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in einem ungeheuren Haufen, und rund herum
im Kreis stehen lauter „Gankerln", aber ohne
Hofen, mit Spießen und Gabeln, keuchen, lassen die
Zungen heraushängen, wie Dackeln, und schwitzen.

Der Große fängt an: „Das ist die englische
bell. Ich habe sie einrichten müssen, weil alle
meine anderen Pfleglinge mich anheulten, es sei
mit denen da nicht auszuhalten und mit den höl-
lischen Strafen sei es gerade genug und im Urteil
stehe nichts davon, daß eine anständige arme
Seele sich noch Löcher in den Bauch lügen lassen
müsse. Frech sind sie auch immer gewesen, zum
Beispiel verlangten sie statt der vorschriftsmäßigen
Schwefelbrühe Tee mit Rum und Marmelade
zum Frühstück, und als sie gar versuchten, meine
Leute zu bestechen, gab ich dem Geheule nach.
Run, meine Herren, habe ich die Bescherung.
Die Kerle schleichen sich heimlich in die anderen
Quartiere ein, werben dort arme Seelen an, die
für sie die Strafen abbüßen sollen, und ver-
schachern dann hier die Dummen, die ihnen auf-
gesessen sind. Dabei betrügt einer den andern,
dann boxen sie sich und singen Psalmen dazu.
Ich habe schon den ganzen Landsturm aufgeboten
und kann der Meute doch nicht Herr werden.
Und wissen Sie, warum? Alle meine Leute be-
kommen nach einer Biertelstundc Dienst die Brech-
ruhr, so werden sie angelogen. Was soll ich da
tun, meine Herren?"

Der Schorsch kratzt sich hinter dem Ohr, der
Alisi macht ein pfiffiges Gesicht, wie beim Kuh-
handel, fragt aber zuerst: „Wos is durt brennten
am End, dös ma nöt siacht?"

„Dort sind die Lagerkeller der unterhöllischen
Fabrik, in der das Ungeziefer angefertigt wird,"
sagt der Große.

„A solchener bist! Ungeziefer laßt D' macha!
Schämst Di gar nöt!" brüllt der Alisi. Der
Schorsch will ihn beruhigen:

„Sei stad, er liefert jo eh alls die Russen,"
mahnt er als Sachverständiger, der Russen „ge-
hütet" hat.

„Do siacht ma', daß Du do' a dummer Teuf'l
bist," sagt der Alisi zu dem Großen. „Woaßt
was, stell Di' hin und schrei: D' Boarn san do
und auf der Würm kemma neun U daher. —
Do mogst wos derleb'n. Dö purzeln durt alle
in dö Keller nein."

„Auf der Würm? Werden sie das auch
glauben?"

„A Engländer glaabt all's, wanns nur der-
logn is."

Der Große befolgt also den Rat und richtig:
es wird leer und immer leerer und endlich ganz
leer; die Gankerln aber hüpfen und schreien, wie
närrisch: "kritannia run!"

So und hiazt machst Ungeziefer draus. Aber
nöt "für Menzing!" sagt der Alisi.

„Ich danke Ihnen, meine Herren, Sie haben
alle "meine Erwartungen übertroffen. Alle Hoch-
achtung vor den Bayern: leider kann ich keine
hieher bekommen."

„So, so, Sö kriagn koan?! — Gel', dös taugt
Dir," sagt der Alisi zum Schorsch, „hiazt magst
allweil Bauernbund wähln derfa. — Ro und
was is mit der Maß?" Diese Frage galt dem

Großen. ... .. , „

„Bedaure unendlich, aber wir haben hier leider
keine Bräumeister —" ..

Wos? Qs Hascher habt's koane Brau?!"

„Nicht einen einzigen. Nur ei» paar Direk-
toren von Aktienbrauereien; die sind aber keine

Bayern." . , ,

„G'hörn scho e»k!" meint der Ali,> und wehrt
mit der Hand ab.

„Ich kann Ihnen meinen Dank nur dadurch
bezeigen, daß ich Ihne» den Weg weisen lasse
z» — zu — nun zu meinem Konkurrenten."

Und urplötzlich war der Große verschwunden,
nur der kleine Rothosige tanzte vor den Beiden
her, machte Knixe und rief: „Bitte, meine Herren !
Ich werde zeigen den Weg ganz umsonst. Nix
zu zahlen!"

„Wo's nix'n z trinka gibt, brauchts a koa
Trinkgeld." brummt der Alisi.

Lrohe Botschaft

Nach nachtschwarzen Sorgen,

Nach bittersten Wehn
Sah oft schon ein Morgen
Den Himmel offen stehn:

Ein nackichtes Kindlein
Mit rosiger Haut
Liegt auf seinen Windlein
Und strampelt und schaut.

Und harrt auf die Dinge,

Die mit ihm geschehn;

Und muß nun im Ringe
Des Lebens mitgehn.

Und wird zum Gotte,

Eh man sich's versieht:

Und ringt mit dem Spotte
Und singt sich ein Lied.

Ein Trutzlied vom Siege
Uber Welt, über Tod;

Und rüstet zum Kriege
Wider jegliche Not . . .

Nach nachtschwarzen Sorgen,

Nach Krämpfen und Wehn
Sah oft schon der Morgen
Einen Heiland erstehn.

Ludwig Scharf

Vor dem Tore zeigte der Kleine nach links,
wo etwas wie eine Stiege in das merkwürdige
Grau emporführte, wohin und wie weit konnte
man nicht sehen.

„Dös is akrat so, als wia ma' auf den alten
Peter 'naufsteigt," bemerkt der Schorsch, der als
Schwabinger in München Bescheid weiß.

„Der alte Peter ist droben," schreit der Kleine
und lauft weg.

„Geng'n m'rs halt an," sagt der Alisi und
wendet sich der Treppe zu. — Wie lange sie
stiegen, wußte keiner, denn dort unten gibt es
kein Zeitmaß, sonst würde ja den armen Seelen
in der Ewigkeit die Zeit zu lang. Schließlich
nimmt alles ein Ende, auch eine Stiege, die einem
der Teufel gezeigt hat; aber geschnauft hat der
Alisi zuletzt doch. Jetzt stehen sie wieder vor
einem Tore; aber da ist keine Aufschrift zu lesen,
sondern es leuchtet nur etwas wie ein feuriger

Silberstern, so daß man blinzeln nuiß, wenn
nian hinblickt.

„Schaut g'rad so aus, wia's Zoacha vom
Alpenverein," bemerkt der weltkundige Schwa-
binger. „Is leicht a Schutzhütt'n herob'n."

Wie sie durch das Tor eintreten, sehen sie
gleich neben dem breiten Weg ein recht nettes
Häuschen mit roten und blauen Blumen an den
Fenstern und weiter hinten zwei Wegweiser. Der
Alisi geht hin und liest: „Bayern rechts! Preußen
links!"

„Dö herob'n wiff'n, wia si's g'hört. Wir
Boarn san allweil rechts."

„Ihre Quartierzettel, meine Herren!" sagt eine
feine Stimme hinter ihnen.

„Mit Enkern vaflixt'n Quartierzettel laßt's mi
aus!" schreit der Alisi und dreht sich wütend um;
wird aber gleich ganz sanft. „Mei liab's Büabl,
i han koan. I bin der Alisi aus Menzing und
dös is der Schorsch —"

„Ja, dann muß ich Sie melden," sagt das
Bübchen, das dem Alisi gar so gut gefällt, öffnet
die Türe des Häuschens ein wenig und ruft
hinein: „Herr Petrus, der Alisi aus Menzing
ist da, aber ohne Quartierzcttel."

„Soll herein kommen," hört man eine tiefe
Stimme sagen.

Die beiden gehen also hinein, der Alisi als
gebildeter Mensch will seinen Hut abnehmen.
Findet aber keinen, stellt sich also stramm hin,
salutiert und sagt:

„Mölde g'hürsamst, der Alisi aus Menzing
vom Leibregiment-"

„Weiß schon!" spricht der alte Herr, der in
einen, rotgepolsterten Lehnstuhl sitzt, er hat einen
langen Bart, halb weiß, halb rot, gerade wie
Silber und Gold sieht es aus. „Ihr habt aber
noch keine Quartieranweisung und da darf ich
Euch nicht aufnehmen."

„Himmikreuzdividonüne!" fängt der Alisi an,
erschrickt aber gleich und sagt kleinlaut: „Is woll
's Fluacha aa verbot'» herob'n?"

„Das will ich meinen, aber weil Du es bist,
will ich nichts gehört haben." — Und weil der
alte Herr gewohnt ist, mit den Leuten in ihrer
Muttersprache zu reden, so gut als er es eben
zuwege bringt, sucht er sein Münchnerisch hervor
und sagt: „Setzt's Enk a tvengerl und rastet's
aus. Dann laste ich Euch hinführen, wohin Ihr
gehört."

Die Beiden setzten sich also bescheiden an den
Tisch, auf dem vor dem alten Herrn ein Krug
mit einem feinen silbernen Deckel steht. Der Alisi
hat scharfe Augen und sieht gleich, daß ein HB
auf dem Krug steht.

„Hofbräu?" fragt er ganz freundlich.

Der Petrus lacht. „Na, mein Lieber! Himmels-
bräu! Magst kosten?"

„War m'r scho' recht!" Der Alisi schnalzt
schon heimlich mit der Zunge.

Sankt Petrus nimmt das Telephon, das neben
dem Krug liegt, und ruft hinein: „Zwei Krüge!
Für Stammgäste!" („Den Schwindel kennan's
herob'n aa," denkt sich der Alisi). Gleich darauf
kommen auch schon Zwei herein, in schneeweißen
Kitteln und mit Locken, gerade so licht, wie der
Bart des Petrus.

„Recht saubere Madeln habt's do herob'n,"
bemerkt der Alisi und streicht seinen Schnauzbart
aufwärts.

„Sind keine Madeln, sind Engel," berichtigt
Petrus.

„Bei uns san halt d' Engerln allweil Madeln."

Der Petrus lacht. „Oder um'kehrt is aa g'fahrn."
— Der Alisi aber läßt sich nicht weiter in den
Streit ein, sondern greift nach dem Krug und der
Schorsch folgt seinem Beispiel.

„Na, wie schmeckt 's?" fragt Sankt Peter ge-
mütlich.

„Guat is scho, aber koa Bier is do' nöt,"
erwidert der Alisi keck. — Das Himmelsbräu
muß wohl extra stark sein, denn der Alisi fühlt
auf einmal eine Schneid in sich, wie sonst erst nach
der fünften Maß und sängt zu sticheln an, aber
in „gebildeter Sprach'," was ganz bedenklich ist.

(Schluß auf Seite 1017)

1015
Register
Georg Rall: Kapelle
Ludwig Scharf: Frohe Botschaft
 
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