MiAto und alles sah. So daß er fast froh sem
5 S c’ als die Kabarettvorstellung rmvermuteter-
weiteraing, und ein Kouplet angmg, das
Lebensfreude verherrlichte. Das Fräulem. das
es sang, erging sich i" verhe.ßungsvollen Panto-
mimen, hier und da erhoben sich ennge Herren
den Plätzen - Damen protestierten neidisch:
bis der Vortrag mit einem Wirbel ,m Diskant
schloß ^ und nun eine allgemeine Unruhe begann.
Man rückte mit den Stühlen, lief herum,
sprach durcheinander und wurde unangenehm laut.
Hanno hatte keinen, zu dem er sprechen konnte;
er war nach dem Souper zum Sekt übergegangen,
und saß neben seiner FIas-t,e Champagnerwein,
indeni er sich ein wenig zurückgesctzt und leicht
beleidigt vorkam. Wieder blickte er auf die blonde
Frau. ,, ,,
Siehe da, dachte er überrascht — ist fie nicht
auch verstummt? Sitzt sie nicht angclehnt, ohne
Lachen und ohne Lächeln? Unfestlich, versunken?
Ist nicht auch sie vernachlässigt; oder liegt hier
nur eine Projektion vor; werfe ich, sozusagen,
meine Schatten bis hin auf ihre Seele-die
hier nicht weilt? Wo waren doch ihre Augen — ?
Da schlug die blaue Danie sie auf utib griff
zum Sektglas, hob es hoch empor, ließ es sinken
und setzte es an den Mund —
Hanno war ihr still gefolgt; jetzt trank sie
und nun wollte er sein Glas . . .
In diesem Augenblick wurde oben auf dem
Musikpodium ein Pauke,ischlag laut und die
Lichter im Saale gingen aus, es wurde dunkel,
absolut finster und nächtlich. Kandelaber und
Leuchter hörten auf, zu strahlen. Gleichzeitig ver-
stummte man ringsum; nur verlegenes Auflachen
und einiges Flüstern trat hier und dort auf, Zi-
garren und Zigaretten waren kleine Feuerzeichen.
Man war beklemmt.
Es war zwölf Uhr und das Ganze erwies
sich als eine Veranstaltung und ein Modus, wie
man das neue Jahr begrüßte. Neu und ein wenig
beschämend.
Es wurde hell, und als erstes ergab sich, daß
ein buntes Celluloidbüllchen von irgend woher itt
Hanno's Sektglas geflogen kam, iir welchem es
ein lebhaftes Schäumen hervorrief und nunmehr
sich wirbelnd befand. Aber auch in, übrigen war
alles verwandelt. Drüben stand ein Herr auf
eine», Stuhl und hatte einen Zylinder auf, einen
veritablen, unanfechtbaren, seidenen Zylinderhut,
der allerdings gelb und im ganzen nur wenige
Zentimeter groß war, so daß er mit einer Gunnni-
schnur am Kopse festgehalteii werden mußte. Der
so geschmückte Herr handhabte eine Trompete,
aus Blech, die ein durchdringendes Plärren laut
werden beß. Neben, hinter und vor diesem Fröh-
lichkeit verbreitenden Menschen sah man jetzt, wie
die Leute hastig an den geheimnisvollen Pakete»
von vorhin zerrten. Die in Düien mitgebrachte
Lustigkeit wurde nunmehr, da es soweit mar, aus-
gepackt, der Frohsinn hatte zu beginnen und ge-
langte zunächst einmal darin zun, Ausdruck, daß
man sich Papiermützen über den Kopf stülpte und
einander mit allerhand bunten Schnitzeln bewarf,
worauf Tische, Stühle und Fußboden alsbald die
Farbe des Amüsements aufzuweisen anfinge».
Auch der Geheime Regierungsrat am Tisch vor
Hanno entnahni einem überwältigenden Papier-
sacke die Behelfe zur Bollführung des Amüse-
ments für sich und feine Familie; jeder erhielt
einen ihm angepaßten Gegenstand, etwa ein kleines
Gummibaby, das man aufblasen konnte und das
dann wieder langsani und fatal in sich zusammen-
fiel, oder ein Tier, das gedrückt wurde, worauf
es quietschte. Die Töchter bekamen obendrein
allerhand Wurfgeschosse zugeteilt und Papa selber
nahn, für sich einen zusammengerollten Papier-
rüssel in Anspruch, in den man hineinzublasen
hatte und der auf diese Weise ausgedehnt zu
uiitcrschiedlichen Male» in der Nähe von Hannos
Gesicht auftauchte, eine Veranstaltung, die dazu
dienen sollte, ihn lustig zu machen.
Inzwischen war es allerorts laut und lärm-
haft geworden; jeder schien plötzlich den anderen
Das Sndziek
Den Frieden! Ia! wir wollen auch den Friedenl
wir wollen au», daß diesem ström von Blut
Und Laß und Wahnwitz und verbiss'ner Wut
Nun bald ein unerbitiltch „Lalt!" beschieden.
Den Frieden! Ta! Denn niemand wollte so
wie wir den Frieden wahrend vierzig Fahren
Und war. wie wir. trotz Feinden und Gefahren,
Lin Menschenleben lang des Friedens froh!
Den Frieden! Dielten wir nicht bis zum Ende
Den Frieden, selb» noch zögernd als er brach,
wie Liner zögernd teines Laules Da»
Erst dann verläßt, wenn brechen schon die wände!
wir rissen nicht des Friedens Mauern nieder.
Die uns geschützt! — Nun schützt uns nur
das Schwert!
Laßt wieder Mauer sein, — und gerne fährt
Das strenge Schwert in seine Scheide wieder!
Doch seiner schärfe müssen die nicht lluchen,
Die nun in Wunden suhlen seine Wucht! —
Den Frieden!... wer den Krieg mit
uns gesucht,
Der mag nun auch mit uns den
Frieden suchen!
A. l>e Aura
zu kennen und Hanno, in seiner Einsamkeit, be-
gann bereits nicht nur von Blicken, sondern auch
von Ansprachen der Zielpunkt zu werden. Er
hatte nicht wohl vermocht, seinen Kopf ebenfalls
mit einer bunten Papierbedeckung zu versehen, und
war überhaupt gewohnt, auf andere, als diese
absichtliche Art, fröhlich zu sein. Er blickte sich
nach der blonden Dame in Blau um.
Soeben hatte diese den weißen Arm erhoben
und gerade nach Hanno hin mit einem großen,
leichten Balle gezielt — jetzt ließ sie es. Der
Arm sank herab, sie warf den Ball mit einer
spielerischen kleinen Handbewegung auf den Tisch,
so daß er prallte und dem schwarzen Herrn, ihrem
Manne, an die Nase sprang, worauf er unbe-
achtet auf den Fußboden rollte und seine Sen-
dung beendet hatte.
Inzwischen hatten viele Leute, die bisher durch-
aus seßhaft gewesen waren, sich auf die Wande-
rung begeben, hatten sich von ihrem Tisch ge-
macht und waren unterwegs. Man rief fremden
Menschen mancherlei Frohsinniges zu, einige
lurtten ihr Glas mitgenommen und verbreiteten
Freude weithin, indem sie mit jedermann anzu-
stoßen und zu trinken bemüßigt waren. Auch
Plädoyer
A. Fiebiger
„Dev Angeklagte hat's mit vier Frauen ge-
halten. So wett darf man die Lundcsbvüder-
schaft für die Türkei denn doch nicht treiben I"
getanzt wurde. Auf schnelle und geheimnisvolle
Weise war inmitten der eben noch festlichen Tische
ein freier Raunr entstanden, wo man sich, kräftig
durcheinander, in jenen neuen rhythmischen For-
men bewegte, die, vom anderen Kontinent zu uns
gekommen, im wesentlichen darin bestanden, daß
man im Marschtempo und unter Körperverren-
kungen zu Zweien sich erging.
Bor Hanno stieg wuchtig und unvorbereitet
jener dicke Herr auf, dem er von der Straßen-
bahn aus in dieses Lokal gefolgt war. Der Mann
war jetzt feines Pelzes ledig, ragte aber noch ge-
waltig, auch feine kleine Frau befand sich, herz-
lich und unscheinbar, wieder an seinem Arm und
hörte oben in der Gegend seines Magens auf.
Die sieben Regierungsraistöchter, wirren und be-
sprenkelten Haares, vollführten miteinander und
gemeinsam mit männlichen Personen milde Be-
wegungen, während der Herr mit dem klein-
kalibrigen gelben Zylinderhut sich hinten auf einen
Tisch gestellt hatte und das Ganze wohlwollend
mit ansah. Plötzlich erblickte Hanno auch die
blonde Frau in dem Schwall; in einer entfernten
Gegend, den Kopf ein wenig zurückgelehnt, mit
rotem Mund über dem Kinnoval, tanzte sie mit
einem bärtigen Ungeheuer, dessen Rücken sich jetzt
vor sie schob und sie verschlang.
Bei diesem Anblick stand Hanno auf, griff
nach einen, zunächst befindlichen Fräulein und
versuchte mit ihr die Menge im Tanz zu durch-
dringen, was ihm, unter vielen Stößen und
Havarien, gelang. Er hatte die Richtung nach
der blonden Frau in blauer Seide hin einge-
schlagen, erreichte sie endlich auch und streifte beim
Borüberkoinmen ihren Arm, den sie lässig und
abstrakt auf den Frackärmel des Ungeheuers ge-
legt hatte. ...
Mit einer Verbeugung gab Hanno feine Dame
frei. Er begab sich auf seinen Platz und sah
schon von weitem, daß auf der Estrade das blaue
Kleid sich befand; wirklich faß ine schöne Frau
bereits wieder am Tisch und hatte einen Fächer,
den sie geruhig entfaltete und über dessen Rand
sie auf Hanno blickte, wie er näher kam. Aber
sie mußte den Blick unterbrechen; ihr Mann, dem
irgend etwas nicht zusagte, zog heftig ihren bloßen
Arin zu sich heran — sie erschrak und schlug mit
dem Fächerstiel nach seiner Hand, wobei sie ihn
ernst und von ganz weiter Entfernung aus ansah.
Und Hanno erhob sich wiederum; zum zweiten
Male ihretwegen. Sein Sekiglas fiel um, rollte
zu Boden, klirrte dünn und zersprang. Man sah
auf; aber und kümmert ging er auf den Tisch
zu, wo sie saß. Er meinte, daß dies ein Ende
haben müsse ....
Der Raum war voller Menschen, Gelächter
und übler Manieren. Nichts was an seidener,
in der Schneiderwerkstatt hergestellter Kultur auf
den Körpern saß, komrte den Ausbruch mehr
hemme». Die Frauen lagen verwerflich ge>chmiegl
in fremden Arnren. Eindringlich und krumm ging
ein schwarzer kleiner Mensch mit einem blonden
Fräulein unmilteibar an Hanno vorüber, schlechteir
Dunst verbreitend. Hier und da mhchte sich die
Kellnerschaft hinein, und Herren mit zerzausten
Hemdeinsätzen neigten sich zu einander, worauf
man in Gelächter verfiel. Jemand in Frack und
rotseidenen Strümpfen lag halb über dem Büfett,
hinter dem sich die Mamsell bewegte, aufgeregten
Haares, gelb, mit roten Augenrändern und ent-
setzlich grinsend. Zu allem spielte die Musik stoß-
weise und nutzer Atem, und von den Tischen
baumelnde Damenfüße schwenkten sich in, Takt...
Inmitten stand Hanno. Ein ekler Wall von
Menschen türmte sich auf; brach auseinander und
schleuderte ihn weit davon, fort von der jungen
blonden Frau.
Man war schon auf ihn aufmerksam geworden;
und in seiner . Umgebung fielen belachenswertc
Witze. Als er sich an einem fremden Tisch wieder-
fano, erhob sich plötzlich ein süß zurechtgemachtes
Mädchen unmittelbar vor ihm, und zwei nackte
Arme umhalsten ihn: Komm, du Einsamer! Da
(Schluß aut Seite 11)