu einem fortdauern-
den Ton vereinigte.
Er hatte sich erst geduckt, als ob ihni der
ganze Hagel ins Genick käme. Als er den Kopf
drehte, sah er wie der Hauptmann das Gewehr
noch im Anschlag hatte, es aber plötzlich langsam
herab nahm und ruhig zwischen die Beine stellte.
Dann fiel ihm der Kopf vornüber.
Im nächsten Augenblick mußte alles zu Ende
gehen. Das Flugzeug stand von oben unter
Maschinengcwehrfeuer. Wieder stob eine heulende
Ladung nieder. Da setzte plötzlich der Takt des
Motors aus. . . der Gleitflug begann . . . und
in diesem Moment sah Siepert vielleicht 300 Meter
über sich, fast vor sich, den feindlichen Eindecker
stehen,
Jetzt begannen nervenerschütternde martervolle
Sekunden und ein grauenvoller Kampf, dem er
wehrlos preisgegebcn war.
Mit gebogenem Rücken saß er da und hielt
kranipfhaft das Steuer, tauchte zuweilen auf ein
Dutzend Meter kopfüber, brachte den Apparat
wieder hoch, ging in tollen Kurven während der
Apparat schlingerte und wogte . . . Aber Ladung
auf Ladung sauste vorbei, wobei der feindliche
Eindecker zusehends tiefer kam.
„Er wird mir mit einer Bombe den Rest
geben," überlegte Siepert kühl und klar. Er
hatte sich jetzt schon mit der Idee abgefunden.
Gedanken konnte er in der Erregung keine mehr
fassen, aber es war ihm, als ob der entsetz-
liche, würgende Druck auf der Brust allmählig
schwände. . . er war auf alles gefaßt. . .
Wie er sich jetzt drehte, sah er wie der Haupt-
mann den Kopf wieder geradeaus trug, als ob
er zu ihm herüberschaute. Er hatte seine Hände
auf den Knien liegen und rührte sich nicht. In
seinen Pelz, in seine Gesichtsmaske, in seinen
Sturzhelm gehüllt, saß er still und groß wie ein
Götze da, es war kein Ausdruck seiner Augen,
kein Zucken seines Mundes, es war nichts zu
sehen. War er verwundet? War er tot?
Siepert rieselte das Grauen über den Rücken.
Der Gedanke mit den toten Kameraden mit atem-
loser Geschwindigkeit durch die Lüfte zu rasen,
während ihm selbst in jeder Sekunde das Ende
bevorstand, erschütterte ihn. Wie ein lähmendes
entsetzliches Geheimnis kam ihm das Gesicht des
andern vor, das vermummt mid wie in einer
unheimlichen Hülle gefangen seinen Todesschmerz
verbarg.
Mechanisch starrte er aus die Benzinuhr. Der
Apparat stand jetzt auf 1200 Meter. Die Ge-
schosse, die unter ihni platzten, gaben ihm Stöße,
daß er sich bäumte und zuweilen wie auf einer
Schaukel abwärts ging....
Wieder hob das Pfeifen an, aber von oben
war nichts mehr zu spüren. Unten lag es wie
Dampf über dem Schlachtfeld. Er konnte sich
fast nicht Rechenschaft geben, was da geschah ...
Rur hörte er trotz allem das Heulen der Gra-
naten, die unten in langen Kurven vorbeizogen.
Schon wollte er aufatmen. Da glühte cs vor
ihm wie eine weiße Flamme auf. Ein entsetz-
liches Krachen. Das Flugzeug wurde seitlich
gerollt, schwankte fürchterlich, drohte zu kippen
— entsetzt starrte er zurück . . . Der Andere saß
immer noch still und starr . .. noch eine Flamme
. . . wieder eine Explosion .... unten war es
schwarz.... Sein letzter Gedanke war: „Ich
falle aus 600 Meter in einen Wald..." Es
drehte sich alles um ihn, ein Sturm ging ihm
durch das Gehirn... er wußte nicht mehr, ob
er das Steuer noch hielt.... in fürchterlichem
Sausen ging es kopfüber zur Erde. . . wieder
ein Krachen, er hatte das Gefühl als ob ihm
die Beine in den Leib getrieben würden, dann
war alles plötzlich still....
Nach einer Weile hörte er Stimmen ....
Er dachte: „Ich lebe ja noch . . ." und wunderte
sich darüber. Gestalten nahten. Wie im Traum
hörte er ihre Stimmen, sah eine feldgraue Sil-
houette, die sich über ihn neigte, seinen Ober-
körper aufrichtete und da gewahrte er auck, wie
einer seinent stillen toten Kameraden den Apparat
mit den Aufnahmen vom Körper löste. Er at-
mete auf. Nuit war ja alles gut und die Haupt-
sache doch gerettet. Er fühlte, daß er noch nicht
ganz bei Besinnung war, und daß nachher noch
entsetzliche Schmerzen kommen würden, aber er
hatte jetzt nur einen Wunsch: fürs erste recht
lange und gründlich zu schlafen.
13cl etwaigen Ueetelliuigen bittet man auf eile Mülleimer „JUGEND“ liezug zu nehmen.
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