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Ich hin ein Licht . . .

Verloren ist das Land und ohne Laut.

Von Stille tief verschüttet und verhangen.

Die Sterne haben sich im müden Laub verfangen
Und senken sich mit ihm, zögernd und doch vertraut.

Dem Abgrund zu, der alles Sterben trinkt . . .

Auch mir ward Stille . . . Einsam wie ein Licht
Erhellt mich meine Kraft und fühlt es nicht.

Und will nicht fühlen, wie auch sie versinkt.

Und alle Wege, die ich jemals ging.

Sind fern und schattenhaft in diesen Stunden.

Und alle Wünsche hab ich überwunden . . .

Ich bin nur ich, geschlossen wie ein Ring,

Bebend in einer starken, stummen Glut. —

Die Nacht umfängt mich . . schweigsam . . starr und grof,
V/ie Dunkelheit nach ungezählten Tagen.

Ich bin ein Licht und brenn’ in meinem Blut.

Sonst weil? ich nichts. . . . Vielleicht ein seltnes Klagen.
Dal? ich so fremd bin und so sehnsuchtslos. . . .

ANNIE HARRAR

Bon IN. 3yctj*)

General Rozlucki sich würdig auf seinem Feldstuhl. Dieser Stuhl
(die bewegliche Habe des Geometers Knopf) befand sich genau in der
Milte des ausgebreiteten Teppichs, der für gewöhnlich über deni Bette
meiner Mutter hing. Am anderen Ende des Waldfeuers saß ganz zu-
sammengeknickt und mürrisch, in einen bis zu den Fußspitzen reichen-
den Regenmantel wie in ein bewegliches Zelt gehüllt, der soeben er-
wähnte Geometer Knopf auf einem Baumstumpf, der mit rührender
Genauigkeit mit einem Plaid bedeckt war. Neben ihm kauerte, recht
unbequem, in den zackigen Asten eines vom Sturm entwurzelten Baumes,
den der Leibjäger herbeigeschafft hatte, der Unterförster Gunkiewicz.
In den Händen hielt er mit großer Sorgfalt ein Glas Arrak, in das
er des Scheines halber zwei Löffel Tee hineingoß. Weiter faßen neben
einander der Gemeindefckreiber Olszakowski imd der alte Dorf-Schulze.
Mein Bater, der als Waidmann mit dem Walde gut vertraut war,
lag halb auf dem Boden, und ich stand überall da, wo man mich
nicht brauchte.

Der verabschiedete General Rozlucki, Generalbevollmächtigter
eines der am reichsten beschenkten Donatare, war soeben auf eineni der
Vorwerke angekommen, das feit jeher mein Vater in Pacht hatte. Da
infolge eines Ukas ein Grund- und Bodentausch vorgenommen wurde,
sollte er einen großen Teil des Waldes dem Gntshof Anteilen.
Das Walddreieck, das zugeteilt werden sollte, war fast schon abgesteckt.
Der Geometer Knopf, der seit einer Woche bei uns „zu Gaste" war
und allen unsagbar lästig fiel, hatte endlich „die Linie" abgegrenzt,
und die gemieteten Holzhacker wirtschaftete» schon in dem alten, dunklen
Walde. Der Generalbevollmächtigte, der auch schon seit drei Tagen
auf dem Borwerk sich aufhielt, wollte so schnell wie möglich meinem
Bater in Anwesenheit der Lokalbehörden den zugeteilten Wald über-
geben. Zwei Bauernkolonnen hackten an zwei entgegengesetzten Enden
und näherten sich immer mehr. Man hoffte, die Sache vor Sonnen-
untergang zu erledigen.

Unterdessen brach die stumme Nacht herein und die Linie war
immer noch nicht ganz abgeüeckt. Auf alle Fülle beschloß der General,
morgen abzureisen. Die Beaniten wollten auch möglichst bald ihre
Tätigkeit beenden. Man kam deshalb überein, die ganze Nacht zu
arbeiten.

Ganz dicht am Waldesrand legte man ein Feuer mi; von dem
nicht weitab gelegenen Gulshaus wurde das Abendessen gebracht, —

*) Die Novelle behandelt eine kleine Episode auS dem polnischen
Aufstand 1830/31. Der Dichter, Stefan Zeromski (Pseudonym
Ai. Zych), kämpft zur Zeit mit den polnischen Legionen.

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Max Hagen j
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