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Franzosen-Begräbnis in Maübeuge

Ernst Vollbehr (Kriegsmaler)

Mein Kampflied

Ich bin kein Kriegstrompetenbläser,
Mein Atem taugt für Friedensklang;
So ging ich stets die Au’n entlang.
Der Halme achtend und der Gräser,
Doch jetzt im großen Weltenringen
Ist mir's versagt, mein Lied zu singen.

Was willst du, Flöte, heute künden.
Die zag die Hand zum Munde hebt.
Indes die Luft ringsum erbebt
Vom Donner aus Geschützesschlünden?
Ich lausche selbst gespannt dem Klingen,
Und also hebst du an zu singen;

So heiß jetzt Haß die Welt durchlodert.
So tief jetzt rings der Blutdurst schlürft.
Da Wut den Feind zu Boden wirft
Und soviel Lebenslust vermodert.

Nie war die Welt so reich an Liebe,
Wie jetzt im wilden Schlachtgetriebe!

Denn jeder Atemzug ist Treue
Zum heißgeliebten Vaterland,

Und jederWunsch und Traum umspannt
Die Heimatscholle stets aufs neue.
Und jederWunsch der Rückgehliehnen
Umschlingt die in den Kampf Getriebnen.

Nur Sehnsucht glüht nach all den Fernen
Daheim und draußen weit im Feld!
Wann war davon so voll dieWelt

Und suchte Trost hoch hei den Sternen,
^Vann flössen je aus reinstem Sehnen
So liebgeborene heiße Tränen?

Drum sag’ ich stolz: mag haßentspringen
Der Völkerkrieg, was ist der Haß,

Da Lieh’ und Treu ohn' Unterlaß
Vom Kampf zum Herd die Flügel

schwingen.

Und da, wenn auch mit schweren Düften,
Noch Liebe blüht aus allen Grüften!

Ist dies dein Kampflied, meine Flöte?
Dem Sang vom Krieg? Ich senke stumm
Die Hände und ich weiß, warum.

Ich falte sie ernst zum Gebete:

Mag stets der deutschen Treu auf Erden
Die heilige Auferstehung werden!

HUGO SALUS

Oer ^sokannes von Cirol

Line weihnachtslegende aus dem Jahre 1915
Von ffiaoc Preis

Schnee lag über dem Bozncr Land. Der
ganze wunderlich-Me Garten Süd-Tirols war
behütet von dieser weichen, weihen Riesenhand,
die Obst und Reben vor den Frösten der Rauh-
nächte abschloß. Wie eine Mutter ein liebes Kind
zudeckt mit ihrer Wärme, damit es nicht Schaden
nähme an den. Bösen der Welt. Gegen Süden,
über die Talferbrücke stand der Rosengarten auf,
nicht mehr wie eine sommerliche Krone aus Blut
und Rubin — eisern, eisig, hart, ein lanzen-
bewehrter Schutzwall, dem Feind zum Trotz, dem

Land znr Wehr. Blutrosen wuchsen jetzt weiter
im Süden, dort, wo der rote Adler Tirols über
die Firnen flog, ein Licht in den Winterwolken
entzündete, Fackeln gleich die Weihe des Krieges
in dunklen Tälern und über lichtlose Schründe
schwang. Manchmal kam von dort der Schrei
der Schlacht herüber, wie eine losgetretene Lawine,
die zu Tal gehend, unversehens in die Hütten
bricht; oder wie ein Lärm, den der tiefe Süden
nicht mehr bergen konnte, und der nun, von der
Eile müde und schwach geworden, röchelnd oben
im Bozner Land zusammenbrach.

In den kleinen Dorf-Kirchen bettelten die
Glocken täglich, lange noch bevor die Sterne ihr
Silber an den Morgen verschenkten, mit kleinen
Kinderstimmen: „Sieg und Frieden — Sieg und
Frieden — Sieg und Frieden —" und wenn die
Kirche von „Sankt Magdalena" schwieg, bim-
melte die Glocke von „Unserm Herrn im Elend"
fromm und froh ihr helles: „Der Heiland kommt
— der Heiland kommt." In diesem Glockentau
gingen die Leute alle Morgen zur Advent-Messe.
Denn die Zeit der Weihnacht war sehr nahe.
Scheue Funken tanzten den Menschen in wind-
geschützten Laternen zur Kirche voran. Und manche
Orgel lobte lauter, als der ferne Kanonendonner
an ihm frevelte, den Herrn.

Um diese Zeit des Kriegs-Advents ging ein
Gerede durch die Täler und durch die Weiler
und hockte bei den Weibern, die für die Soldaten
warmes Unterzeug strickten; es schlich um die
Lazarette, über denen das Rote Kreuz brannte,
und flog vielleicht zurück ins Kriegsgebiet, aus
dem es gekomnien war, zu den Standschützen, die
hoch oben, eingesprengt wie Edelraute ins Ge-
stein, den Roten Adler bewachten, den Adler von
Tirol. Es war das Gerede, das von eineni
Menschen erzählte, der Johannes hieß. Er soll
früher einmal in Innsbruck Student gewesen sein.
Dann nahm ihn der erste Kriegsruf, und die Lip-
pen des jungen Mannes trugen eine Predigt der
Heimatliebe, ein Lied, das wild war und auf-
wühlend, und heiß wie der rote Hahn. Irgend-
wo, im Wälschen hat's ihn dann gepackt; den
Mann, jubelzuversichtlich von Sinnen und zart

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Register
Max Prels: Der Johannes von Tirol
Ernst Vollbehr: Franzosen-Begräbnis in Maubeuge
Hugo Salus: Mein Kampflied
 
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