Vis „IDsrrls"
Emilie erscheint in der Speisezimmertür, ver-
legen lächelnd an der Schürze zupfend.
„Ach. ich wollte doch 'mal die gnä' Frau fragen,
ob ich über Sonntag nach Pause könnt, Mciu
Vater kommt ans dem Felde zurück auf Urlaub,
ich habe ihn ein Jahr lang nicht gesehen."
Der Urlaub wird glatt gewährt, obgleich es
der Gnädigen garnicht recht in den Rahmen paßt,
aber „der brave Vaterlandsverteidiger auf Urlaub",
„Familie ein Jahr lang nicht gesehen!" das sind
Gründe, die Berücksichtigung verdienen.
Unsere Frau X. ist sebr patriotisch gesinnt, schickt
familienlosen Soldaten Feldpost-Pakete, klepperte
bereits zahllose Liebesstrümpfe zusammen, riß sich
sämtliche mottenangefrefsenen Decken und Teppiche
von der Seele und atmete erleichtert auf, als da-
nach die Bodenkammer so schön leer und geräu-
mig war.
Unlängst schlug sie mit einen, beglückenden Ge-
fühl der höchsten Selbstachtung, den, „Michael" von
Breslau am Tauenzienplatz einen so-Mark-Nagel
in den hölzernen Leib. Daß sie vorher eine halbe
Stunde lang auf der Schweidnitzerstraße auf und
ab promenierte, bis einige ihrer wohltätigkeits-
Damen auf der Bildfläche erschienen, tut wobl der
wohltätigkcit keinen Abbruch, denn 50 Mark bleiben
eben 50 Mark, und geopfert hatte sie diese doch
tatsächlich.
Also! Unsere Gnädige stürzte sich nach Emiliens
Abreise mit patriotischem Feuereifer in die finger-
verheerenden Arbeiten einer Küchenfee. Die ÜZnalen
der Niedrigkeit dieser Tätigkeit trug sie mit würde,
in dem Bewußtsein, dem Vaterland zu dienen.
Der Tag schien endlos; alles ging schief. An
allen Ecken fehlte Emilie, voll Befriedigung be-
merkte die abgesetzte vausfrau endlich, daß der
Abend sich herabsenkte und somit das Ende ihrer
Küchenfee-Tätigkeit in greifbare Nähe rückte; in
wenigen Stunden mußte Emilie zurückkehren. Aber
weit gefehlt! Emilie kam nicht, aber ein wert-
volles Lebenszeichen von ihr.
Telegraphisch teilte sie mit, daß sie erst morgen
eintreffen könne, da das Auto, das die Verbindung
zwischen Praußnitz und Gbernigk herstellt, schon
ohne ihre ziemlich beträchtliche Körperfülle voll-
ständig überfüllt gewesen wäre.
Am nächsten Morgen fuhr die abgemüdete
Pausfrau erschreckt aus den Kiffen und mit be-
wundernswerter Geistesgegenwart und Schnellig-
keit in den bereitliegenden Morgenrock.
Die Klingel schellte ohrenbetäubend. Durch die
Glasscheiben der Üaustür drohte unheilverkündend
das wütende Gesicht des Revier-Schutzmanns, der
sich in schnauzendem Ton beschwerte, daß die Straße
nicht gekehrt sei. 0), Tmilio! Sie fehlte überall.
Das war eigentlich die Arbeit des Pausmeisters.
Seitdem dieser auch ins Feld gerückt, war diese
Pflicht auf Emilie vererbt.
Also, drei Mark Strafe!
Kaum war Frau X. bis in die Küche ge-
kommen, um Kaffee für die zermürbten Nerven zu
brauen, da läutete es abermals. Diesmal grüßte
das freundliche Gesicht des alten Briefträgers durch
die Scheiben.
„Gnä Frau, eine Feldxostkarte an Frl. Emilie."
Karten darf jeder lesen, also:
„Liebe Tochter!
Schicke mir doch ; Pfund Tabak, ich habe
keenen mehr, auch Zigarren;, wenn Du kannst.
Schreib' auch der Muttel, daß mir's noch immer
sehr gut geht. Zu essen und zn trinken haben
wir reichlich. Die Adresse bleibt dieselbe.
Dein Vater."
Soooo! — Also alles, alles gemeinste Lüge!
Die ganze Plackerei war nicht fürs Vaterland,
sondern für ein verlogenes ....
Frau F. konnte nicht weiterdenken, sie kochte
vor Wut. Ein ganzes Gebäude stürzte in ihrem
Innern zusammen, gezimmert ans Patriotismus,
Menschenfreundlichkeit und Wohltätigkeitssinn.
Als die wogen der Empörung etwas abgccbbt
waren, wuchs auf denselben eine scharfe Lust, sich
an dem lügenhaften Küchen-Geschöpf zu rächen.
Als Emilie endlich glücklich mit hochrotem,
strahlenden Gesicht von ihrem Ausflug heimkehrte,
überschüttete Frau X. sie mit einem wahren Ma-
schinengewehr-Feuer von Fragen über ihren Vater,
und dieses alles im Beisein von sämtlichen Fa-
milienmitgliedern, damit diese Zeugen von Emiliens
Niederlage würden.
„Nun, Einilic, fanden Sie Ihren Vater gut
aussehend?"
„Ach, furchtbar abgenommen hat er, gnä Frau,
ganz mager ist er, ich habe ihn kaum wieder-
erkannt."
„pat Ihr Vater sich sehr gefreut. Sie wiedcr-
zusehcn?"
„Ach, zu sehr. Groß war seine Freude! wenn
man auch bedenkt, ein ganzes Jahr lang nicht
gesehn."
„Erkannten ihn denn die kleinen Geschwister
wieder?"
„Ach nee, das Kleinste hat garnicht glauben
wollen, daß es der Vater ist, so 'n mächtigen Bart
hat er bekommen. Direkt Angst hat es gehabt."
„wie lange hat er denn Urlaub?"
„Acht Tage, gnä Frau; dann gcht's wieder
zurück nach Rußland."
„Na, dann packen Sie sich zu Ihrem Vater
nach Rußland! Diese Karte schickt er von dort.
Tabak sollen Sie ihm schicken! Er erfreut sich der
besten Gesundheit in Rußlands Gefilden."
„Rrrrraus!" brüllte der Pausherr aus dem
Nebenzimmer. „Bei der Person läuft man ja
Gefahr, daß sie ganze Bände von Schwindel-
romanen in die Welt setzt, in denen einem mög-
licherweise noch eine Pauptrolle zudiktiert wird.
Ungekürztes Lohn bis zum Ersten, aber noch
heute: ,Kehrt, marsch!!'" Fr. t.-T.
Jua*tin
ärztlich empfohlen
bei
KonFekt
Darmträgheit
Stuhlverstopfung
Hämorrhoiden
überall erhältlich!
Laxin-KonfekHsiinOederreich unfer dem Namen „Loxigen ~zuhaben.
Man verlange ausdrücKlich"LdXin-KonfeKt"in der rot-we iss en Dose
AufKtärende Broschüre u. Gutachten gratis durch die
Pharmakon - Gesellschaft Chemische FabriK Frankfurt %.
Bel etwaiafen Bestellungen bittet man auf die Münchner ,hJUOEND“ Bezug zu nehmen.
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Emilie erscheint in der Speisezimmertür, ver-
legen lächelnd an der Schürze zupfend.
„Ach. ich wollte doch 'mal die gnä' Frau fragen,
ob ich über Sonntag nach Pause könnt, Mciu
Vater kommt ans dem Felde zurück auf Urlaub,
ich habe ihn ein Jahr lang nicht gesehen."
Der Urlaub wird glatt gewährt, obgleich es
der Gnädigen garnicht recht in den Rahmen paßt,
aber „der brave Vaterlandsverteidiger auf Urlaub",
„Familie ein Jahr lang nicht gesehen!" das sind
Gründe, die Berücksichtigung verdienen.
Unsere Frau X. ist sebr patriotisch gesinnt, schickt
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Stunde lang auf der Schweidnitzerstraße auf und
ab promenierte, bis einige ihrer wohltätigkeits-
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wohltätigkcit keinen Abbruch, denn 50 Mark bleiben
eben 50 Mark, und geopfert hatte sie diese doch
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sich in schnauzendem Ton beschwerte, daß die Straße
nicht gekehrt sei. 0), Tmilio! Sie fehlte überall.
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Pflicht auf Emilie vererbt.
Also, drei Mark Strafe!
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brauen, da läutete es abermals. Diesmal grüßte
das freundliche Gesicht des alten Briefträgers durch
die Scheiben.
„Gnä Frau, eine Feldxostkarte an Frl. Emilie."
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Innern zusammen, gezimmert ans Patriotismus,
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Als Emilie endlich glücklich mit hochrotem,
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