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„Fort mit dir, du Ungetüm," schrie er nun
in jähem Umschlag seines Gemütszustandes.
„Was stehst du da Und gaffst micl, so feierlich
an? Bin tioch heil und ganz, kannst lange
warten, ehe du über mich kommst: und ihr
braucht auch nicht so eklig zu lachen, ihr gold-
gelockten Posaunenzwillinge — mir schmeckt das
Dasein noch recht famos."

Damit griff er den schwarzen Kasten auf und
lachte laut und spitzbübisch darüber, wie federleicht
diese protzig und schwerwirkende Pracht war. Er
schloß sie in den Holzstall, wo schon die heim-
liche Wiege stand und sperrte dann die Werk-
statt zu und trat vor die Tür hinaus.

Draußen war Feierabendstille. Die Leute
saßen daheim bei ihren vollen Tellern oder ließen
sich im Wirtshaus von der lachenden Lisl einen
kühlen Trunk kredenzen.

Wo sollte er hin? — Bolle Teller daheim
hatte er nicht und im Wirtshaus hatte er in
letzter Zeit so deutliche Zeichen unüberwindlicher
Abneigung von Seiten der Lisl erfahren, seit ein
reicher Werber auf dem Plan erschien, daß selbst
sein kugelsicheres Fell und gutgegerbtes Selbst-
bewußtsein nicht mehr Stand halten koniite.

Zin Grunde focht ihn das aber nicht allzusehr
Db das nun die Lisl oder die Resl war,
das blieb ihm ziemlich gleich. Zudem war die
ckesl auch bei weitem bequemer, da sie keinerlei
«'pp- um sich hatte, die ihm neugierig in Haus
und Beutel guckte.

. Da war nur ein Haken. Die Resl, welche
>m Rachbardorf als Kuhmagd diente, hatte wohl
ei» paar schöne Batzen zur Mitgift, aber bei
weitem reichte das nicht an das heran, was die
Lisl ihm zugebracht hätte.

„Kann man nicht alles haben, nimmt man
doch etwas," dachte der Peter. Denn fein leeres
*oano, die kalte Küche und sein knurrender Magen
stritten sehr laut und deutlich mit seinem kecke»

A. Schmidliammer

Notlage

„Ltirgends find't ma was zum Ei'seifna."
— „Dös braucht halt der Vierverband alls-
zainm für dö Neutral'»."

Hochmut und seiner unzerstörbaren Selbstge-
fälligkeit.

So legte er denn das schmutzige Schurzfell
ab, wusch und bürstete sich und machte sich so

lieblich als sein mageres Körperlein und die große
krumme Rase es zuließen und schwenkte lustig
lind frohgemut vom Wege rechts, der zur Lisl
führte, nach links hin, wo ihm die Resl lockend
und verheißend vor Augen schwebte.

Und da auch die Resl von Mutter Natur
nicht allzu verschwenderisch nnsgestattct war, ja
bei näherer Besichtigung mancher Druckfehler an
ihrer Schönheit zu bemerken war, da sie ferner
nur durch ihre nicht mehr allzu große Zugend
frei über ihr Hab und Gut verfügen konnte, war
der Eindruck, den Peter, der erste und einzige
Freier, auf ihr sehnsuchtsvolles Herz machte, so
überwältigend, daß es nicht lange dauerte, bis
sich die beide» mit heiligen Schwüren lebenslange
Liebe und Treue versprachen.

Wie das aber nun so zu gehen pflegt, die
Treue kann man sich versprechen, man kan» sie
auch halten. Aber die Liebe versprechen, ist eine
gar gefährliche Sache — ist ein gar zartes Ding,
die Liebe und fliegt eines Tages zum Fenster
hinaus wie ein Kanarienvogel, dessen Käfig man
zu schließen vergaß und der dann draußen elen-
diglich umkommt, aber nie mehr wiederkehrt. —

So war es denn zwischen dem Peter und der
Resl erst ein arg zärtlich Gefchnäbel teils aus
Freude ant neuen Zustand und dann aus Freude
an dem Zuschauen und der Mißgunst der andern.
— Aber als der Peter im Großmogulgefühl, Be-
sitzer einiger tausend Mark zu sein, so lange in
seinen Taschen mit ihnen klimperte, bis sie es
nicht mehr bei ihm aushielten und nach allen
Seiten davon rollten, wurde die gutmütige Resl
doch ein wenig bockig und widerborstig und da
der Peter sich das nicht gefallen lassen zu brauchen
glaubte, gab's gar bald manch böses Hin und
Wider zwischen ihnen.

Und als ein Taler nach deni andern von ihrem
hart zusammen gehaltenen Eigentum so leicht-
sinnig davon flog, wurde die Resl mit der Zeit

(Fortsetzung und Schluß auf Seite 556)

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Arpad Schmidhammer: Notlage
 
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