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6nlbnlcngcftd)l nicht ab, zwischen allen Fragen und Antworten immer wieder auf
das schöne, junge Weib zu sehen. Sie war ihm ein Wirklichkeit gewordener
Traum, das eniporgezauberte Glück seiner Vergangenheit. Aber Vergangenheit.
Das stand wie Frau Sorge zwischen zwei sehnsüchtigen Menschenkindern. Und
Kurt trachtete nur danach, daß Agnes nicht davor erschrecken sollte. Sie sollte ver-
stehen, wie er wieder zu ihr kam, und was sein Urlaub für sic bedeutete. Er
mußte wieder zurück in Schrecken und Tod, ins große Ungewisse — da brauchte er
ihr Verständnis.

Allmählich kam ein seltsames Ruhigwerden, ein Reifcir und Eindringen über
Agnes. Fort war das eitle Glanzbild der Nachtfahrt — sie genoß die Stunden
des Beisammenseins anders, als sic gedacht hatte. Doch trübe sah der Vater dem
jungen Paar zu. Waren sie nicht zwei alte Menschen geworden, die sich zu besprechen
hatten auf der Schwelle ihres Schicksals? Konnte noch die eine Nacht, die ihnen
geschenkt wurde, mit ihrer ganzen Seligkeit über sie kommen? Und doch — Kurt
sah, wie schön Agnes war. Aber er sah es mit anderen Augen. Er hatte draußen
im Feld eine Schönheit gesehen, der er diese unterordncte. Mit gesenkten: Kopf
ging der Gehcimrat hinter den Wiedervereinten. Plötzlich fiel sein Blick auf die
Zofe Wallp. Er fühlte dieselbe Enttäuschung bei ihr, aber zornig beschloß er jetzt,
die Schwiegertochter um Entlassung dieses Dienstboten zu bitten. —

Bis zum Abend niußte Kurt sich seiner Frau noch einmal entziehen. Er hatte
Aufträge des Oberkommandos in Verviers auszuführen. Der Einkauf von Futter-
vorräten war ihni wichtiger als alles. Dann kam ein schweigsames Abendessen
in, Hotel, und in peinlicher Unruhe, deren Lächerlichkeit er fürchtete, ließ der Alte
die Fugend allein. Er blieb in seinen: Zimmer noch lange wach. Fiebernd stand
er an: Fenster, Agnes' Bild vor Augen, wie er sie in Düsseldorf empfangen.
Zitternd lauschte er auf einen Brunnen, der durch die Nachtstille floß. Ganz nahe
war ihm nun das „Glück". O, Du unbegreiflich grausamer, weltenverwandelnder
Krieg . . .

An: nächsten Morgen traf der Geheimrat das junge Paar am Frühstückstisch.
Er sah nnt den: ersten Blick ein wunderbares, tief befestigtes Glück. Wärme kehrte
in sein Herz zurück. Aber in dauernder Veränderung sah er nun Beide. Uber
Nacht hatte sich die Agnes aus Wannsee an den heldischen Kriegsmann ge-
schmiegt, wie die Agnes aus Rathenow einst an den abtrünnigen Leutnant. Jetzt
hatten sie erst ihre Ehe. Kurt nmßte seiner jungen Frau in dieser Nacht viel er-
zählt haben. Sie wußte jetzt, was der Krieg war und letzte, hoffende Menschennot.
Also begreifeird, in: Fauchzen dieses Schmerzes, war sie zun: zweitenmal seine Frau
geworden. Still nickte der Vater vor sich hin, nachdem er die Kinder lange be-
trachtet hatte. Sie bemerkten es, aber sie fragten ihn nicht nach dem Grunde. —

Als Kurt von seinen Kameraden abgeholt wurde und plötzlich verschwunden
war, wandte sich Agnes aufrecht zu ihrem Schwiegervater. Der aber zitterte, und sie
niußte ihn stützen. Dann führte sie den alten Mann zum Bahnhof und sagte: „Kurt
nimmt mich mit, Papa. Wir haben uns nicht getrennt. Wir wissen jetzt, daß wir
immer zusammenbleiben." — „Agnes! Wenn er nur noch einmal kommt!" stöhnte
der Vater, plötzlich fassungslos. „Auch so! Auch so!" Er sah dabei auf einen
jungen Offizier, der sich an Krücken vorllberschleppte. Agnes' Blick ruhte auf dem
Verstünnneltcn. Sie nickte: „Fa. . . Dann Hab' ich ihn wieder . . . Auch so."

6ewitter im Frühling

Die 5onne sinkt blutrot zwilchen drohenden gewittern,
horch, wie von lernen Donnern lchon die dumplen Lülte zittern.

JTiles duckt lieh; Uogel und Tier flieht in leine Uerstecke;

Menschen eilen den Dörfern zu, daß lie ein Dach lchützend bedecke.

8taub wirbelt aul hinter Wagen und Pferden im Winde.

Rber noch dreht lieh der Tanz, noch lockt Musik unter die hohe Linde.

Mädchen lchauen lchon schüchtern auf nach den drohenden Wettern,

Die schwer und dunkel in den dämmernden Himmel klettern

Und nun, eh' lich'r die letzten Wand'rer im Seid versehen,

Ueber das Land brausen und Raub und Laubwolken vor sich her wehen.

Dögel werden' von irren Windltöhen zu Loden gerissen.

Cücher flattern aus Senltern; in allen Hecken hat lich der Sturm festgebillen.

Abgerissene Blüten von Mrlchbäumen und Llätter von den SIlleen
Steigen hoch im Wind, bis die Waller brausend darüber niedergehen.

6:isse laulen über das sturmschwankende gelände.

Llihe stehen am Himmel auf wie Sackein und Seuerbrände.

Sieh, lchon flammt ein Haus, und in dem rasenden Toben

Uon Donner, LIitz und Sturm schwimmt ein glockenwimmern flehend oben.

Zwischen grauen und Lntzücken schwebend gehalten,

Seh id) des Srühllngs feurigste Llume über den Dächern sid) glühend entfallen.

Will Uesptr

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