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Karl Arnold (Gefreiter in der Kaitenfelddruckereil

CBrinnerwng

„Dos g’fmtt mt hem 110, daß i «mol mit meine ZWO« Zentner «n Engländer auf d' Henneraug'n tret'n bin!"

spred>en lustig in seinen Zukunftsplänen umher.
Mitten in diese sein vergnügliche Betrad)tung
hinein fiel die grobe Stimme des Nachbars plump
in das spinnfeine Gewebe und riß es mitten durch.

„No Peter," rief ihn freundlich der Nachbar
an, der sehr zum Verdruß seiner feiner gewöhnten
Nase neben ihm seinen Frühlingsmist umlegte,
„no, willst wohl grad die Schwalben vom Himmel
vfeifen, daß sie dir gebraten ins Maul fliegen?"

Dem Peter ging der Pfiff aus zwisdien den
Lippen, denn er fühlte wohl die nachbarlidie Bos-
heit in den Worten,

„Nee, darauf brauch id) nicht zu warten, die
Lisi setzt mir schon was besseres auf den Tisch,"
sagte er mit spitzen Lippen, drehte dem Alten den
Rücken und ging ins Haus,

„Io," ladjte der spitzbübisch hinter ihm drein,
„die Lisi, die hast ja noch net — und was der
zukünftige Sd)wieger ist, der wird dir noch genug
Essig in dein' Teller schütten,"

Drin stolzierte der Peter erst nod> einige Zeit
zwisdien seiner Werkstatt und dem Wohnzimmer
einher. Seine Gedanken flitzten wie die Sdiwalben
am Frühlingshimmel i» seinem Hirn herum. Wie
er's nun ansing, die Lisi, die einzige Tochter des
reichen Dorfwirtesj recht bald in sein noch weib-
und herdloses Heim zu bringen. — Die Lisi zwar,
die war ihm gut, seine städtischen Allüren, die er
sid) auf seiner weiten Wanderschaft angeeignet,
imponierten ihr mächtig, und da er cs audi an
uferlosen Prahlereien nicht fehlen ließ, fühlte sie
sid) unendlich geehrt und ausgezeichnet durch die
Werbutrg des krummnasigen und dürren Peters
und legte sidi all die spitzen und herben Bemer-
kungen der übrigen Dorsschönen als bitter» Neid
und bare Mißgunst aus, wie sie cs ja auch in
der Tat waren ) denn jede der andern hätte sid)
gern von dem Peter umwerbe» lassen, der unter
der Dorflinde und im Wirtshaus immer das große
Wort führte und mit seinem modischen Stadtrodr
und der vornehmen Aussprad>e, die er von draußen

mitgebracht, all die derben rotfäustigen Dorfbur-
schen in ihren schweren Joppen und polternden
Stiefel weit in den Schatten stellte. — Aber der
schlaue Dorfwirt ließ sid) nid)t so leid)t auf den
Leim Indien wie die verliebte Lisi, Er rechnete
den, Peter genau nad>, was er hatte und nod) ge-
nauer das, was er nid>t hatte, wenn er auch ein
Auge zudrüdite, wenn die Lisi dem Werber das
Mittagessen zit reid)lich und zu billig gab und
manches Glas Bier kostenlos die dürre Kehle des
Peters hinunter gluckste — man konnte ja nid)t
wissen — vielleicht gelang es dem Patron dod),
sid) hier fest in Arbeit und Verdienst zu setzen —
und bis dahin schüttete er ihm inand) scharfen
Essigguß in seine hoffnungsmilde Seele.

Das kümmerte den Peter indes »idjt allzu sehr.

Er hatte einen hod)gemuten Geist und kein
zudringliches Gewisicti, Und so war es ihm »od>
immer gelungen, aus allen Fährnissen und Ver-
wicklungen seines Lebens wieder flott auf glatte
Bahn zu gelangen. Dazu fühlte er sid) eine

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Karl Arnold: Erinnerung
 
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