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Rheinische Gräber

Dort liegen sie, den Rücken auf der Erde,
Und über ihnen Erde noch fünf Schuh':
Und Immergrün behütet ihre Ruh',

Und Röslein decken Stein und Namen zn,
Tief drunten zieht des Stromes Silberfährte!
Und um die Gräber flutet ringsumher
Von grünen Reben ein weitwogend Meer:
Vom Flachland nimmt es seinen frohen Lauf
Und brandet an dem blauen Berg hinauf.

. . Da schlaft Ihr wohl, weinfrohe Bäuerlein,
So soll's im Tode, wie im Leben fein:
Was Ihr geliebt, das ist um Euch,

der Wein!

Und wenn im Heumond laut die Reben

blühen,

Wenn um Johannis hell die Feuer glühen,
Dann ihre Seelen aus den Gräbern ziehen:
Und schnuppern schmunzelnd in die

schwere Luft

Und saugen ein den süßen Blütenduft
Und nicken stumm und lächeln in sich fein:
„Riecht nur, trinkt nur, das wird ein

Herrgottswcin!"

Und sitzen nachts bis zn der ersten Stund'
Rach altem Brauch in redcfrohcr Rund'
Und raunen dann vom Jahre vier und neun:
Das war ein Wein,

Das war ein Wein!

Und leise zittern ihre dürren Lippen,

Als wollten sie an Glases Rande nippen.

Und wenn im Herbst die lauten Schüsse krachen,
Des Jahres frohe Ernte fließt ins Haus.
Wenn trunkene Burschen jubeln,

Mädchen lachen,
Dann halten sie's im Grabe nicht mehr aus:
Da laufen sie, sie rennen fast wie toll,

Und suchen Kelter sich und Bütt' und Faß
Und schlürfen schmatzend ein das edle Naß
Und schlürfen, schlampen ihre Seelen voll!
Und wo es brodelnd kocht am Spundenloch,
Holt Jeder rasch sich eine Ras' voll noch
. . . Dann torkeln sie nach Haus beim

Mondenschein:

Das ist ein Wein,

Das ist ein Wein!

Und nicken dann beseligt wieder ein,

Den Rücken auf der sonnenwarmen Erde:
Und Immergrün behütet ihre Ruh',

Und Röslein decken Stein und Namen zu,
Tief drunten zieht des Stromes Silberfährte.
Schlaft wohl, Ihr rcbcnfrohen Bäuerlein!

Friy Eckerle

C. Kunst t

Die Bienen

Auf meinem Tisch am Fenster steht
In bunter Glut der Wiesenstrauß,

Den du mir heut gebunden hast.

Sein Duft erfüllt das Zimmer.

Ehen kam ein Bienchen,

Glitt durchs Fenster,

Das offen steht

Und fiel in die Blumen

Taumelnd hinein.

Brummt drin herum.

Glückselig, scheint's.

Und ist schon fortgeflogen!

Nicht lange, so kamen zwei andere, eben
Sind es schon sechs.

Und immer mehr.

Kleine, runde, braune Gesellen.

Ein ganzer Bienenstock

Wählt sich den Strauß zur Honigweide,

Fliegt ab und zu.

Ein fleißig Volk,

Zerwühlt mir die Blumen. Ich aber lasse
Gern sie gewähren; sie sind mir ein

Gleichnis

Deiner Gedanken, die um mich fliegen,
Honig aus meinem Herzen holen:

Von ihrem Singen tönt das Gemach.

WILL VESPER

Auf eine Stunde

Auf eine kurze Stunde nach dem Tag,
Und eh es Nacht wird, laß mich

bei dir sein.

Dann holt ein Boot uns ohne

Ruderschlag

Vom Strand der Sorgen über den

Abendschein.

Zu jenem Land, wo alle Farben klingen.
Wo in der Luft ein seliges Lachen

schweigt.

Wo alle Wünsche mit geschloss'nen

Schwingen

Im Haine träumen, der von Frucht

sich neigt.

Das ist die Insel unsres Glücks!

Sie breitet

Hoch über dunkle Tiefen kurze Pracht,
^Vie brennend eine Abendwolke gleitet
Und ihre Gluten schüttet in die Nacht.

CARL HAGEN-THÜRNAU

74G
Register
Carl Hagen-Thürnau: Auf eine Stunde
Will Vesper: Die Bienen
Fritz Eckerle: Rheinische Gräber
Karl Kunst: Ornamentzeichnung
 
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