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Erich Wilke (München)

Italien ist ungehalten, daß Montenegro den albanischen Besitz antritt, obwohl der montenegrinische Ges
sicherungen abgegeben. Wie wir hören, hat sich deshalb folgender Briefwechsel zwischen Msch und Rom entspannen:

I, <r>-:— • - -

omenegrmische Gesandte wiederholt gegenteilige


Lieber Schwiegervater!

Mit Erstaunen höre ich. daß Du Alessio
und Skutari besetzest, auf das wir Italiener
schon lange spekulieren, und daß Du es uns
gleichsam vor der Nase wegschnappst, obwohl
Montenegro und Italien im tiefsten Frieden
mit einander, sozusagen im intimstenBundes-
verhältnis leben! Das kränkt mich schwer!
Ich habe für solche Treulosigkeit weder ein Ver-
ständnis — denn Dubist dochnichtIlalien!
—, noch eine Entschuldigung — denn wir sind
doch nicht Österreich! — und bin um so ent-
rüsteter darüber, als Du ja kurz zuvor dein
Wort verpfändet hast, nichts von der Beute
zu nehmen, ehe wir nicht alle zur Teilung bei-
sammen sind. Du weißt, wie heilig mir b
schworne Eide und alte Verträge sind
und durftest selbst als Schwiegervater die Ver-
wandtschaft mit niir nicht durch einen solchen

Bruch Deines Königswortes dokumentieren. Gib
schleunigst die annektierten Stücke wieder heraus
und sei überzeugt, daß wir am Schlüsse redlich
mit Dir teilen werden, wenn alles gut geht.

Mit herzlichem Gruß

Dein

Vittorio Emanuele.

II.

Lieber Schwiegersohn!

Ereifre Dich nicht über Skutari und Alessio!
Hast Du nicht vorher Valona gestohlen als ob's
ein Hammel wäre? Habe ich mich darüber em-
pört? Im Gegenteil! Ich freute mich, daß Du
so schöne verwandtschaftliäie Züge zeigtest. Wir
sind eine Familie, gleiche Bande um-
schlingen uns! Deshalb ist mein Wahlspruch:

was der Mensch hat, das hat er. Dein Al-
banien sei mein Albanien, Dein Eid
sei mein Eid! Ich will all meine Kinder
glücklich sehn; bedenke, daß auch Peter mein
Schwiegersohn ist und lass' ihn ruhig mitstehlen.
Was bleibt uns Kleineit sonst übrig, während die
Großen raufen? Denit, unter uns gesagt, für
redliche Teilung gebe ich nichts. Ich bin
viel zu lang Herrscher von Montenegro, un: auf
sowas hereinzufallen.

Übrigens, lieber Schwiegersohn, wer weiß, ob
Du nicht eines Tages froh bist, daß wenigstens
Dein alter Schwiegervater sein Scl)äfchen im
Trockenen hat! Wenn nämlich nicht „alles
gut geht" ....

Mit herzlichen: Gruß

Dein

N i k i t a.

A. I». X.

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Erich Wilke: Illustration zum Text "Familienbande"
A. D. N.: Familienbande
 
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