„TurrLrr"
Turko ist nicht etwa ein aktiver französischer
Soldat, noch Reservist, noch Landwehrmann, ob-
wohl er so etwas Zusammengewürfeltes wie das
Heer der Verbündeten hat. Er ist ein Köter,
Mischung aus Jagdhund, Foxterrier und Spitz.
Sein Pelz zeigt auch nahe Verwandtschaft zu
einer Dogge, Er ist uns, vor cs Frühling wurde,
zugelaufen und hat es als selbstverständlich ge-
funden, sich in unserer Telephonstation einzu-
nisten. Cr war sehr artig, gab auf französische
Anrede beide Vorderpfoten, weckte mit Vorliebe
unseren ganzen Unterstand auf, wenn es ihm zu
lange dauerte, bis wir des Morgens uns den
Schlaf aus den Augen rieben, und er hinaus-
wollte in die lachende Morgensonne. Er halte
aber auch Tage, wo er sehr unartig war und
den Krieg gegen Deutschland in unserem Unter-
stände selbst weiterführte, indem er warme Socken
und Filzschuhe zu Verschanzungen in seiner Kiste
verarbeitete. Es ging ihm dann nicht anders
wie seinen Landsleuten. Er wurde aus seinem
Schützengraben herausgeholt, bekani eine tüchtige
Tracht Prügel und wunderte ins Gefangenenlager.
Das ist ein Kinderwagen, mit dem die Ge-
fechtspatrouillen Wasser in die vordersten Gräben
schaffen. Rach vierzehntägigem Wohnen in un-
serer Station wurde er zum Trupphund des
Fernsprech-Zuges b. E. D. erklärt und tat von
diesem Tag ab Dienst bei Leitungspatrouillen,
wogegen er auch Menage bei der Erbshaubitze
faßte. Wenige Tage später bekam er ein Schild-
chen mit seinem Namen und der Aufschrift: „Gott
strafe England!" — Er war oft dabei, wenn wir
in den Laufgräben die Gefcchtstelephondrähte un-
tersuchten und, was zerschossen war, ausbesserten.
Rur waren wir um ihn sehr besorgt, weil er nicht
im Graben blieb, sondern fidel oben herumturnte,
und pfiff ihm eine Kugel um die Ohren so stutzte
er, schaute hinüber, woher der Gruß, kam und
zeigte schmunzelnd durch Wedeln mit der Rute
„Rinder, reizt den Papa, daß er in kriege-
rische Stimmung kommt. Er will den Fall
von Przempsl besingen!"
an, daß der Franzos eine» Fehler geschossen hatte.
So trieb er's lange.
Dann gewöhnte er sich etwas Dummes an:
wo eine Granate einschlug, jagte er hin und bellte
das dampfende Erdloch an und wir sagten schon:
es dauert nicht mehr lange, dann bekommt er mal
Eins ab!
Er lernte auch mit der Zeit eine kleine Rolle
Kabel hinter sich herzuzerren und baute so manche
Leitung, wo kein Mann bei Tage hinüberkonnte.
Die französischen Truppen kannten ihn nun auch
schon, aber sie schossen nicht mehr auf ihn, da er
wohl für einen Sanitäter gehalten wurde.
Scherzweise sollte er schon zur Beförderung
oder zur Auszeichnung vorgeschlagen werden, da
kam das Ende seiner Tätigkeit.
Er machte eine Tagespatrouille zu dem feind-
lichen Graben hinüber, wir beobachteten ihn durch
die Blenden, wie er auf eines der Schützen-
schilde zulief und wedelte — also stand da hinter
dem Loch ein Schütze. Wir sagten noch „nicht
schießen!" aber es dauerte zu lange bis es überall
hinkam und schon fiel in kurzer, Entfernung ein
Schuß im deutschen Graben. Der Hund sprang
erschreckt beiseite. Man hörte an dem ruhigen
Tag einen lauten Schrei. Es mußte also einer
der Unseren drüben getroffen haben. Turko lief
weiter am feindlichen Graben entlang. Bei einem
Drahthindernis sahen wir noch, wie er schwanz-
wedelnd zu uns herüber blickte und das Beinchen
hob. Da krachte drüben ein Schuß. Der Hund
schlug einen Purzelbamn und heulte jämmerlich
auf. Erbittert dadurch gaben einige Leute bei
uns Feuer auf die nächsten feindlichen Schieß-
löcher und wir riefen den Hund. Er richtete sich
mit dem Kopf auf und schleppte sich langsam zu
uns herüber, die getroffenen Hinterhände nach-
schleifend und jämmerlich heulend. Es entstand
ein reges Hinüberschießen von unseren wackeren
Infanteristen, in der Hoffnung, dadurch den Feind
zu beschäftigen, damit sich das Tier zu uns her-
über retten könnte. Aber Turkos Kräfte gingen
zu Ende.
Er winselte zu uns herüber, aber wir konnten
ihn nicht holen. So blieb er liegen.
In der Nacht darauf gingen Patrouillen gegen
die Maas vor und brachten den Hund mit. Er
lebte noch, aber es war natürlich bloß ein letztes
Lebensflackern. Am Morgen war er tot. äetzt
heben wir uns sein Halsband auf Station auf.
Lurt Böttcher
(Fsrnsprechzug Benzino)
13ol et>vuigen Beät€lluny;oD bittet man auf die Münchner «JUGEND" Bezug zu uehiuell«
475
C
Turko ist nicht etwa ein aktiver französischer
Soldat, noch Reservist, noch Landwehrmann, ob-
wohl er so etwas Zusammengewürfeltes wie das
Heer der Verbündeten hat. Er ist ein Köter,
Mischung aus Jagdhund, Foxterrier und Spitz.
Sein Pelz zeigt auch nahe Verwandtschaft zu
einer Dogge, Er ist uns, vor cs Frühling wurde,
zugelaufen und hat es als selbstverständlich ge-
funden, sich in unserer Telephonstation einzu-
nisten. Cr war sehr artig, gab auf französische
Anrede beide Vorderpfoten, weckte mit Vorliebe
unseren ganzen Unterstand auf, wenn es ihm zu
lange dauerte, bis wir des Morgens uns den
Schlaf aus den Augen rieben, und er hinaus-
wollte in die lachende Morgensonne. Er halte
aber auch Tage, wo er sehr unartig war und
den Krieg gegen Deutschland in unserem Unter-
stände selbst weiterführte, indem er warme Socken
und Filzschuhe zu Verschanzungen in seiner Kiste
verarbeitete. Es ging ihm dann nicht anders
wie seinen Landsleuten. Er wurde aus seinem
Schützengraben herausgeholt, bekani eine tüchtige
Tracht Prügel und wunderte ins Gefangenenlager.
Das ist ein Kinderwagen, mit dem die Ge-
fechtspatrouillen Wasser in die vordersten Gräben
schaffen. Rach vierzehntägigem Wohnen in un-
serer Station wurde er zum Trupphund des
Fernsprech-Zuges b. E. D. erklärt und tat von
diesem Tag ab Dienst bei Leitungspatrouillen,
wogegen er auch Menage bei der Erbshaubitze
faßte. Wenige Tage später bekam er ein Schild-
chen mit seinem Namen und der Aufschrift: „Gott
strafe England!" — Er war oft dabei, wenn wir
in den Laufgräben die Gefcchtstelephondrähte un-
tersuchten und, was zerschossen war, ausbesserten.
Rur waren wir um ihn sehr besorgt, weil er nicht
im Graben blieb, sondern fidel oben herumturnte,
und pfiff ihm eine Kugel um die Ohren so stutzte
er, schaute hinüber, woher der Gruß, kam und
zeigte schmunzelnd durch Wedeln mit der Rute
„Rinder, reizt den Papa, daß er in kriege-
rische Stimmung kommt. Er will den Fall
von Przempsl besingen!"
an, daß der Franzos eine» Fehler geschossen hatte.
So trieb er's lange.
Dann gewöhnte er sich etwas Dummes an:
wo eine Granate einschlug, jagte er hin und bellte
das dampfende Erdloch an und wir sagten schon:
es dauert nicht mehr lange, dann bekommt er mal
Eins ab!
Er lernte auch mit der Zeit eine kleine Rolle
Kabel hinter sich herzuzerren und baute so manche
Leitung, wo kein Mann bei Tage hinüberkonnte.
Die französischen Truppen kannten ihn nun auch
schon, aber sie schossen nicht mehr auf ihn, da er
wohl für einen Sanitäter gehalten wurde.
Scherzweise sollte er schon zur Beförderung
oder zur Auszeichnung vorgeschlagen werden, da
kam das Ende seiner Tätigkeit.
Er machte eine Tagespatrouille zu dem feind-
lichen Graben hinüber, wir beobachteten ihn durch
die Blenden, wie er auf eines der Schützen-
schilde zulief und wedelte — also stand da hinter
dem Loch ein Schütze. Wir sagten noch „nicht
schießen!" aber es dauerte zu lange bis es überall
hinkam und schon fiel in kurzer, Entfernung ein
Schuß im deutschen Graben. Der Hund sprang
erschreckt beiseite. Man hörte an dem ruhigen
Tag einen lauten Schrei. Es mußte also einer
der Unseren drüben getroffen haben. Turko lief
weiter am feindlichen Graben entlang. Bei einem
Drahthindernis sahen wir noch, wie er schwanz-
wedelnd zu uns herüber blickte und das Beinchen
hob. Da krachte drüben ein Schuß. Der Hund
schlug einen Purzelbamn und heulte jämmerlich
auf. Erbittert dadurch gaben einige Leute bei
uns Feuer auf die nächsten feindlichen Schieß-
löcher und wir riefen den Hund. Er richtete sich
mit dem Kopf auf und schleppte sich langsam zu
uns herüber, die getroffenen Hinterhände nach-
schleifend und jämmerlich heulend. Es entstand
ein reges Hinüberschießen von unseren wackeren
Infanteristen, in der Hoffnung, dadurch den Feind
zu beschäftigen, damit sich das Tier zu uns her-
über retten könnte. Aber Turkos Kräfte gingen
zu Ende.
Er winselte zu uns herüber, aber wir konnten
ihn nicht holen. So blieb er liegen.
In der Nacht darauf gingen Patrouillen gegen
die Maas vor und brachten den Hund mit. Er
lebte noch, aber es war natürlich bloß ein letztes
Lebensflackern. Am Morgen war er tot. äetzt
heben wir uns sein Halsband auf Station auf.
Lurt Böttcher
(Fsrnsprechzug Benzino)
13ol et>vuigen Beät€lluny;oD bittet man auf die Münchner «JUGEND" Bezug zu uehiuell«
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