Kameraden
Richard Strebei (München)
Treues Licht
Ich weiß, einst wird ste vor mir stehn
Des letzten Tages letzte Stunde;
Vor ihrem Blick wird mir vergehn
Der Hauch am frosterstarrten Wunde.
Dann muß der Lippen warmes Blut
Wie Schnee im Mondeniicht sich färben
And meines Auges Sehnfuchtsgiut,
Ein Stern im Morgengrauen, sterben,
And diefer Waffen Lampfgefchmeid,
Das meine Hände noch umschließen,
Rasch über Zeit und Ewigkeit
In goldnen Schielern still zerfließen.-
Doch eh die tiefsten Schatten sich
Auf meines Herzens Träume senken,
Wird es gefchehn, daß ste an dich
And deine lieben Angen denken.
And steh, ein Licht, zärtlich entfacht
Aus schöner Zeiten Sonnenwellen,
Wird lächelnd durch das Tor der Nacht
Wir meinen ewigen Weg erhellen.
Tranz Cangbcinricb
Manövergeschichcchen
Dritter Tag des Manövers. Nach beendig-
ter Gefechtsübung in der Brigade hält der kom-
mandierende General Kritik ab. Zum Schluß
sagt er:
„Noch eins, meine Herren! Ich habe mir
heute morgen die Bagage angesehen und zu
meinem Unwillen feststellen müssen, daß wieder
manche der Herren trotz des ausdrüchlichen Korps-
befehles mehr Gepäck mit sich führen, als nach
den Vorschriften zulässig ist. Insbesondere ist
mir, Herr Hauptmann von X., bei Ihrer Kom-
pagnie eine überlebensgroße Kiste ausgefallen, die,
wie ich hörte, Ihre Weinkiste ist. Mir ist ja
nicht unbekannt, daß Sie einen guten und reich-
lichen Tropfen nicht verachten, ich nehme Ihnen
das auch nicht übel. Aber ein umsichtiger Kom-
pagnie-Chef hätte trotzdem diese auffallend große
Kiste vermieden, er hätte einfach den Wein in
drei Kisten verpackt, eine auf die Bagage geladen
und je eine nach M. und N. vorausgeschickt,
wohin die Brigade ja ani 5. und 10. Tage des
Manövers in Quartier kommen wird. Meinen
Sie nicht auch, Herr Hauptmann von X.?“
Hauptmann von X. legt langsam die Hand an
den Helm und erwidert mit unbeweglicher Miene:
„Solches ist bereits geschehen, Euer Exzellenz!"
Ein Tausch
Diese ganz wundersame Begebenheit hat sich
vor wenigen Wochen in einem Warschauer Kaffee-
haus am Zamkowy-Platz abgespielt: Kommt da
der Seifenfabrikant Pureff von Praga drüben in
seineni alten schäbigen Mantel, mit der grauen,
abgerissenen Persianermütze ins Lokal und setzt
sich an seinen gewohnten Platz — wie er auf-
steh'n will, sind Mantel und Mütze verschwunden!
Spurlos verschwunden! — Welcher Erzlump mag
sich an dem alten schäbigen Mantel, an der ab-
gerissenen Persianermütze vergriffen haben!
Na, da hilft kein Schimpfen und kein Skan-
dalieren. Der Wirt erklärt, er sei nicht verant-
lich für Garderobe, die unbeaufsichtigt am Riegel
hängt; und der Seifenfabrikant Pureff muß sich
zähneknirschend und knurrend dareinfinden, zu
warten, bis die Polizei den letzten Gast verjagt
hat, um zu sehen, was dann am Garderoben-
ständer für ihn übrig bleibt.
lind siehe: da hängt eine verwaiste Offi-
ziersmütze und darunter ein funkelnagelneuer
Waffenrock!
Ludwig Engel
511