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Ortschaft

Von Melchior v. Riß*)

(Deutsch von Johann Anka)

Heut schaukelt der Lenzwind Hallelujatöne
Auf grünenden Zweigen- und Blumenduft.

Vom Dörflein das Silberglockengeläute
Bringt wehmutsvoll fernher zu mir die Luft. . .

Gelangt wohl daheim in die kleinen Hände

Das Osterei? . . . Grünt auf der lenzjungen Flur

Die Saat? . . . Und ein herzheißer Liebesseufzer

Vom Weib, meinem treuen, find't es meine Spur? . . .

Ob schon auf dem Fohlen das Saumzeug glitzert? . . .

Wer heuer die ranke Rebe wohl band? . . .

Und flögt auch mein Ältester jetzt die Mutter:

— „Wo feiert heut' Vater im fremden Land?"

Ach! Grausames Trugbild! Als kämst Du lächelnd
Die Wiesen daher mit dem Mittagsbrot.

Hinweg, eitler Traum! Ringsum donnern Kanonen,

Und über's Feld finster schreitet der Tod.

Hallelujah! Sei mir gegrüßt, o Verhängnis!

Am Ostertag, an der Karpathen Fuß

Mein Leben nimm hin! .... Und mit ung'rifchem Blute

Mal' rot in die Nacht uns den Morgengruß!

Für Euch leid ich lachend den Tod und mit Ruh'

Mein Heim und mein Herd! Volk, mein teures, Du! . . .

*) Kiß Menyhört ist einer der beliebtesten ungarischen Dichter; seine
Lieder werden weit und breit in den Schützengräben gesungen.

War etwas Schwieriges da, dann war
es stets diese Kompagnie, die Freiwillige
stellte.

Mit grinsendem Lachen stürmte Zü-
genjörg im Nahkampf in ein plötzlich
aufspringendes Bajonett. Sein Gegner
wurde von haßgeschwungenen Kolben
zermalmt. Die Leute trugen Zügenjörg
hinaus. Der Feldgeistliche, der tapfere,
tirolische Franziskaner, nahm sich feiner
an. Zügenjörg hatte zuviel Blut ver-
loren. Und als das Licht seines Lebens
schon nahe am Erlöschen war, bat er
den Geistlichen, ihm den Brief vorzulesen,
den er am Herzen trug.

Der Geistliche zog das Papier heraus.

Es wurde ihm schwer, aus dem Blute
zu lesen. Sein starrer Priestersinn sprach
des Weibes Worte über die Schönheil
hart und leer aus. Aber dann — und
das hatte Zügenjörg damals nicht mehr
gelesen — kamen Worte der Güte und
Seelenliebe und die gewannen Farbe und
Ton in des Priesters Mund. Feierlich
klang es:

„Und doch, Du mein Geliebter, jetzt,
da Du so weit von mir bist und nur
Dein Bild mir von Deines Mundes
Schönheit erzählt, jetzt fühle ich es: Nicht
die Linie Deines Mundes ist es, es ist
die Vollendung Deiner Menschlichkeit,
die ich so liebe. Und würdest Du — Goti
schütze Dich! — als Wrack heimgebracht
werden, grauenhaft und lächerlich anzu-
sehen, ich würde Dich lieben, tief und
innig lieben, denn Du bist mein Leben
der Ewigkeit-"

Aus heißem Schluchzen wühlte sich
Zügenjörgs Stimme: „Schreiben Sie ihr, ich

bin — — ich bin lächelnd gestorben-ich

warte-"

Pater Augustin drückte sanft die Augen Zügen-
jörgs zu.

Liebe Jugend!

Bei Uerrn Blumfreund, Inhaber eines Kon-
fektionsgeschäftes in Wien, erscheint ein Jüngling,
stellt sich als „k. k. galizischer Flüchtling" vor und
bewirbt sich um eine Stellung. Als Zeugnis
überreicht er ein empfehlendes Schreiben des Rab-
biners in seiner heimatlichen, nun von den Russen
zersprengten Gemeinde.

kfcrr Blumfreund sieht den Brief an, darauf
den jungen Mann und sagt:

„kfören Se, junger Mann, soweit is das ganz
schön, aber wir reflektieren doch nich auf Ihre
Dienste gerade an Schabbcs — haben Se nich
vielleicht eine Empfehlung von jemand, der Se
de übrigen Wochentage kennt?"

Sei Der Regiments-Musi-

Von

Jofeptj Rüg. Cux

Ich bitt' um Entschuldigung — und wenn S'
mich erschlagen — aber man muß reden dürfen,

wie einem ums Herz ist-Man hat eben

manchmal Zeiten, wo man ganz tramhappert wird
und sich gottverlassen vorkommt, man weiß selber
nicht warum . . . Man hat liebe, nette Menschen
um sich, die schöne deutsche Ordnung, auch sonst
geht's einem gut, bester wie in der Heimat, aber
was man sich auch Vorreden mag, es hilft nichts:

die Seele friert-Sie möchte einwurzeln und

kann nicht, sie spürt Aiphalt unter sich und sehnt
sich nach mütterlichem Erdreich, nach Heimatboden,

wo sie zu Hause ist, bei sich zu Hause-

versieht Ihr das?

Und was tut nian, wen» die Seele friert, daß
man es nicht mehr auszuhalten vermeint? Man
wirft sich in die Eisenbahn und fährt ins Blaue,
ins Blitzblaue, ins Athcrblaue — —

Die Reisen ins Atherblaue führen immer ans
Ziel, ich vertraue meinem inneren Kompaß, der
ist unfehlbar. Und auf der Reise zu meinem Ziel

gibt’» viele Haltestellen, zum Beispiel:
Salzburg. Ich bitte, es könnte auch
Innsbruck heißen oder Linz oder Wien
— es kommt so ziemlich auf Eins
heraus. Bleiben wir aber bei Salz-
burg, weil's das nächste ist. Meinem
ausgestoßenen, verfluchten Adani wird,
als ob er das verlorene Paradies
wiedergefundcn hält' — zum wievlelten-
mal schon wiedergefunden und wieder-
verloren?! Einerlei, augenblicklich steht
ja wieder einmal der Himniel offen,
augenblicklich. Weit offen, daß man
alle Engeln singen hört, die himmlischen
Heerscharen, die auf weißen Wolken-
bankerln herumsitzen und musizieren aus
Leibeskräften. Lauter Edelknaben.
Atherblau, Tegetthoffblau. Graublau.
Jedenfalls aber Blau. Und Gold.
Trompetengold. Schmetterndes Trom-
petengold l

Im Mirabellgarten bin ich schon
ganz drin im Paradies. Zuerst ein
verwehter Klang über der Stadt, ein
Ton aus alter Zeit. Ein verhauchen-
der Choral. Eine ferne Orgel. Heilig-
keit, liebe Sünde bist nicht weit-

Oder war es das wehe Stimmchen des
Glockenspiels, das süßverliebte Getändel
eines Mozartschen Menuetts? Immer
hängt dieses feine, ferne Klingen in
der Luft, ich brauche nur zu horchen,
hinein zu horchen in mich, dann kann
ich es hören, ganz inwendig kann ich
es hören.

Aber plötzlich strotzt die Lust von
rauschenden Klängen. Die Welt steht
in Blau und Gold. Und da kommt
sie schon daher, die himmlische Banda, sie
biegt dort um die Ecke und steht jetzt unter
den herbstlich lodernden Bäumen — Regiments-
musik — Radetzkymarsch — Hausmannskost
der Seele!

Ich spaziere wie der selige Adam im Paradies
vom Mirabell. Vater Änchises ist da und eine
Menge olympischer Herrschaften mit hübschen
Weiblein im Arm. Schön gemeißelte Mädchen
und steinharte Büftlein, die aller Bewunderung
wert sind. Kokett frisierte Sabinerinnen, denen
cs offenbar ein galantes Gesellschaftsspiel bedeutet,
geraubt zu werden. Und zwischen diesen barocken
Gartenplastiken lustwandelnde Holdinnen, zwar
auch plastisch, aber keineswegs von Stein, sondern
richtig Fleisch und Bein, blutecht und lebendig.
Also mache ich es wie Vater Änchises und wende
mich an die erstbeste Schöne:

„Finden Sie nicht auch, meine Gnädigste, daß
der Musik-Feldwebel dort so eine eigene Art hat,
einem das Herz im Leibe umzudrehen, dieses er-
starrte Herz, dak es wieder weich wird, butter-
weich? Diese Musik, die einen aufriegelt, daß
man ganz wurlert wird, als ob das Herz selber
den Takt dazri gäbe, nach deni eigenen Rhythmus
-sehen Sie, das kann man niemanden er-
kläre», man muß es eben selber spüren-

aber jetzt weiß ich wenigstens, was mir gefehlt

(Schluß auf Seite 974 a)

A. Schmidhammer

973
Register
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Melchior v. Kiss-Menyhért: Botschaft
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Bei der Regiments-Musi"
Joseph August Lux: Bei der Regiments-Musi
 
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