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Ungegessen, angetrunken, in Sterbehemden, wie
es ihnen angemessen war, stießen und trieben sie
die Juden durch die Stadt, vorbei an ihren bren-
nenden und ausgeplünderten Häusern, Und sie
begegneten vielen Scharen, gleich ihnen, in Sterbe-
hemden, aus den anderen Tempeln getrieben, an
den Toren der Stadt, Gegen zehntausend Juden,
Männer und Frauen und kleine Kinder, wurden
an diesem Bersöhnungslage aus der Stadt ver-
trieben.

Des Klagens und Weinens war auf viele
Meilen kein Ende, Unübersehbar wälzte sich stöh-
nend der Zug der Flüchtlinge in die Nacht her-
ein, Zur Weichsel zu, hatte man ihnen befohlen,
als man sie am Stadttor höhnend verließ, zur
Weichsel zu aufs linke Ufer, oder am besten in
den Fluß hinein. Ein Rabbiner aus einem an-
deren Tempel hatte sich, die gerettete Torarollc
im Arm, an die Spitze des Zuges gesetzt und
leitete so den neuen, den schlimmeren Auszug
der Kinder Israel.

Gespenstisch anzusehen, unsagbar grauenhaft
war dieser Zug der Juden in Totenhemden; gleich
als wandelten, auferstanden, wie sie begraben
schienen, leibhaftig alle Leiden dieses Volkes aus
Jahrtausenden. Gegen zehntausend lebendige Lei-
den wanderten so in die Nacht,

Eine irrgewordenc Stimme, jene, die im Tempel
der Gehängten einen Wall auftürmen wollte gegen
die Henker — eine irre Stimme allein wußte
den zehntausend wandernden Leiden der Juden
markerschütternden Klang zu geben. Sie schrie,
von Zeit zu Zeit, über alles Wimmern und Stöhnen
und Weinen hinweg, über viele Meilen hin in
die finstere Nacht — nicht wie aus Menschenkehle,
nicht wie zum Gebet: „Höre Israel, der Ewige
unser Gott, der Ewige ist einzig! . . .

Höre Israel!"

Höre Israel und alles Volk! Ausgezeichnet
habe ich diese Untaten, die in einer Novelle jetzt

Theo Waidenschlager

Strategische Betrachtung

Der kleine Fvitzl (heulend): „Zu was
Hab' i jetzt a feldgraue Uniform kriegt, wenn
mich der Vater doch erwischt mit'm Rohrstöckli"

zu erfinden ich für verabscheuenswert hielte, nach
den wahrheitsgetreuen Berichten nackter Tatsachen,
wie sie der deutsche Feldrabbiner bei der Hinden-
burg-Armee, Or. Arthur Levy, nach eigenen Un-
tersuchungen in der Presse veröffentlicht hat: habe
sie in dieser Form ausgezeichnet, auf daß wir alle
nie der russischen Schmach vergessen.

Liebe fugend!

Gefechtsmäßiges Schießen.

Der dicke, sehr dicke Erzellenzherr reitet an der
Schützenlinie entlang. „Einjähriger!" ruft Ex-
zellenz plötzlich, „Einjähriger, warum schießen Sie
nicht?"

Der Einjährige: „Ich sehe die Ziele nicht,
Exzellenz!"

„So so?" Die Exzellenz steigt vom Pferd
und rollt sich neben den Einjährigen ins Gras.
„Sagen Sie mal, Einjähriger — ich sehe die Ziele
aber tadellos!"

Worauf der Einjährige einen respektvollen Blick
auf den hochgetürmteu Vorgesetzten wirft und er-
klärt: „Exzellenz liegen aber auch wesentlich höher
als ich!"

Frau Landrichter in iLdorf pflegt bei paffender
Gelegenheit gern von ihrer „besten Jugendfreundin"
zu erzählen, die Malerin geworden war, daun
aber in Italien sich sehr gut verheiratete und
jetzt ihre Kunst „nur noch zu ihrem Vergnügen
ausübt".

Kürzlich nun kann ihr ein Bekannter, der von
einer Reise nach Berlin zurückkommt, auch erzählen,
daß er in der Ausstellung ein Bild von der Künst-
lerin gesehen habe. Er hat im Katalog genau
nachgeschaut.

Die Freundin ist natürlich sehr interessiert.

„Wie heißt cs denn?"

„Adam und Eva."

Line kleine nachdenkliche Pause.

Daun fragt die Frau Landrichter schüchtern:

„Ganz nackt....?"

Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „JUGEND" Bezug zu nehmen.

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[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Theo Waidenschlager: Strategische Betrachtung
 
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