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Anton Schönmann (Schütze im Felde)

Unterstand in den Vogesen

Für meine Leiden goldigen Jungen

Ich habe daheim zwei goldige Jungen.
Gerhard Joachim heißt der eine.

Werner heißt der andere, der kleine.

Der kam mir immer entgegengesprungen,
Lauerte stundenlang vor dem Haus,

Bis er mid) sah. Dann schnell wie der Daus,
Trab, trab, trab,

Die Straße hinab.

„Werner, du Range, gib' doä) Acht."
„Pater, was hast du mir mitgebracht?"

Er wühlt in den Taschen
Rach „Etwas zum Raschen."

Das Päckchen Schoklade,

Den Napf Marmelade,

Er findet 's heraus
Noä) eh' wir zuhaus,

So gut 's auch versteckt.

Ei, wie er da schieckt!

Mein Erstgeborener ist schon groß,

Groß und schön,

Bald vierzehn Jahr.

Id) glaub' ihn immer nod) zu seh'n,

Wie bleid) er war,

Als id) Abschied nahm;

Wie ihm das Wasser in 's Auge kam, —
Wie bebte die Lippe, wie zuckt 's im Gesicht...
Aber geweint hat er nicht.

Er ist ja schon groß, beinahe ein Mann.
Ein ganzes Jahr seitdem verrann.

Tür mich oft toll,

Den Meinen voll

Von Hangen und Bangen.

Oft ist an mir vorbeigegangen
Der Schnitter Tod
Ganz nah, ganz nah,

Und schonte mich.

Wie 's weiter wird, das weiß nur Gott.
Nicht kümmert 's mid),

Es kommt ja doch, wie 's kommen muß.

Aber der Kampf wird durchgerungen
Bis zum Sd)luß

Für meine beiden goldigen Jungen.

Daß sie nid)t wieder in wenigen Jahren
Dieselben Schrecken wie wir erfahren.

Daß ungehemmt sie die Schwingen entfalten

Zu kühnem Fluge in stolze Höh'n

Und nid)t wie wir Alten

In eklem Streit

Wider Haß und Neid

Die besten Kräfte zersplittern seh'n.

Was mit mir wird, das weiß nur Gott.
Nicht kümmert 's midi,

Es kommt ja doch, wie 's kommen mutz.
Aber der Kampf wird durchgerungen
Für meine beiden goldigen Jungen
Bis zum Schluß.

Adolf Stark

„4o!“

Eigentlich hieß er ja nicht Nigges, sondern
rrtiiller oder Meier oder sonstwie prosaisch. Auf
einer Ausstellung aber halte einmal eine Abesi-
nierin „nigges" zu ihm gesagt (das ist nenabes-
sinisch und bedeutet eine starke Verneinung), und
wir nannten ihtt seit dieser Zeit „Nigges", weil
uns der Name gefiel. Ihm selbst gefiel er auch:

er sprach voti sich nur als von „dem Nigges",
in der dritten Person. —

Als der Krieg aurbrach, stellte er sich als Frei-
williger aus Vaterlandsliebe, Empörung und Aben-
teuerlust. Der Krieg war für ihn eilt Austoben
angesammelter Kräfte; Vorgesetzte gab es für
ihn iticht: nur Freunde, die manchmal mehr Schnüre
und Sterne hatteit.

Sie standen zwischen La Bassee und Loos.
Fm Schützengraben gegenüber lagett Turkos. Bis-
weilen schoß man, meistens aber lag über den
Gräben Ruhe, nervenzerreibende Ruhe. Der bjanpt-
maun schimpfte, der Leutnant schimpfte, und der
Gefreite Nigges schimpfte auch.

Da, eines Morgens tönte das erlösende Signal:
tatütata, tatütata, tatü—taaa—taaaa. Man stürmte
leuchtenden Gesichts.

Französische Artillerie trieb die eigenen Leute
aus den Schützengräben.

Nigges stand neben seinem Leutnant, als sie ins
Handgemenge kamen. Auf den stürzte sich, als er
gerade einen baumlatigen Schwarzen abwehrte,
heimtückisch ein sehniger Turko mit dctn Messer.

Nigges hob ein wenig den Kolben, schlug ihn
nieder und sagte: „So!" —

Das feindliche Grabenstück war erobert: der
Leutnant hatte nicht an Nigges vergessen und dem
ksauptmann alles erzählt.

Nigges war durch einen Streifschuß am Kopfe
verwundet, durfte aber zu feinem Stolze „beim
Truppenteile verbleiben."

Als der Arzt ihn eben verband, trat der lfaupt-
mann auf ihn zu: „Fch habe Sie zum Eisernen
vorgeschlagen: Sie haben Ihrem Leutnant das
Leben gerettet. Es hat zwar schon öfters einer
einem Turko auf den Deez geschlagen, aber ich
habe noch nie gehört, daß er ,So!‘ dazu sagte."

„So?!" sagte Nigges erstaunt. —

Als er mir dies erzählte, fügte er hinzu: „Ls
ist also immer gut, wenn man der natürlichen
Befriedigung über seine Taten Ausdruck verleiht."

I'ett'i' Xatro 11

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Anton Schönmann: Unterstand in den Vogesen
Peter Natron: So!
Adolf Stark: Für meine beiden goldigen Jungen
 
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