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Flieger

Ich weiß nicht, was ihr fühlt, — ihr da oben,

Wenn ihr — die Scheitel zur Sonne erhoben —

Hinschwimmt auf Wellen, die wir nicht sehn,

Die auf und nieder über die Erde gehn,

Wie Gottesgedanken ....

Ich weiß nicht, was ihr fühlt,

Da euch das Unbekannte, Uferlose umspült —

Denn eure Augen sind oft so fragend und groß,

Wie Augen Neugeborner, die kaum entronnen den: schützenden Schoß,

Zum erstenmal sich bewegen, vom Mutterbande getrennt,

Und atmen zum ersten Male das frenide Element.

Als ihr Kinder noch wart, die mit ungefügem Gelall
Entgegen staunen dem Licht und der Luft und dem endlosen All,

Die Füße heben vom Boden empor und die Fäustchen bewegen,

Schwangen vielleicht euch Multerarme dem Himmel entgegen,

Huschten euch hoch und warfen den Wolken euch hin

Und den zwitschernden Schwalben nach, die wippen um Dach und Kamin.

Damals zum ersten Male vielleicht ergriff euch Der,

Der ausgießt über Alles sein unendliches Athermeer,

Das Meer, darinnen die Monde und Sonnen und Sternenweltenreiche
Wie Fischlein wimmeln, unzählig, und doch nur Tropfen im Teiche.

Sein Lichtstrahl brütet sie aus, sie kommen unwissend von wannen,

Und sind, und spielen, und tummeln sich, und schwinden von dannen
Unwissend wohin .... Mag sein, daß ihr Leben sie Iahrmillionen dünkt,
Ihn aber nur eines Lidschlags Spur, den die eisgraue Wimper gewinkt.
Damals — als ihr wirbeltet so — einen Augenblick — in der Luft,

Wie Rosenblättchen, wie eines Rosenblättchens Duft,

Damals schon wart ihr vielleicht geweiht dem neuen Gebot
Und unsichtbaren Gelenkes drückte der blaue Tod
In eure kleinen Herzen die Siegelmarke „Meinl",

Und schrieb eure Namen ins Buch der im Wind verwehenden ein!

Ich weiß nicht, was ihr fühlt, wenn ihr fesselbefreit
Gespielen der kreisenden Adler und reisenden Wolken seid —

Wohl aber weiß ich, was Die fühlten, die euch gebaren,

Als ihre Hände euch wiesen den wandernden Wolken und Aaren:

Die Sehnsucht fühlten sie selbst in ihrer weiblichen Brust,

Der alten Bogelschwingenträume Leiden und Lust,

Zum unermeßlichen, säulenlos ragenden Sternendom
Aufjauchzte in ihnen das tausendjährige Meuschheitsphantom:

Sich wiegen zu können in jenen Unendlichkeiten
Wie Segel im Strom-!

Run sind ihre Träume geworden zur Tat, und ihr Armeausbreiten
Zum Schwingenausbreiten in den gewonnenen Weiten
Und über den Erdenball trägt auf und nieder nun auch
Beflügelte Menschengedanken der Gottesgedankenhauch.

Ich weiß nicht was ihr fühlt, denn eure Lippen sind stumm,

Verhüllt ist euer Gesicht in der Ledermützen Gemumm,

Und vorwärts schaut ihr nur, nicht rechts und nicht links,

In eherneu Stühlen sitzend mit steinernen Stirnen wie junge Brüder der Sphinx...
Ward euch das Rätsel des Lebens da oben von Schicksalshänden entsiegelt?
Seid ihr die Augen der Erde geworden, in denen ihr Sein und

Vergehen sich widerspiegelt?

Habt ihr in den Lüften getanzt, wie unten die Tochter Herodes',

Um euer eigenes Haupt den
Tanz vor dem Throne des
Todes?

Iäi seh euch kühl und ruhig, die
Faust am Steuer, den Nacken
leicht vorgebeugt,

Mit klaren Blicken messen die
Bahn, wie ein Geier, der
Beute eräugt,

Oder einer der Imperatoren
Roms, der Beute bringt
Und sich im Siegeswagen dem
Volke zeigt, von Rufen

umringt. . .

Da springt der Motor an!

Die beiden Propellerpferde

Ziehn, Imperator der Luft, dich fort von der haftenden Erde —

Du steigst empor, vom Jubel der niedrigen Tausend umdröhnt —

Du steigst empor, von der Sonne mit Diademen gekrönt —

Du steigst empor, als reichten die Götter, die großen olympischen hoh'n,
Unsichtbar helfende Hände hernieder dem Sohn —

Und während du immer steigst an deine rastlosen Rosse geschirrt,

Entsinkt der Menschen Gewühl, der Menschen Geräusch entschwirrt,

Die Lerchen bleiben zurück, die Adler werden klein,

Die Wolken lassen dich los. Du bist nun ganz allein!

Nur du und Gott schweben über allen Dingen!

Nur deine Schwingen und die Gestirne singen!

Ich weiß nicht was ihr fühlt, — ich weiß nur dies:

Seit uns Iehovah dereinst vom Paradiese verstieß

Und mit den Flammenfittigen seiner Cherubim

Versperren vor uns die Tore seiner Himmelsgärten ließ, —

War aufgeschlagen das Schuldbuch zwischen uns und ihm!

Entglommen ist nun der Tag, da wir selbst Fittige tragen
Und an die Tür seiner eigenen einsamen Eisparadiese schlagen
Und stärker als seine Engel sind!

Ihr! Fühlt ihr 's, wenn ihr da oben euch wiegt vor seinem Angesicht,

Und über der Stahldrahtspangen und Kupferrippen Gewind
Herunterrinnt sein Licht?

Denn immer, wenn ihr zurückkehrt von den fernen Gestaden der Welt,
Auffunkelnd am Firmament — erst wie ein Stern, der fällt —

Dann einem Vogel gleich, der heimwärts rudert zu seinem Nest,

Sich ausgespannten Gefieders langsam sinken läßt
Und endlich, zierlich trippelnd, am Boden hält, —

Erkenn' ich verwundert, wie verwandelt ihr seid.

Noch starren euch Wimper und Bart, vom Hauch der Höhen beschneit,

Doch eure Wangen und Augen leuchten wie Ctzristbaumlichter,

Und ihr habt seltsam fremde staunende Glücksgesichter,

Als kämt ihr von anderen Sternen
Und müßtet verstehen lernen
Erst wieder diese Welt.

Ich weiß nicht was ihr fühlt! Doch mir in pochender Brust
Wird tief des wunderbaren Geschehens Deutung bewußt:

Ich fühle, daß ihr — weit, weit über Raum und Zeit —

Nicht flllgelgetragene Träger nur neuer Ideen seid.

Nein, eurer Hundertpferde-Motoren bläulicher Dampf
Ist Atem alter Giganten Der gleiche urewige Kampf,

Den Sanatas und Prometheus stritt und Adam und Kain
Und Ikarus, und Alle, denen beschieden,

Von einer irdischen Mutter geboren zu sein —

Der unerbittliche Kampf der Götter und Titaniden,

Ein Kampf ohne Ende und ohne Gnade und Frieden

Wie zwischen Pol und Pol!-- —

Ihr aber seid nicht seine Erben allein,

Ihr seid sein Symbol!

Symbol der unsteten Erde selber, die aufwärts fliegt —

Symbol des ruhlosen Geistes, dem kein Gedanke genügt —

Symbol des Welt-Dürstens nach allen Quellen des Lichts —

Symbol des Lebens, das immer von neuem entsteigt dem Nichts!

Fliegt, fliegt nur! Fliegt,
gegeißelt von diesem

Rebellenmut!
Mag eure Schläfen umrau-
schen Ruhm oder Blut!
Euch kann kein Tod ver-
nichten, denn ihr siegt über
den Tod,

Ihr folgt einem stärkern

heiligere» Gebot:
Die Menschheit drückte
in eure Herzen das

Siegel „Mein!"
Und schrieb eure Namen ins
Buch der Unver-
gänglichen ein!
H. De Hora

Unterseeboot nach dem Tauchen Richard Fiedler (Bootsmannsmaat)

86k
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Richard Fiedler: Unterseeboot nach dem Tauchen
A. De Nora: Flieger
 
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