Marcus: Das ist ja eine recht einfache
und sympathische Erklärung.
Bcvgdahl: Ja, zuerst war alles recht ein-
fach und sympathisch, aber dann kam Nord-
wind und dichter Regennebel. Und das Steuer
ging kaput, und die „Walküre" trieb auf eine
Sandbank ein paar Meilen unter dem Oxe-
lösund, wie ganz richtig in den Zeitungsnotizen
stand. Id) steuerte durchaus nicht gerade auf
die weiß schäumenden Wogen zu, voti einem
unbezwinglichen Impuls dem Untergange zu-
getrieben, behext von der fatalen Gewißheit,
daß das Leben nichts Besseres zu geben habe.
Nein, das kann ich Ihnen versichern! Und
meine Frau starrte dem Tode nicht mit eitler
wilden Hingebung in ihrem erstarrten, marmor-
weißen Antlitz ins Auge. Wir dachten nicht
im geringsten an die Allnatur und die Geheim-
nisse der Tiefe. Meine Frau lag mit einem
Rettungsgürtel um den Magen in dem Wasser
unten in der Ruff und war entsetzlich seekrank.
Und ich klammerte mich an den Mast und
fluchte und winkte mit ein Paar weißen Bein-
kleidern eincni großen Kohlendampfer in der
Ferne zu.
Nun, daß wir schließlich von besagtem
Kohlendampfer ausgenommen wurden, das
wissen Sie auch aus den Zeitungen. Aber
die „Walküre", die war pfutsch. Wir waren
noch nicht weit gekommen, so ging sie aus-
einander lind verschwand. Ich hätte vor Wut
bersten können, daß ich sie nicht vorher ver-
sichert hatte. Sie schreiben, Malkolm und
Hermine fühlten die Lebenslust nach dieser
unerwarteten Rettung, der sie sich halbwider-
strebend unterworfen hatten, wieder aufflackern,
sie fühlten einen Durst nach den Riesenstädten
des Kontinents, nach ihren dröhnenden Bahn-
hofshalle», ihren dumpfen Nebeln, ihrem
schwarzen Menschengewühl uitd ihren Häuser-
massen. Aber das könnte ich nicht sagen. Wir
taten vielmehr alles, um ans Land zu kommen,
aber der Kapitän, der Teufelskerl, wollte nicht nn-
halten, und so mußten wir mit bis nach Rotterdam.
Ich habe den Verdacht, daß er ein Auge auf
meine Frau geworfen hatte, die ich nach dem
Beispiel des vorsichtigen Vater Abraham, wenn
er zu fremden Potentaten kam, als meine Schwe-
ster vorgestellt hatte. Im übrigen war er ein
ganz netter Kerl, der Grog trank und Tabak
schnupfte, Kapitän van Gogh. Ich gewann ihm
im Poker 130 Gulden ab, und so brauchte ich
auch in Rotterdam nicht um Reisegeld zu tele-
graphieren .. . Ja, und dann fuhren wir nach
Stockholm zurück und vervollkommneten unsere
Ehe durch die Trauung, wie es im Gesetze heißt.
So einfach endete diese Geschichte.
Frau Bcrgdahl: Ja, und ich bin also gar kein
Varietestern und nicht die Geliebte eines Weizen-
spckulanten! Und gedenke es auch nicht zu werden.
Marcus (mit Aufgebot seiner letzten Energie):
Ja, all das ist ja sehr interessant. Jetzt habe ich
also Ihre ganze Geschichte gehört, so wie Sie sich
sie selbst zurechtgelegt haben. Und Sie sind na-
türlich fest überzeugt, daß sie unvergleichlich wahrer
ist als meine. Das zeigt aber nur, daß Sic die
poetische Wahrheit nicht verstanden haben. Was
wissen Sie denn eigentlich von Ihrem eigenen
Seelenzustand? Was von sich selbst und der Zu-
kunft? Denken Sie mal, wenn diese Dinge ent-
hüllen sollte, die ich schon geahnt habe! (Fixiert
Frau Bergdahl mit vieldeutigem Lächeln.)
Ja, denken Sie nur, wenn ich mich zum Bei-
spiel in Ihnen, Frau Bergdahl, doch nicht geirrt
hätte? Wenn ich einmal in der einen oder andern
Weise recht behalten sollte!
Bcrgdahl: Wir haben uns nun mal in den
Kopf geletzt, Sie zu desavouiere», Herr Marcus.
Aber nehmen Sie nun an, daß meine Frau mich
wirklich rasch und vergnügt los würde, so bleibt
doch noch immer etwas anderes, das bindet!
Marcus: In, was denn?
Bcrgdahl: Ach, allerlei .... Können Sie
mir sagen, waruni die Liebenden in Ihren Büchern
Auf Feldwache A. Schönmann
(Bayr. Schneeschuh-Truppe)
immer so sprechen, als ob es ane Abend vor der
Sintflut wäre?
Marcus: Weil die Liebe weder Zukunft nod)
Vergangenheit hat, sie ist Gegenwart.
Bcrgdahl: Ad) was! Sonst pflegt bod) die
Vergangenheit gar nid)t so schlecht von der Schwie-
gcrmutter und die Zukunft von den Kindern re-
präsentiert zu werden. Ja, sehen Sie, es kommt
wirklid) vor, daß man Kinder kriegt. Id) sehe
mid, gezwungen, Ihnen einen harten Sdilag zu-
zufügen, Herr Marcus — wir haben faktisch
Zwillinge bekommen. Meine Frau stillt selbst...
Frau Bergdahl: Aber Malte!
Marcus (sinkt vernichtet auf die Bank): Zwil-
linge! Heilige Barbara! Welcher Zynismus!
Bcrgdahl: Jawohl, Zwillinge! Warum be-
kommen Sie denn in Ihren Büdiern nie Zwillinge,
Herr Marcus? Das wäre bestimmt sehr zu-
träglich.
Marcus: Id) glaube, Sie wissen nid)t, was
Sie reden! Das wäre bod) der Höhepunkt der
Läd>erlid)keit.
Bcrgdahl: Ad) was! Wissen Sie, id) glaube,
unsere Zwillinge würden Sie interessieren. Bei
ihnen können Sie diesen passiven, unbewußten,
verträumten Zustand studieren, der Ihnen so sym-
pathisd) ist. Da haben Sie die ganze Mystik
wie in einer kleinen Sd)ad)tcl. Haben Sie nid)t
Lust, mitzukommen und sie sid) anzusehen?
Marcus: Gott bewahre!
Frau Bcrgdahl (mit funkelnden Augen): Sie
wissen nid)t, wie reizend sie sind, Herr Marcus!
Marcus: Andrer Leute Kinder sind immer
entsetzlid), Frau Bergdahl!
Bcrgdahl (nimmt Marcus unter den Arm): Ja,
jetzt müssen Sie weiß Gott mitkommen und für
den Revolverschuß im Hotel Phönix und das
Luxusvariete in Amsterdam Buße tun.
Marcus: Nein, nein, das ist zu grausam!
Frau Bcrgdahl (zieht Marcus eifrig am andern
Arm): Kommen Sie jetzt nur und zeigen Sie,
daß Sie ein Mann sind!
Marcus (gibt resigniert die Hände): Also
in Gottes Namen! Ihr seid die fd)redtlid)ften
Menschen, die ich je getroffen habe! tGeht sehr
flau zwischen den eifrigen Eltern einher. Plötzlich
bleibt er sichen, knipst mit den Fingern und pfeift.)
Ad), zum Teufel, das kann ja schließlich nod>
etwas werden! Eine ätzetidc, selbstironisierende
Beid)te über die Erlebnisse des Schriftstcller-
berufes! Das kann sidi sogar sehr gut >nad)en!
Sehen Sie, so sind wir Schriftsteller! Sie haben
mid) eine Stunde lang auf langsamem Feuer
gebraten! Aber id), id) steige wie der Vogel
Phönix aus meiner eigenen Äsd)e enipor! (Alle
drei verschwinden um die Biegung zum Badehotel.)
(Autorisierte Übertragung aus dem Schwedischen
von Marie Franzos)
Barrl Ennemosers Freund
Bon Otto Zoff (Wien)
In den Mittagsstunden, wenn die Herbst-
sonne nod) war,» wurde, durften die Ieidjter
Verwundeten ein wenig an die Lust gehn.
Als es ihnen zum erstenmal erlaubt worden
war, sd)ien ihnen dieses neue Leben nods fremd
und beinahe unerklärlid). Zwischen den beiden
langgestrediten, grauen und so traurigen Ge-
bäuden, weld)e das Spital bildeten, wandelten
sie sorgsani auf und nieder, rauchten Ziga-
retten, suchten in den Wolken die Sonne,
setzten fid) von Zeit zu Zeit, ermüdet und
sdsläfrig, auf die Bänke und sprachen beinahe
nidsts miteinander. Sie glaubten es kauni,
daß sie diese letzten Tage erlebt hatten, sie
fanden fid) nicht zurecht; und so ungeheuer
fremd war ihnen dies alles, daß sie »irijt im-
stande waren, eingehend über etwas nachzu-
dcnken oder einer Erinnerung nnd>zugehit.
Auf einem unbekannte», düsteren Acker —
Gott weiß wo — hatte sie die Kugel erreidst,
die ihnen bestimmt gewesen und auf die sie fid)
dennoch nicht vorbereitet hatten. Auf unbekannten
Wegen hatte man sie über die Karpathen gebracht.
Das war alles, was sie wußten. Und nun lagen
sie hier, — in fremden, weißen Belten, — in diesem
fdjndl eingerichteten Spital, in einer unbekannten,
unfaßbaren Welt. I,r Oberungarn fcicit sie, hatte
die Schwester gesagt, — aber wie sollte man fid)
das klar vorstellen?
Am nädisten Tag ging es sdson etwas besser.
Am dritte» hatte man einander so ziemlich kennen
gelernt und man hatte Interesse an dem (Sefd)idt
des andern. Da konnte es nidjt ausbleiben, daß
man selbst and) offener wurde, — denn wer sdson
einmal zu fragen beginnt, wünsdst selbst aud) ge-
fragt zu werden. 3lud) bekam man jetzt offenere
Augen für die ganze Umgebung. Da sah man
eigentlid) zum erstenmal den großen bidtcn Ahorn-
baum, welcher voll Herbst in der Mitte des Hofes
stand. Da sah man in der Ferne die blassen
Formen der Berge. Da sah man aus den Rauch-
fängen bläulirfjen Rand) aufsteigen und verfolgte
ihn mit den Blidren, bis er zerging. Und da sah
man enblid) and), daß sich ein kleiner, magerer,
sd)inutziger Hund herbeistahl; und als man ihn
anrief, duckte er fid) scheu und lief fd)ncll davon.
Dieser Hund war es, mit dem man in den
nädisten Tagen nähere Bekanntsd)aft machte. “311s
er zum zweitenmal gekommen war, hatte er fid)
schon etwas näher gewagt. Ein Tiroler, namens
Bartl Ennemoser, der immer einsam auf einer
abseitigen Bank saß und fid) in einem stillen, aber
sd)wercn Heimweh verzehrte, rief ihn an. Der
Hund kam etwas näher, dann aber verlor er
wieder allen Mut. Bartl rief ihn nod) einigemale
an: ja, er beugte sid) vor und ftredde die Hand-
aus, wobei er mit zwei zusanimengekniffene» Fin-
gern zu locken versudite. Der Hund winselte leid)t,
fegte mit seinem bufdjigen Schweif den Staub auf,
und rührte sid) nidjt von der Stelle.
Bartl^crhob sid) und verschwand in dem Ge-
bäude. So lang es möglidj war, verlor ihn der
328
und sympathische Erklärung.
Bcvgdahl: Ja, zuerst war alles recht ein-
fach und sympathisch, aber dann kam Nord-
wind und dichter Regennebel. Und das Steuer
ging kaput, und die „Walküre" trieb auf eine
Sandbank ein paar Meilen unter dem Oxe-
lösund, wie ganz richtig in den Zeitungsnotizen
stand. Id) steuerte durchaus nicht gerade auf
die weiß schäumenden Wogen zu, voti einem
unbezwinglichen Impuls dem Untergange zu-
getrieben, behext von der fatalen Gewißheit,
daß das Leben nichts Besseres zu geben habe.
Nein, das kann ich Ihnen versichern! Und
meine Frau starrte dem Tode nicht mit eitler
wilden Hingebung in ihrem erstarrten, marmor-
weißen Antlitz ins Auge. Wir dachten nicht
im geringsten an die Allnatur und die Geheim-
nisse der Tiefe. Meine Frau lag mit einem
Rettungsgürtel um den Magen in dem Wasser
unten in der Ruff und war entsetzlich seekrank.
Und ich klammerte mich an den Mast und
fluchte und winkte mit ein Paar weißen Bein-
kleidern eincni großen Kohlendampfer in der
Ferne zu.
Nun, daß wir schließlich von besagtem
Kohlendampfer ausgenommen wurden, das
wissen Sie auch aus den Zeitungen. Aber
die „Walküre", die war pfutsch. Wir waren
noch nicht weit gekommen, so ging sie aus-
einander lind verschwand. Ich hätte vor Wut
bersten können, daß ich sie nicht vorher ver-
sichert hatte. Sie schreiben, Malkolm und
Hermine fühlten die Lebenslust nach dieser
unerwarteten Rettung, der sie sich halbwider-
strebend unterworfen hatten, wieder aufflackern,
sie fühlten einen Durst nach den Riesenstädten
des Kontinents, nach ihren dröhnenden Bahn-
hofshalle», ihren dumpfen Nebeln, ihrem
schwarzen Menschengewühl uitd ihren Häuser-
massen. Aber das könnte ich nicht sagen. Wir
taten vielmehr alles, um ans Land zu kommen,
aber der Kapitän, der Teufelskerl, wollte nicht nn-
halten, und so mußten wir mit bis nach Rotterdam.
Ich habe den Verdacht, daß er ein Auge auf
meine Frau geworfen hatte, die ich nach dem
Beispiel des vorsichtigen Vater Abraham, wenn
er zu fremden Potentaten kam, als meine Schwe-
ster vorgestellt hatte. Im übrigen war er ein
ganz netter Kerl, der Grog trank und Tabak
schnupfte, Kapitän van Gogh. Ich gewann ihm
im Poker 130 Gulden ab, und so brauchte ich
auch in Rotterdam nicht um Reisegeld zu tele-
graphieren .. . Ja, und dann fuhren wir nach
Stockholm zurück und vervollkommneten unsere
Ehe durch die Trauung, wie es im Gesetze heißt.
So einfach endete diese Geschichte.
Frau Bcrgdahl: Ja, und ich bin also gar kein
Varietestern und nicht die Geliebte eines Weizen-
spckulanten! Und gedenke es auch nicht zu werden.
Marcus (mit Aufgebot seiner letzten Energie):
Ja, all das ist ja sehr interessant. Jetzt habe ich
also Ihre ganze Geschichte gehört, so wie Sie sich
sie selbst zurechtgelegt haben. Und Sie sind na-
türlich fest überzeugt, daß sie unvergleichlich wahrer
ist als meine. Das zeigt aber nur, daß Sic die
poetische Wahrheit nicht verstanden haben. Was
wissen Sie denn eigentlich von Ihrem eigenen
Seelenzustand? Was von sich selbst und der Zu-
kunft? Denken Sie mal, wenn diese Dinge ent-
hüllen sollte, die ich schon geahnt habe! (Fixiert
Frau Bergdahl mit vieldeutigem Lächeln.)
Ja, denken Sie nur, wenn ich mich zum Bei-
spiel in Ihnen, Frau Bergdahl, doch nicht geirrt
hätte? Wenn ich einmal in der einen oder andern
Weise recht behalten sollte!
Bcrgdahl: Wir haben uns nun mal in den
Kopf geletzt, Sie zu desavouiere», Herr Marcus.
Aber nehmen Sie nun an, daß meine Frau mich
wirklich rasch und vergnügt los würde, so bleibt
doch noch immer etwas anderes, das bindet!
Marcus: In, was denn?
Bcrgdahl: Ach, allerlei .... Können Sie
mir sagen, waruni die Liebenden in Ihren Büchern
Auf Feldwache A. Schönmann
(Bayr. Schneeschuh-Truppe)
immer so sprechen, als ob es ane Abend vor der
Sintflut wäre?
Marcus: Weil die Liebe weder Zukunft nod)
Vergangenheit hat, sie ist Gegenwart.
Bcrgdahl: Ad) was! Sonst pflegt bod) die
Vergangenheit gar nid)t so schlecht von der Schwie-
gcrmutter und die Zukunft von den Kindern re-
präsentiert zu werden. Ja, sehen Sie, es kommt
wirklid) vor, daß man Kinder kriegt. Id) sehe
mid, gezwungen, Ihnen einen harten Sdilag zu-
zufügen, Herr Marcus — wir haben faktisch
Zwillinge bekommen. Meine Frau stillt selbst...
Frau Bergdahl: Aber Malte!
Marcus (sinkt vernichtet auf die Bank): Zwil-
linge! Heilige Barbara! Welcher Zynismus!
Bcrgdahl: Jawohl, Zwillinge! Warum be-
kommen Sie denn in Ihren Büdiern nie Zwillinge,
Herr Marcus? Das wäre bestimmt sehr zu-
träglich.
Marcus: Id) glaube, Sie wissen nid)t, was
Sie reden! Das wäre bod) der Höhepunkt der
Läd>erlid)keit.
Bcrgdahl: Ad) was! Wissen Sie, id) glaube,
unsere Zwillinge würden Sie interessieren. Bei
ihnen können Sie diesen passiven, unbewußten,
verträumten Zustand studieren, der Ihnen so sym-
pathisd) ist. Da haben Sie die ganze Mystik
wie in einer kleinen Sd)ad)tcl. Haben Sie nid)t
Lust, mitzukommen und sie sid) anzusehen?
Marcus: Gott bewahre!
Frau Bcrgdahl (mit funkelnden Augen): Sie
wissen nid)t, wie reizend sie sind, Herr Marcus!
Marcus: Andrer Leute Kinder sind immer
entsetzlid), Frau Bergdahl!
Bcrgdahl (nimmt Marcus unter den Arm): Ja,
jetzt müssen Sie weiß Gott mitkommen und für
den Revolverschuß im Hotel Phönix und das
Luxusvariete in Amsterdam Buße tun.
Marcus: Nein, nein, das ist zu grausam!
Frau Bcrgdahl (zieht Marcus eifrig am andern
Arm): Kommen Sie jetzt nur und zeigen Sie,
daß Sie ein Mann sind!
Marcus (gibt resigniert die Hände): Also
in Gottes Namen! Ihr seid die fd)redtlid)ften
Menschen, die ich je getroffen habe! tGeht sehr
flau zwischen den eifrigen Eltern einher. Plötzlich
bleibt er sichen, knipst mit den Fingern und pfeift.)
Ad), zum Teufel, das kann ja schließlich nod>
etwas werden! Eine ätzetidc, selbstironisierende
Beid)te über die Erlebnisse des Schriftstcller-
berufes! Das kann sidi sogar sehr gut >nad)en!
Sehen Sie, so sind wir Schriftsteller! Sie haben
mid) eine Stunde lang auf langsamem Feuer
gebraten! Aber id), id) steige wie der Vogel
Phönix aus meiner eigenen Äsd)e enipor! (Alle
drei verschwinden um die Biegung zum Badehotel.)
(Autorisierte Übertragung aus dem Schwedischen
von Marie Franzos)
Barrl Ennemosers Freund
Bon Otto Zoff (Wien)
In den Mittagsstunden, wenn die Herbst-
sonne nod) war,» wurde, durften die Ieidjter
Verwundeten ein wenig an die Lust gehn.
Als es ihnen zum erstenmal erlaubt worden
war, sd)ien ihnen dieses neue Leben nods fremd
und beinahe unerklärlid). Zwischen den beiden
langgestrediten, grauen und so traurigen Ge-
bäuden, weld)e das Spital bildeten, wandelten
sie sorgsani auf und nieder, rauchten Ziga-
retten, suchten in den Wolken die Sonne,
setzten fid) von Zeit zu Zeit, ermüdet und
sdsläfrig, auf die Bänke und sprachen beinahe
nidsts miteinander. Sie glaubten es kauni,
daß sie diese letzten Tage erlebt hatten, sie
fanden fid) nicht zurecht; und so ungeheuer
fremd war ihnen dies alles, daß sie »irijt im-
stande waren, eingehend über etwas nachzu-
dcnken oder einer Erinnerung nnd>zugehit.
Auf einem unbekannte», düsteren Acker —
Gott weiß wo — hatte sie die Kugel erreidst,
die ihnen bestimmt gewesen und auf die sie fid)
dennoch nicht vorbereitet hatten. Auf unbekannten
Wegen hatte man sie über die Karpathen gebracht.
Das war alles, was sie wußten. Und nun lagen
sie hier, — in fremden, weißen Belten, — in diesem
fdjndl eingerichteten Spital, in einer unbekannten,
unfaßbaren Welt. I,r Oberungarn fcicit sie, hatte
die Schwester gesagt, — aber wie sollte man fid)
das klar vorstellen?
Am nädisten Tag ging es sdson etwas besser.
Am dritte» hatte man einander so ziemlich kennen
gelernt und man hatte Interesse an dem (Sefd)idt
des andern. Da konnte es nidjt ausbleiben, daß
man selbst and) offener wurde, — denn wer sdson
einmal zu fragen beginnt, wünsdst selbst aud) ge-
fragt zu werden. 3lud) bekam man jetzt offenere
Augen für die ganze Umgebung. Da sah man
eigentlid) zum erstenmal den großen bidtcn Ahorn-
baum, welcher voll Herbst in der Mitte des Hofes
stand. Da sah man in der Ferne die blassen
Formen der Berge. Da sah man aus den Rauch-
fängen bläulirfjen Rand) aufsteigen und verfolgte
ihn mit den Blidren, bis er zerging. Und da sah
man enblid) and), daß sich ein kleiner, magerer,
sd)inutziger Hund herbeistahl; und als man ihn
anrief, duckte er fid) scheu und lief fd)ncll davon.
Dieser Hund war es, mit dem man in den
nädisten Tagen nähere Bekanntsd)aft machte. “311s
er zum zweitenmal gekommen war, hatte er fid)
schon etwas näher gewagt. Ein Tiroler, namens
Bartl Ennemoser, der immer einsam auf einer
abseitigen Bank saß und fid) in einem stillen, aber
sd)wercn Heimweh verzehrte, rief ihn an. Der
Hund kam etwas näher, dann aber verlor er
wieder allen Mut. Bartl rief ihn nod) einigemale
an: ja, er beugte sid) vor und ftredde die Hand-
aus, wobei er mit zwei zusanimengekniffene» Fin-
gern zu locken versudite. Der Hund winselte leid)t,
fegte mit seinem bufdjigen Schweif den Staub auf,
und rührte sid) nidjt von der Stelle.
Bartl^crhob sid) und verschwand in dem Ge-
bäude. So lang es möglidj war, verlor ihn der
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