im unklaren befinden konnte, über die Schwelle
beförderte, sah er draußen denn doch verdutzten
Gesichtes um sich, wartete noch, bis die Türe ins
Schloß geworfen ward, und sagte:
„Ha, den schaug' an! ... Und mih tat er
nachher noch frei ein Kittelschinecker heißen. Mußt
uit lachen! .... Deni hält' ih aber jetzt eine
nette Goschen ang'hängt, . . . wenn ih mih ge-
traut hätt' ..."
Es war längst stille geworden in den Hoch-
tälern Tirols.
Doch das war nicht die gewohnte, sorglos
friedliche Winterstille. Das war wie ein bestän-
diges Lauschen mit verhaltenem Atem. Ein Lau-
schen auf eine in weiter Ferne tobende Brandung,
die ihre verebbenden Wellen bis an den Fuß der
himmelhohen, das Land umfriedenden Bergniauern
warf . . .
Die ersten Verwundeten kamen. Es waren
Leute, die nie zuvor in Tirol gewesen waren.
Sie gingen still und bescheiden ihres Weges und
gaben auf Fragen, wo sie im Gefechte gestanden
und wo sie verwundet worden waren, höflich und
bereitwillig Auskunft. Wurden sie aber uni ihr
innerstes Erlebnis befragt, so schwiegen sie. Sahen
mit seltsam verlorenen Blicken an den Fragern
vorbei ins Leere und schwiegen. Sie konnten
nicht reden von jenen Stunden, deren unsägliche
Qual ihre Nerven bis zum Reißen gespantit, und
sie vermochten nicht von den Nächten zu sprechen,
in deren Grauen ihre Augen das Lachen verlernt
halteit. Denn wenn es auch im Gespräche mit-
unter geschah, daß sich das kleine, scheue Lächeln
der Genesenden in ihre Mundwinkel verlor, so
blieb doch der eigentümlich fremde, in leere Fer-
nen gerichtete Blick ihrer ernsten Augen immer
derselbe.
Später kamen daitn auch Einheimische. Schüt-
zen und Jäger, die das Edelweiß als Feldzeichen
trugen. Die wurden dann wohl ihren Angehöri-
gen und Freunden gegenüber allmählich gesprächig,
erzählten hundert kleine Episoden, worunter auch
viele spaßhafte waren, und bemühten sich redlich,
all ihre Erlebnisse restlos mitzuteilen. Aber jeder
geriet dabei einmal an die Stelle, über die keiner
kommen konnte. Dann war dieser seltsame, ins
Leere verlorene Blick wieder da. Dieser Blick
eines Menschen, der den Tod gesehen hat, und
den ein Erleben, für das es keine Worte gibt,
von anderen Menschen trennt . . .
Diejenigen aber, die diesem Krieg eine
verrohende Wirkung auf die Teilnehmer vor-
ausgesagt hatten, sahen sich bald getäuscht,
denn fast ausnahmslos trugen die Zurück-
gekommenen ein bescheidenes, zuvorkommen-
des Wesen zur Schau, was man von gar
vielen vordem nicht eben behaupten konnte.
Auch konnten sie sich nicht sattsehen an den
verschneiten heimatlichen Bergen, die sie früher
nienials besonderer Betrachtung wert gefun-
den hatten.
In dieser Zeit, in der sich echte Bildungs-
werte allenthalben schärfer als sonst von der
Tünche anerlernter Manieren unterschieden,
gab auch das Verhalten derer, die geborgen
daheimgcblicben waren, Anlaß zu mancherlei,
und gleichfalls meist erfreulichen Feststellungen.
Wohl entgingen die Daheimgebliebenen der
eisernen Faust, die draußen in den endlosen
Fronten hüben und drüben jeden einzelnen
mitten aus Feuer, Tod und Flüchen hob
und ihn in die Wage warf, in der nur die
Herzen wiegen; aber selbst in den entlegenen
Frieden dieses Berglands griff cs wie mit
tastender Hand und stieß mit prüfendem Fin-
ger bald den, bald jenen an, ob er auch wohl
feststünde auf seinem Platze . . .
Und da war es nun just der Schneider
Wurzingcr, der ein klein bißchen wackelte.
Vielleicht hätte es auch der nicht getan, wenn
er nicht gar so eine schandbar rote Nase ge-
habt hätte, was die Eisacktalerinuen, so lange
sie noch halbwegs heikel sein dürfen, ganz
und gar nit leiden mögen; und wenn er nicht
justament in dem kleinen Häusl hinter dem
Hirschenwirtshöfl gewohnt hätte, sodaß sein Blick
notgedrungen täglich unzählige Male auf die
Zenzl fallen mußte, die drüben in der Hirschen-
wirtskuchl ihren häuslichen Verpflichtungen oblag.
So wollte es denn den Schneider Wurzinger all-
mählich bedünken, als wäre jetzt eben diejenige
Zeit gekommen, in der einer, der sonst bei Weibs-
leuten kein sonderlich Glück hat, auch einmal zu
seiner Sach kommen könnt'.
Gleichzeitig fand er, daß der Rotwein im
„Bären" längst nicht mehr von jener Güte sei,
wie man sie für zwölf Kreuzer füglich erwarten
dürfe, und ging fortab in den „Hirschen", um
dort weißen Terlaner zu trinken. Wenn schon
die rote Nase auch ob dieses Wechsels uni keinen
Ton blässer wurde, so bot sich doch ihrem Besitzer
reichlich Gelegenheit, den Eindruck zu beobachten,
den die im ganzen Orte bekannte Tatsache, daß
der Egghofer Hias seit zwei Monaten kein Lebens-
zeichen mehr gegeben, auf die Zenzl machte: er
versäumte auch nicht, in Anwesenheit der Zenzl
mehrmals darauf hinzuweisen, daß man in sol-
chen Fällen eben auf alles gefaßt sein müsse.
Und als die Zenzl stillschweigend damit anfing,
ein Paar verweinter Augen heimzutragen, da be-
schloß der brave Wurzinger, dem armen Mädel
einmal unter vier Augen gründlichen Trost zuzu-
sprechen.
Dies war sehr gut möglich, seit der kleine
Fischteich im Hirschenwirtshöfl mit starken Brettern
eingedeckt worden war, über die man selbst zur
Nachtzeit völlig gefahrlos bis an das Küchenfenster
gelangen konnte. So geschah es denn, daß sich
eines Abends die roten Augen der durch ein leises
Klopfen erschreckten Zenzl auf das Küchenfenster
hefteten und dort eine spitze, rote Nase gewahr
wurden, die von dem Bestreben beseelt schien, sich
an der kalten Glasscheibe möglichst platt und blau
zu quetschen.
Es war nur natürlich, daß sich die Zenzl vor
diesem Anblicke in die Speisekammer flüchtete.
Merkwürdiger war es schon, daß just in demselben
Zeitpunkte ein Mann, mit vier starken Lärchen-
breltern beschwert, das Hirschenwirtshöfl unter
deni Schutze der Dunkelheit verließ und sich in
der Holzhütte seiner Last entlud mit den Worten:
„So, Egghofer Hies! Und jetzt wöllen wir
grad sech'n, ob ein Staatskrüppel nit auch einmal
für dich ei»' Arbeit tun kann . . ."
Bald darauf geschah inmitten des Höfls ein
sonderbares Knacken und Klatschen, als fiele dort
jemand durch eine dünne Eisdecke in brusthohes
Wasser. Und als sich reichlich fünf Minuten später
der Schneider Wurzinger, bebend vor Ingrimm
und Kälte, durch das stockfinstere Höfl tastete, da
klatschte es abermals, und zwar an einer Stelle,
wo ganz bestimmt kein Wasser war. ..
Nun, zur Winterszeit steht niemand gerne in
nassen Kleidern im kalten Zimmer herum. Und
doch ist es sehr zu beklagen, daß der Schneider
Wurzinger gerade an diesem Abend die gewohnte
eingehende Besichtigung seiner Nase im Spiegel
unterließ. Er hätte sonst leicht feststelleu können,
daß diese Nase im Vergleiche zu ihrer nächsten
Nachbarschaft geradezu blaß erschien, und daß
an der großen Hand, deren Umrisse sich deutlich
von seiner linken Gesichtshälfte abhoben, der Zeige-
finger um zwei Glieder zu kurz war. . .
Am nächsten Abend schien der Schneider Wur-
zinger im „Hirschen" ganz und gar nicht zum
Reden aufgelegt zu sein. Er schwieg beharrlich
zu den kühnsten Behauptungen der Stammtisch-
strategcn und beteiligte sich auch nicht an der freu-
digen Erregung, die sich aller übrigen Anwesen-
den bemächtigte, als der Briefträger eine ganz er-
staunlich dünne, an Fräulein Kreszentia Tschiggfrei
adressierte Postkarte ins Haus brachte, die den
Aufdruck: „Fliegerpost Przempsl" trug und des
k. k. Landesfchlltzen Matthias Egghofers bestes
Wohlbefinden meldete.
Erst als der Klotzner Peter hereinkam und
sich mit stillvergnügtem Grinsen anschickte, seine
Abendmahlzeit einzunehmen, tat der Schneider
Wurzinger, nachdem er den Peter eine Weile
giftig genug aitgestarrt hatte, den Mund auf
und sagte:
„Wissen möcht ih lei, für was sich der Hir-
schenwirt so ein Hausknecht füttert! Der ist ja
decht lei für die Katz. Ja, sonst ist er g'wiß
überall derbe!, wo ein blauer Rauch aufgeht.
Wenn aber der nächstbeste Fallot im Höfl draußen
die Bretter vom Fischkalter wegstiehlt, und wenn
sich eine Biertelstund nach'm Betläuten schon aller-
hand Gsindl ums Haus umeinander treibt, das
ein' anständigen Menschen . . ." er schluckte ein
paarmal an einer bösen Erinnerung . . . „das
ein' anständigen Menschen nit in Ruh lassen
kann, zelm sieht's kein Hausknecht nit . . .
Jetzt, 'mir kann's recht sein: ih geh von morgen
ab so wie so wieder zum ,Bärenk Mir tut
der Weiße nit gut."
Der Klotzner Peter war mittlerweile mit
dem Essen fertig geworden und räumte nun
das Geschirr ab mit der ruhigen Unbefangen-
heit eines Taubstummen, von dem niemand
eine Antwort erwarten kann.
Draußen aber auf dem Gang blieb er
stehen, schüttelte sich, bis das Besteck auf dem
leeren Teller in seiner Hand einen regelrechten
Generalmarsch schlug, und sagte:
„Ha, de» schaug' an! ... Also dös ist
der anständige Mensch, den das Gsindl nit in
Ruh lassen kann. Mußt nit lachen! . . . Dem
hätt' ih aber jetzt eine saubre Goschen an-
g'hängt, wenn er mir nit lei zu lötz wär' .. ."
wahres Gcschichrchcn
Schreibt da neulich der Sohn eines Groß-
bauern, der zu Hause als eifriger Jäger be-
kannt ist, daß er in Frankreich neulich das
Glück hatte, zwei Hasen zu schießen.
Ganz entsetzt ringt die Mutter beim Lesen
dieser Zeilen die Hände:
„Iessas! Jeffas! Und hat net amal sei'
Iagdkart'n dabei!"
Lekeebrsoräonasnr bat Ruhe Paul Bürck
(17. Res.-Inf#-Regt.)
373
beförderte, sah er draußen denn doch verdutzten
Gesichtes um sich, wartete noch, bis die Türe ins
Schloß geworfen ward, und sagte:
„Ha, den schaug' an! ... Und mih tat er
nachher noch frei ein Kittelschinecker heißen. Mußt
uit lachen! .... Deni hält' ih aber jetzt eine
nette Goschen ang'hängt, . . . wenn ih mih ge-
traut hätt' ..."
Es war längst stille geworden in den Hoch-
tälern Tirols.
Doch das war nicht die gewohnte, sorglos
friedliche Winterstille. Das war wie ein bestän-
diges Lauschen mit verhaltenem Atem. Ein Lau-
schen auf eine in weiter Ferne tobende Brandung,
die ihre verebbenden Wellen bis an den Fuß der
himmelhohen, das Land umfriedenden Bergniauern
warf . . .
Die ersten Verwundeten kamen. Es waren
Leute, die nie zuvor in Tirol gewesen waren.
Sie gingen still und bescheiden ihres Weges und
gaben auf Fragen, wo sie im Gefechte gestanden
und wo sie verwundet worden waren, höflich und
bereitwillig Auskunft. Wurden sie aber uni ihr
innerstes Erlebnis befragt, so schwiegen sie. Sahen
mit seltsam verlorenen Blicken an den Fragern
vorbei ins Leere und schwiegen. Sie konnten
nicht reden von jenen Stunden, deren unsägliche
Qual ihre Nerven bis zum Reißen gespantit, und
sie vermochten nicht von den Nächten zu sprechen,
in deren Grauen ihre Augen das Lachen verlernt
halteit. Denn wenn es auch im Gespräche mit-
unter geschah, daß sich das kleine, scheue Lächeln
der Genesenden in ihre Mundwinkel verlor, so
blieb doch der eigentümlich fremde, in leere Fer-
nen gerichtete Blick ihrer ernsten Augen immer
derselbe.
Später kamen daitn auch Einheimische. Schüt-
zen und Jäger, die das Edelweiß als Feldzeichen
trugen. Die wurden dann wohl ihren Angehöri-
gen und Freunden gegenüber allmählich gesprächig,
erzählten hundert kleine Episoden, worunter auch
viele spaßhafte waren, und bemühten sich redlich,
all ihre Erlebnisse restlos mitzuteilen. Aber jeder
geriet dabei einmal an die Stelle, über die keiner
kommen konnte. Dann war dieser seltsame, ins
Leere verlorene Blick wieder da. Dieser Blick
eines Menschen, der den Tod gesehen hat, und
den ein Erleben, für das es keine Worte gibt,
von anderen Menschen trennt . . .
Diejenigen aber, die diesem Krieg eine
verrohende Wirkung auf die Teilnehmer vor-
ausgesagt hatten, sahen sich bald getäuscht,
denn fast ausnahmslos trugen die Zurück-
gekommenen ein bescheidenes, zuvorkommen-
des Wesen zur Schau, was man von gar
vielen vordem nicht eben behaupten konnte.
Auch konnten sie sich nicht sattsehen an den
verschneiten heimatlichen Bergen, die sie früher
nienials besonderer Betrachtung wert gefun-
den hatten.
In dieser Zeit, in der sich echte Bildungs-
werte allenthalben schärfer als sonst von der
Tünche anerlernter Manieren unterschieden,
gab auch das Verhalten derer, die geborgen
daheimgcblicben waren, Anlaß zu mancherlei,
und gleichfalls meist erfreulichen Feststellungen.
Wohl entgingen die Daheimgebliebenen der
eisernen Faust, die draußen in den endlosen
Fronten hüben und drüben jeden einzelnen
mitten aus Feuer, Tod und Flüchen hob
und ihn in die Wage warf, in der nur die
Herzen wiegen; aber selbst in den entlegenen
Frieden dieses Berglands griff cs wie mit
tastender Hand und stieß mit prüfendem Fin-
ger bald den, bald jenen an, ob er auch wohl
feststünde auf seinem Platze . . .
Und da war es nun just der Schneider
Wurzingcr, der ein klein bißchen wackelte.
Vielleicht hätte es auch der nicht getan, wenn
er nicht gar so eine schandbar rote Nase ge-
habt hätte, was die Eisacktalerinuen, so lange
sie noch halbwegs heikel sein dürfen, ganz
und gar nit leiden mögen; und wenn er nicht
justament in dem kleinen Häusl hinter dem
Hirschenwirtshöfl gewohnt hätte, sodaß sein Blick
notgedrungen täglich unzählige Male auf die
Zenzl fallen mußte, die drüben in der Hirschen-
wirtskuchl ihren häuslichen Verpflichtungen oblag.
So wollte es denn den Schneider Wurzinger all-
mählich bedünken, als wäre jetzt eben diejenige
Zeit gekommen, in der einer, der sonst bei Weibs-
leuten kein sonderlich Glück hat, auch einmal zu
seiner Sach kommen könnt'.
Gleichzeitig fand er, daß der Rotwein im
„Bären" längst nicht mehr von jener Güte sei,
wie man sie für zwölf Kreuzer füglich erwarten
dürfe, und ging fortab in den „Hirschen", um
dort weißen Terlaner zu trinken. Wenn schon
die rote Nase auch ob dieses Wechsels uni keinen
Ton blässer wurde, so bot sich doch ihrem Besitzer
reichlich Gelegenheit, den Eindruck zu beobachten,
den die im ganzen Orte bekannte Tatsache, daß
der Egghofer Hias seit zwei Monaten kein Lebens-
zeichen mehr gegeben, auf die Zenzl machte: er
versäumte auch nicht, in Anwesenheit der Zenzl
mehrmals darauf hinzuweisen, daß man in sol-
chen Fällen eben auf alles gefaßt sein müsse.
Und als die Zenzl stillschweigend damit anfing,
ein Paar verweinter Augen heimzutragen, da be-
schloß der brave Wurzinger, dem armen Mädel
einmal unter vier Augen gründlichen Trost zuzu-
sprechen.
Dies war sehr gut möglich, seit der kleine
Fischteich im Hirschenwirtshöfl mit starken Brettern
eingedeckt worden war, über die man selbst zur
Nachtzeit völlig gefahrlos bis an das Küchenfenster
gelangen konnte. So geschah es denn, daß sich
eines Abends die roten Augen der durch ein leises
Klopfen erschreckten Zenzl auf das Küchenfenster
hefteten und dort eine spitze, rote Nase gewahr
wurden, die von dem Bestreben beseelt schien, sich
an der kalten Glasscheibe möglichst platt und blau
zu quetschen.
Es war nur natürlich, daß sich die Zenzl vor
diesem Anblicke in die Speisekammer flüchtete.
Merkwürdiger war es schon, daß just in demselben
Zeitpunkte ein Mann, mit vier starken Lärchen-
breltern beschwert, das Hirschenwirtshöfl unter
deni Schutze der Dunkelheit verließ und sich in
der Holzhütte seiner Last entlud mit den Worten:
„So, Egghofer Hies! Und jetzt wöllen wir
grad sech'n, ob ein Staatskrüppel nit auch einmal
für dich ei»' Arbeit tun kann . . ."
Bald darauf geschah inmitten des Höfls ein
sonderbares Knacken und Klatschen, als fiele dort
jemand durch eine dünne Eisdecke in brusthohes
Wasser. Und als sich reichlich fünf Minuten später
der Schneider Wurzinger, bebend vor Ingrimm
und Kälte, durch das stockfinstere Höfl tastete, da
klatschte es abermals, und zwar an einer Stelle,
wo ganz bestimmt kein Wasser war. ..
Nun, zur Winterszeit steht niemand gerne in
nassen Kleidern im kalten Zimmer herum. Und
doch ist es sehr zu beklagen, daß der Schneider
Wurzinger gerade an diesem Abend die gewohnte
eingehende Besichtigung seiner Nase im Spiegel
unterließ. Er hätte sonst leicht feststelleu können,
daß diese Nase im Vergleiche zu ihrer nächsten
Nachbarschaft geradezu blaß erschien, und daß
an der großen Hand, deren Umrisse sich deutlich
von seiner linken Gesichtshälfte abhoben, der Zeige-
finger um zwei Glieder zu kurz war. . .
Am nächsten Abend schien der Schneider Wur-
zinger im „Hirschen" ganz und gar nicht zum
Reden aufgelegt zu sein. Er schwieg beharrlich
zu den kühnsten Behauptungen der Stammtisch-
strategcn und beteiligte sich auch nicht an der freu-
digen Erregung, die sich aller übrigen Anwesen-
den bemächtigte, als der Briefträger eine ganz er-
staunlich dünne, an Fräulein Kreszentia Tschiggfrei
adressierte Postkarte ins Haus brachte, die den
Aufdruck: „Fliegerpost Przempsl" trug und des
k. k. Landesfchlltzen Matthias Egghofers bestes
Wohlbefinden meldete.
Erst als der Klotzner Peter hereinkam und
sich mit stillvergnügtem Grinsen anschickte, seine
Abendmahlzeit einzunehmen, tat der Schneider
Wurzinger, nachdem er den Peter eine Weile
giftig genug aitgestarrt hatte, den Mund auf
und sagte:
„Wissen möcht ih lei, für was sich der Hir-
schenwirt so ein Hausknecht füttert! Der ist ja
decht lei für die Katz. Ja, sonst ist er g'wiß
überall derbe!, wo ein blauer Rauch aufgeht.
Wenn aber der nächstbeste Fallot im Höfl draußen
die Bretter vom Fischkalter wegstiehlt, und wenn
sich eine Biertelstund nach'm Betläuten schon aller-
hand Gsindl ums Haus umeinander treibt, das
ein' anständigen Menschen . . ." er schluckte ein
paarmal an einer bösen Erinnerung . . . „das
ein' anständigen Menschen nit in Ruh lassen
kann, zelm sieht's kein Hausknecht nit . . .
Jetzt, 'mir kann's recht sein: ih geh von morgen
ab so wie so wieder zum ,Bärenk Mir tut
der Weiße nit gut."
Der Klotzner Peter war mittlerweile mit
dem Essen fertig geworden und räumte nun
das Geschirr ab mit der ruhigen Unbefangen-
heit eines Taubstummen, von dem niemand
eine Antwort erwarten kann.
Draußen aber auf dem Gang blieb er
stehen, schüttelte sich, bis das Besteck auf dem
leeren Teller in seiner Hand einen regelrechten
Generalmarsch schlug, und sagte:
„Ha, de» schaug' an! ... Also dös ist
der anständige Mensch, den das Gsindl nit in
Ruh lassen kann. Mußt nit lachen! . . . Dem
hätt' ih aber jetzt eine saubre Goschen an-
g'hängt, wenn er mir nit lei zu lötz wär' .. ."
wahres Gcschichrchcn
Schreibt da neulich der Sohn eines Groß-
bauern, der zu Hause als eifriger Jäger be-
kannt ist, daß er in Frankreich neulich das
Glück hatte, zwei Hasen zu schießen.
Ganz entsetzt ringt die Mutter beim Lesen
dieser Zeilen die Hände:
„Iessas! Jeffas! Und hat net amal sei'
Iagdkart'n dabei!"
Lekeebrsoräonasnr bat Ruhe Paul Bürck
(17. Res.-Inf#-Regt.)
373