Bel etwaigen Bestellungen bittet; man aut dl© Münchner „JUGEND“ Bezug zu nehmen.
076
Der akte FekLzeugmeisier
Als wir noch ins Akademische Gymnasium
gingen, begegneten wir ihm tagtäglich um 12 Uhr,
wo er unbekümmert um den starken Verkehr
über den Schwarzenbergplatz schritt, hin zum
Stadtpark. Allmählich kriegten wir auch heraus,
wer der alte Herr mit dem bleichen Haar unter
dem Schlapphut, mit dem Kaiserbart und den
hellen blauen Augen in dem verrunzelten Gesicht
war, der mit eigensinniger Geradheit, nur lässig
auf einen schwarzen Stock gestützt, daherging und
seine Spaziergänge scheinbar genau nach den Zei-
gern der Karlskirchenuhr einteilte. Er war ein
Feldzeugmeister des Ruhestandes, einer von den
auch damals fast schon ausgestorbenen Haudegen
einer Zeit, die rms reine Vergangenheit dünkte,
zu der die Gegenwart kauni mehr Brücken baute.
Er focht schon 1848 mit und dann 49, 59, 64, 66
und bei der Okkupation Bosniens befehligte er
eine Brigade; Exzellenz! Dazu Besitzer der höchsten
Orden und Auszeichnungen besonderer kaiserlicher
Huld, und zu allem Überfluß mit zwei Kugeln im
Bein (von Königgrätz her), einer Bajonettstich-
Narbe und eines schlecht verheilten Säbelhiebes
über den Kopf. Einmal berichtete einer von uns
Jungen wichtig, er habe ein Gespräch des Generals
im Stadlpark erlauscht und da sagte der: „Wenn
man einmal meine Knochen untersuchen kann,
wird man sehen, daß sie schwarzgelb gestreift sind!"
Wir lachten darüber und empfanden eine gewal-
tige Hochachtung. — Das war damals, zur Gyni-
nasialzeit: und es ist bei Gott lange her!
Als der große Krieg ausbrach, zog der alte
Feldzeugmeister mit seinen hohen achtzig Zähren
die Uniform an, legte sich alle Orden um und
humpelte gichtisch ins Korps-Kommando; dort
wartete er sechs Stunden in einem verrauchten
Vorzimmer, da der Korpskommandant zuerst an-
deres zu tun hatte, als einen Pensionisten zu
empfangen. Endlich vorgelassen, redete der in der
altösterreichischen Sprache: „Kamerad, ich gehe
an die Front!" Aber fünf Minuten später huni-
pelte er schon wieder heim, mürrisch, ungehalten,
gereizt, weil ihm sehr höflich gesagt worden war,
man habe leider für ihn keine Verwendung.
V7ad> geglückter <Eat
Gpep (mit Pathos): „wir haben eine
schöne Aufgabe erfüllt — und das ist die
,Aufgabe Serbiens'."
Die Russen brachen in Galizien ein und hausten
und brandschatzten. Da schlüpfte die greise Ex-
zellenz abermals in die geschmückte Uniform und
fuhr in einem Einspänner ins Kriegsministerium.
Den Kriegsminister kannte er ja gut, der hatte
als Leutnant in seinem Bataillon gedient und
mar als viel Rangjüngerer geradezu verpflichtet,
des früheren Vorgesetzten Wünsche zu erfüllen.
„Kamerad," begann er, „ich muß ins Feld, ich
muß dabei sein! Gib mir ein Korps!" Der
Kriegsminister schaute schnell und schonend auf
die müden Glieder des. Greises, lächelte ganz,
ganz leise und gerührt und sagte sanft: „Lieber
Freund, ausgeschlossen, leider unmöglich. Wir
sind reichlich versorgt."
Ein feuchter Glanz schlich sich in die hellblauen
Augen des Feldzeugmeisters: „Und wenn schon
kein Korps .... ich begreife ja ... . so eine
Division!" Ein gütiges Kopfschütteln des Kriegs-
ministers.
Immer tiefer sanken die Ansprüche: „Eine
Brigade . . . ein Regimcitt .... ein Bataillon,
eine Kompagnie — einen Zug, wie ihn jeder
jüngste Leutnant kriegt . . . ."
Dasselbe gütige Kopfschütteln und das Trö-
stende: „Du hast genug geleistet!" Darauf die
verzweifelte Klage: „Ja, tauge ich denn gar
nichts mehr . . . ."
Zwei Tage war der Feldzcugmeister ganz
krank und elend und dachte sogar an eine Au-
dienz bei seinem Kaiser.
Und schließlich hat er es doch erreicht!
Jetzt sitzt er in einem vollgepfropften Kasernen-
zimmer und schreibt mit seiner zitternden Schritt
Gagenlisten ins Reine und ist fast wunschlos glück-
lich, weil er mittun darf. Nur wenn sich ein blut-
junger Fähnrich ins Zimmer verirrt, da er sich
in der Tür täuschte, blickt er ihn traurig an und
macht einen Vorschlag: „Kamerad, tauschen wir.
Laß mich statt Deiner an die Front, und setz' Dich
an meine Stelle ... Nur für eine Woche! Oder
besser noch, Du nimmst mich mit, wir gehen mit-
einander — gewiß brauchst Du einen Burschen,
wenn Du mir schon kein Gewehr anveriraust. . ."
Aber wie gesagt, in der Regel ist er wunsch-
los glücklich bei seinen Gagenlisten, denn nur
sehr, sehr selten irrt sich ein blutjunger Fähnrich
in der Zimmernummer.
Hans Ludwig Rosegger
Liede Jugend'
Ein Kamerad bekam bereits längere Zeit von
mibctannter Seite ansehnliche Liebesgaben in's
Feld gesandt; endlich lüstete der Absender sein In-
kognito und es schälte sich allmählich eine „allein-
stehende Dame" heraus; da sich im weiteren Laufe
der Dinge in den Brieten, die den paketchen bei-
lagen, neben den patriotischen auch erotische Ge-
fühle bemerkbar machten, schrieb mein Kamerad
eines Tages auf einer Dank-Feldpoftkarte:
„Ich bin Junggeselle; senden Sie mir, bitte
Bild; spätere Heirat nicht ausgeschlossen!" wo-
raus binnen weniger Tage die lakonische, selten
ehrliche Antwort eintras:
„wenn ich Bild sende, spätere Heirat
ausgeschlossen!"-
BENZ
' -Mi#*
; t '■ . 4
AUTOMOBILEM FLUGMOTOREN
DEUTSCHE QUALITÄTSARBEIT
BENZ MANNHEIM.
076
Der akte FekLzeugmeisier
Als wir noch ins Akademische Gymnasium
gingen, begegneten wir ihm tagtäglich um 12 Uhr,
wo er unbekümmert um den starken Verkehr
über den Schwarzenbergplatz schritt, hin zum
Stadtpark. Allmählich kriegten wir auch heraus,
wer der alte Herr mit dem bleichen Haar unter
dem Schlapphut, mit dem Kaiserbart und den
hellen blauen Augen in dem verrunzelten Gesicht
war, der mit eigensinniger Geradheit, nur lässig
auf einen schwarzen Stock gestützt, daherging und
seine Spaziergänge scheinbar genau nach den Zei-
gern der Karlskirchenuhr einteilte. Er war ein
Feldzeugmeister des Ruhestandes, einer von den
auch damals fast schon ausgestorbenen Haudegen
einer Zeit, die rms reine Vergangenheit dünkte,
zu der die Gegenwart kauni mehr Brücken baute.
Er focht schon 1848 mit und dann 49, 59, 64, 66
und bei der Okkupation Bosniens befehligte er
eine Brigade; Exzellenz! Dazu Besitzer der höchsten
Orden und Auszeichnungen besonderer kaiserlicher
Huld, und zu allem Überfluß mit zwei Kugeln im
Bein (von Königgrätz her), einer Bajonettstich-
Narbe und eines schlecht verheilten Säbelhiebes
über den Kopf. Einmal berichtete einer von uns
Jungen wichtig, er habe ein Gespräch des Generals
im Stadlpark erlauscht und da sagte der: „Wenn
man einmal meine Knochen untersuchen kann,
wird man sehen, daß sie schwarzgelb gestreift sind!"
Wir lachten darüber und empfanden eine gewal-
tige Hochachtung. — Das war damals, zur Gyni-
nasialzeit: und es ist bei Gott lange her!
Als der große Krieg ausbrach, zog der alte
Feldzeugmeister mit seinen hohen achtzig Zähren
die Uniform an, legte sich alle Orden um und
humpelte gichtisch ins Korps-Kommando; dort
wartete er sechs Stunden in einem verrauchten
Vorzimmer, da der Korpskommandant zuerst an-
deres zu tun hatte, als einen Pensionisten zu
empfangen. Endlich vorgelassen, redete der in der
altösterreichischen Sprache: „Kamerad, ich gehe
an die Front!" Aber fünf Minuten später huni-
pelte er schon wieder heim, mürrisch, ungehalten,
gereizt, weil ihm sehr höflich gesagt worden war,
man habe leider für ihn keine Verwendung.
V7ad> geglückter <Eat
Gpep (mit Pathos): „wir haben eine
schöne Aufgabe erfüllt — und das ist die
,Aufgabe Serbiens'."
Die Russen brachen in Galizien ein und hausten
und brandschatzten. Da schlüpfte die greise Ex-
zellenz abermals in die geschmückte Uniform und
fuhr in einem Einspänner ins Kriegsministerium.
Den Kriegsminister kannte er ja gut, der hatte
als Leutnant in seinem Bataillon gedient und
mar als viel Rangjüngerer geradezu verpflichtet,
des früheren Vorgesetzten Wünsche zu erfüllen.
„Kamerad," begann er, „ich muß ins Feld, ich
muß dabei sein! Gib mir ein Korps!" Der
Kriegsminister schaute schnell und schonend auf
die müden Glieder des. Greises, lächelte ganz,
ganz leise und gerührt und sagte sanft: „Lieber
Freund, ausgeschlossen, leider unmöglich. Wir
sind reichlich versorgt."
Ein feuchter Glanz schlich sich in die hellblauen
Augen des Feldzeugmeisters: „Und wenn schon
kein Korps .... ich begreife ja ... . so eine
Division!" Ein gütiges Kopfschütteln des Kriegs-
ministers.
Immer tiefer sanken die Ansprüche: „Eine
Brigade . . . ein Regimcitt .... ein Bataillon,
eine Kompagnie — einen Zug, wie ihn jeder
jüngste Leutnant kriegt . . . ."
Dasselbe gütige Kopfschütteln und das Trö-
stende: „Du hast genug geleistet!" Darauf die
verzweifelte Klage: „Ja, tauge ich denn gar
nichts mehr . . . ."
Zwei Tage war der Feldzcugmeister ganz
krank und elend und dachte sogar an eine Au-
dienz bei seinem Kaiser.
Und schließlich hat er es doch erreicht!
Jetzt sitzt er in einem vollgepfropften Kasernen-
zimmer und schreibt mit seiner zitternden Schritt
Gagenlisten ins Reine und ist fast wunschlos glück-
lich, weil er mittun darf. Nur wenn sich ein blut-
junger Fähnrich ins Zimmer verirrt, da er sich
in der Tür täuschte, blickt er ihn traurig an und
macht einen Vorschlag: „Kamerad, tauschen wir.
Laß mich statt Deiner an die Front, und setz' Dich
an meine Stelle ... Nur für eine Woche! Oder
besser noch, Du nimmst mich mit, wir gehen mit-
einander — gewiß brauchst Du einen Burschen,
wenn Du mir schon kein Gewehr anveriraust. . ."
Aber wie gesagt, in der Regel ist er wunsch-
los glücklich bei seinen Gagenlisten, denn nur
sehr, sehr selten irrt sich ein blutjunger Fähnrich
in der Zimmernummer.
Hans Ludwig Rosegger
Liede Jugend'
Ein Kamerad bekam bereits längere Zeit von
mibctannter Seite ansehnliche Liebesgaben in's
Feld gesandt; endlich lüstete der Absender sein In-
kognito und es schälte sich allmählich eine „allein-
stehende Dame" heraus; da sich im weiteren Laufe
der Dinge in den Brieten, die den paketchen bei-
lagen, neben den patriotischen auch erotische Ge-
fühle bemerkbar machten, schrieb mein Kamerad
eines Tages auf einer Dank-Feldpoftkarte:
„Ich bin Junggeselle; senden Sie mir, bitte
Bild; spätere Heirat nicht ausgeschlossen!" wo-
raus binnen weniger Tage die lakonische, selten
ehrliche Antwort eintras:
„wenn ich Bild sende, spätere Heirat
ausgeschlossen!"-
BENZ
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DEUTSCHE QUALITÄTSARBEIT
BENZ MANNHEIM.