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Mie $itrajjtntcjt£tr&cit öctr Errtonte
„(Einer für alle, alle für einen!"

Ktckkungskrieg

Mit Blicken, die finster sich ineinander saugen,
Krampshast spähend, so steht Feind an Feind
Zwölf lange Monde - wie Stier und Torrero —

Oder gleich Spielern mit hingebannten Auge»
Aus die Roulette, die ihnen Schicksal scheint:

Ob rot, ob schwarz?! Wer träunite noch von Zöro?

Frankreich, grimmiger Stier, durch Herz und Lunge
Trifft Dich der Stahl, aufspritzt ein Strom von Gold
Und Blut und Hatz—Dein Feuer ist verglommen -

Und plötzlich hält die Kugel an im Schwünge,
Die Kugel, die zu unserm Ziele rollt —

_Der Tag wird komnien!

Kurt Bauchwitz
Linj.-Vlzewachtmeister (im Leide)

£ivd noßfc Kruder

Das war im römischen Parlament,

Fm Reicke des Re bambino.

Da zeigten ihr herrliches Rednertalent
Salandra und Sonnino.

Sie schwatzten beide stolzen Gesichts
Mit hoch erhobenen Rasen
Und sagten nichts und wiederum mchts,

Als Phrasen, Phrasen, Phrasen!

Zwar könnt' vom versprochenen Siegeslauf
Sonnino partout nicht berichten,

Drum wärmte er uralten Kohl nur auf
Und uralte Lügengeschichten!

Und schliehlich wurde er rührsam weich
Ob Serbiens Elend und Ianuner
Zu retten Peters verratenes Reich
Versprach er bombastisch der Kanuner:

Da mutzten die kläglichen Burschen noch
Von ihrem Sitz sich erheben (i

Und ließen mit schallendem „Bivat hoch
Das tote Serbien leben!

Salandra kan> etwas später dran,

Der eisenstirnige Schwätzer,

Und schwindelte seine Quiriten an,

Wie der englische Halbblut-Hetzer.

Er faselte Siegeszuversicht,

Obwohl an der kritischen Ecke
In sieben Monden Cadorna nicht
Drei Schritte gekommen von, Flecke.

„Doch werde der Sieg nur eventuell,

Rur dem Italien verliehen,

Das moralisch entwickle und materiell
Die nötigen Energien!"

Er schwatzte von Überlegenheit
Des hehren lateinischen Landes
Und seiner Kultur seit alter Zeit
Und seines großen Verstandes.

Doch sagte er nicht zum Parlament,

Daß von den kulturhohen Wesen
Im Lande des Treubruchs vierzig Prozent
Nicht schreiben können und lesen!

Er wickelte Alles in Lügen ein,

Nach wohlbekannter Methode,

Und reichte denr harrenden Volk einen Stein,
Statt der erwarteten Brote.

Und die Iammerbande, die diesen Krieg,
Obwohl sie ihn scheute, beschlossen
Sie jauchzte ihm Beifall, oder sie schwieg —
Aus Angst vor den Helden der Gossen!

Daß eine halbe Million vom Heer
Den, Trug schon zum Opfer gefallen,

Das scheert die Diätenfresser nicht mehr
I» des (Vionts Litorio Hallen!

Die werden erst wach dann allenfalls
Und werden die Krallen zeigen,

Wenn nicht bis zum Knie — wenn

bis über den Hals
Deni Volke die Wasser steigen.

Dann werden sie, wer der Verbrecher war,
Auf einmal begreifen lernen
Und suchen dem herrlichen Brüderpaar
Zwei Stricke und zwei Laternen!

Pips

*

Der neue Plutarcb

„VPo sind die Tauben hingekommcn, die
früher von den Fremden immer gefüttert wur-
den! 7" fragte am Markusplatz in Venedig eine
lLaby einen Mann aus dem Volke.

„Seit Kriegsausbruch hat man sie nur mit
schönen Worten abgespeist, und da sind sie ver-
hungert!"

Des Vuckels Hern

Die Mißerfolge der Entente im Orient erklärt
das „Journal des Debats" mit folgenden Worten:
„Die Alliierten leiden unter ihrer Gewissenhaftig-
keit. Die ehrlichen Leute haben immer einige
Hemmungen in, Kampf gegen Verbrecher. Als
Soldaten des Rechts, der Ehre und der Loyalität
mußten wir im Orient auf Gewaltakte verzichten."
Diese ebenso geistreiche wie einleuchtende Auf-
stellung wirft ein scharfes Licht auf den ganzen
Verlauf dieses Krieges. So ist die Hemmungs-
losigkeit, mit der die Deutschen erst bis zur Marne,
dann bis zur Beresina und jetzt in Serbien vor-
drangen, lediglich aus der pathologischen Ver-
anlagung geborener Berbrechernaturen (siehe Lom-
broso!) zu erklären. Und nur aus purer Ge-
wissenhaftigkeit haben die Franzosen, Russen
und Serben diese ganzen sinnlosen und einer ver-
wilderten Generalstabsphantasie entsprungenen Be-
wegungen mitgemacht, indem sie jedesmal so weit
zurückgingen, wie die Deutschen vorgingen. Es
ist klar, daß die Geniüter von Kulturvölkern, die
derartigen Hemmungen unterworfen sind, gar
nicht daran denken können, ähnliche Gewaltakte
am Rhein, an der Spree oder gegen Wien und
Konstantinopel zu begehen. Soldaten des Rechts,
der Ehre und der Loyalilüt sperren schwächeren
Staaten, die ihnen nicht zu Willen sind, die Zu-
fuhr, verbünden fid) wühlenden Ministerpräsi-
denten, erregen Revolutionen. Aber Gewalt-
akte wie Durchbrüche, Eroberungen von Fest-
ungen, Gefangennahme ganzer feindlicher Heere:

tr dono. . . .! ! Hurrikan

Wahre Gcschichtchcn

Beim Vberbräu ist ein kräftiger Stammhalter
eingetroffen.

„So." brummt bei Verkündigung der frohen
Nachricht der Stammgast Krüglhuher, „kann er
schon .Bierpreiserhöhung' sag'n?"

Line kürzlich aus Rußland abgeschobene deutsche
Dame erzählte folgendes Erlauschtes:

In einer russischen Gesellschaft wird eifrig über
den Krieg und seine Ursache» debattiert. Alle sind
sich einig darüber, daß der Krieg von Deutschland
gewollt und herbeigeführt sei. Alle sind sich ferner
einig darüber, daß nach Beendigung des Krieges,
über dessen für die Lntentegenoffen siegreichen Aus-
gang kein Zweifel herrscht, ein Strafgericht über
Bethmann Pollweg abgehalten werden inüsse. Nur
über die Art der „großen Strafe" ist man verschie-
dener Ansicht. Liner stimmt für Verbannung nach
einer öden weltentrückten Insel, ei» anderer gar
für Todesstrafe. Dies alles fdjeint aber immer
noch nicht hart genug zu sein, bis jemand vor-
schlägt: „Linen jüdischen Paß soll man ihm aus-
stellen und ihn daim in Rußland laufen lassen!"
Allseitige lebhafte Zustimmung!

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Register
Pips: Die Zusammenarbeit der Entente
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
[nicht signierter Beitrag]: Wahre Geschichtchen
Bruno Paul: Illustration zum Text "Die Zusammenarbeit der Entente"
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Kurt Bauchwitz: Stellungskrieg
Pips: Zwei noble Brüder
Hurrikan: Des Pudels Kern
 
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