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Der Rriegsjunge

Gestern Nachmittag trug die reine, hier für
Nord-Ost-Frankreich eigentlich ungebührlich kalte
Aprilluft noch mächtiges Donnerrollen zu uns
herüber. — Wir liegen hier etwas weiter zurück;
nicht viel; einen Tagemarsch. — —

Heute Mittag saß ich in der „TelsZrapkis",
einem Fernsprechamt, bedient von unserer feld-
grauen Feldpost, und warte auf einen Fernsprech-
anschluß. — Weit weg — —

Ich muß also lange warten,-eine halbe

Stunde — — eine Stunde — —. Ich frage
mal freundlich am Schalter an, ob die Verbin-
dung auch vergessen sei oder ... ? — Der Be-
amte wendet sich ans Fernamt. „Das Gespräch
ist sofort im .... angemeldet; aber Sie können
sich denken, die Leitungen sind durch die vielen
und oft eilenlangen Dienstgespräche überlastet.
Da muß man sehen, daß man so drei Minuten
dazwischen erwischt für ein Privatgespräch."

Ich warte weiter — —

Es klingelt am Apparat; ich werfe meinen
Mantel ab, da einem in den kleinen Fernsprech-
häuschen immer so warm wird. — „Soest*)
meldet sich." — Ich gehe hinein in die kleine
Bude. „Hier Walter." „Hier Gretel in Soest."

Und plötzlich war ich zu Hause, in meinem
Heim. Meine Schwester steht vor mir! „Gretel,
wie geht's denn meinem Tonerlfrauchen; wie
meinem kleinen, sechs Tage alten Kriegsjungen?"

— „Alle wohl und munter; er ein Prachtjung,
acht Pfund schwer, ganz der Vater. Toner! guter
Dinge und glücklich. Eben ruft sie mir zu, ich
soll Dich grüßen." „Was macht der große
Jung, was das Töchterlein?" „Alle gesund und
froh .. ."

Kann man sich's denken? Nahe hinter der
Kampffront weilt man. Nur ein Ziel vor Augen!

— Die Heiniat, die Familie, das Glück, sic liegen
einem so fern. — örtlich und zeitlich.

Und mit einen: Schlage steht man wieder
mitten drin im Heim, in der Familie, im Glück.
Man hört die lieben Stimmen; mild, weich, voller
Liebe. Man lebt für ein paar Augen-
blicke wieder in einer lange ent-
behrten Welt.

„Die Gattin und junge Mutter
wohlauf. Der kleinste Kriegsbub
ein Prachtbengel" —

Das Baterglück ist groß, unend-
lich groß!

Die drei Minuten sind um-

„Liebe Grüße, guteWünsche Euch
allen! - Schluß!" —

Der 400 Kilometer lange Draht
zerreißt!

Ich stehe wieder mitten im Fein-
desland. Aber der elektrische Funke
läßt mich noch lange zittern. — Ich
sehe nicht rechts, nicht links. — Nur
vor mir, weit vor mir mein Weib
und meinen kleinen Kriegsbuben.

Oberleutnant plancth
(im Felde)

*) Soest in Westfalen.

Pioniere

Der Pionier ist jederzeit
Hellwach auf seinem Posten,

Ist immer schlag- und hilfsbereit,

Läßt keinen Nagel rosten.

Er bleibt sein Tag ein schlanker Mann
Beim Schanzen und beim Schaffen,

Legt hurtig Weg und Stege an
Und trägt Genie im Affen.

Und wenn der Feind auch Wunden schlug
In Haus und Bahn unb Brücke,

Und macht' er's noch so schlau und klug,
Hieb alles rings in Stücke,

Wir flicken sauber, bauett gut
Mit Bohle und mit Stange,

Und ist der Mörtel oft aus Blut,

So hält er doppelt lange.

Rückt uns der Feind zu dicht heran,
Streckt aus die freche Klaue,

Nur immer näher! Manir für Mann
Berhaun wir im Verhaue.

Meint er, der Fluß sei uns zu breit
Unb eine sichere Falle,

Schon hält man den Ponton bereit —
Und drüber sind wir alle.

Vorwärts und durch mit raschem Schritt!
So kommen wir vom Flecke,

Wenn uns was henunt . . . mit Dynamit
Schafft man sich freie Strecke.

Wir rechnen gut, und sicher trifft
Auch unsre Handgranate,

Es kennt der Pionierhand Schrift
Manch feindlicher Soldate,

inzwischen u m gr u p p ie c'n.

Für Deutschlands Ehre schlägt uns heiß
Das Herz in stetem Schlage,

Wir ziehn durch Feuersglut und Eis
Zum großen Siegestage. —

Ist Frau und Mädel noch so weit,

Uns hindert's nicht am Glücke,

Wir bau'n selbst durch die Ewigkeit
Dem Herzen eine Brücke. —

Geht aus dem Leim das Weltenhaus,
Habt ihr nur keine Bange!

Der Pionier, der bessert's aus
Mit Hammer und mit Zange. —

Winkt uns der Herrgott einmal doch
Hinauf die Himmelsleiter,

Da lächeln wir im Sterben noch:
„Kamrad, nun bau Du weiter."

Ioscfa Metz

Landstürmers Schmerzen

Der Landsturm nniß jetzt exerzieren,

Das tut uns Dicken gar nicht gut,

Der Hauptinann spricht

zwar: „Stramin marschieren
Erfrischt die Nerven und das Blut."

Allein, ich Hab es nicht gefunden.
Kniebeuge, Laufschritt, Hairteln — Gott,
Du weißt, was ich dabei empfunden!

Und obendrein gibt's auch iroch Spott!

Ich lebte so beschaulich immer
Und mm seht man mich so in Schwung,
Ein Mittagsschläfchen gibt es nimmer
Und abends keinen Wirtshaustrunk.

Nun ja, so fügen wir uns eben, —

Ein Opfer bringen will ich auch:

Der gibt sein Geld,

der läßt sein Leben
Und ich verlier halt

meinen — Bauch.
R. plischke

Dcr Salon der Refusierren

„Kommen Sic mit," fragte mich
ein Bekannter, „in den Salon der
Refnsierten?"

Ich hatte gerade nichts Besseres
zn tun. drum begleitete ich ihrr. <£r
aber führte mich ins — Lafö
Größenwahn I"

„Salon d e r R c f n s i e r t e n?"
— horchte ich befremdet — „sind
das hier lauter u n v erstandene,
lautcrjuryfreieStürmcr? ?"

Er schüttelte das ljanpt:

„Alles dauernd dienstuntaug-
licher Land st u r m o. M.!"

JLii(l\vi£ JHngel

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Register
Ludwig Engel: Der Salon der Refüsierten
Planeth: Der Kriegsjunge
Friedrich (Fritz) Heubner: Wiedergenesung
R. Plischke: Landstürmers Schmerzen
Josefa Metz: Pioniere
 
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