I,eiligen Schwur getan? Du tust vom Regiment
weg zum Feind übergelaufen. Ist es wahr oder
nicht?‘
,Es ist wahr?
„Zusammen mit anderen Verrätern hast Du
die Armee deines Herrschers hinterlistig überfallen,
Du hast die'Verräter geführt, übermitteltest ihnen
die gefährlichsten Befehle, Du zeigtest ihnen, wo
und wann sie angreifen sollten. Ich selbst habe
Dich heute nachts im Kampf mit den Soldaten
Deiner eigenen Rotte gesehen. Ist das wahr oder
nicht?'
,Es ist wahr?
,Wenn das alles wahr ist, dann unterstehe
Dich nicht hier, uns anständige und treue Soldaten
mit Deinen stolzen Blicken zu messen! Du stehst
vor dem Tribunal gerechter Richter. Dein eigener
Oheim hält Gericht über Dich! Wende die Auge»
weg und ducke Dich, Du Verräter und Schuft!'
Daraufhin er: ,Ich stehe vor Gottes Gericht.
Du aber richte mich nach Deinem Gutdünken, wie
es Dir beliebt?
Schtschukin setzte sich. Abstimmung. Zwei
Stimmen waren für sofortige Hinrichtung —
Schtschukin rmd von Tauwetter — zwei für die
Überführung unter starker Bewachung ins Ge-
fängnis nach Kieles. Ich muhte also entscheiden.
Na, und ich habe entschieden. . . ." Er sprach
ganz leise und nickte traurig mit dem Kopf. „Er
sollte herausgeführt werden. Iewsiejeuko meinte,
er hätte vielleicht noch einen letzten Wunsch. Ich
gab ihm das Wort. Da schaute er mich an mit
seinen abgrundtiefen Augen. Er durchbohrte mich
mit seinen Blicken. Wir standen alle um den
Tisch herum. Er kam ganz nahe heran. Er
schaut mir in die Augen, ich in die seinen. Wie
zwei Pistolenläufe auf mich zielend .... Endlich
fing er an, streng und befehlend, ich entsinne mich
dieser Worte genau: — ,Hier, in meiner Todes-
stunde, befehle ich. und das ist mein fester, mein
letzter Wille, daß mein kleiner sechsjähriger Sohn
Peter als Pole aufgezogen wird, so wie ich einer
bin. Ich befehle es, ihm beizubringen, selbst wenn
es gegen die Überzeugung des Erziehers sein
sollte, stets so. zu handeln, wie sein Vater, und
auszuharren allem bis ans Ende. Ich befehle
mit stummer Stimme, die er nie nrehr ver-
nehmen wird. Er soll für sein Vaterland ar-
beiten, und wenn nötig soll er für sein Vater-
land sterben, ohne ein Zucken der Furcht, ohne
Leid und Klage, so wie ich. Na — das ist alles?
Er salutierte.
Er wurde herausgeführt.
Der Tag brach an. Ich ging in den
Alkoven, wo ich diese Nacht schlafen sollte.
Ich machte das Fenster auf. Morgengrauen.
Ein stiller Morgen.— Auf der anderen
Seite der Straße gruben sechs Soldaten rasch
ein Grab im Sand. Ich ging ins Innere des
Alkovens zurück. Wandte mich mit dem Ge-
sicht gegen die Wand. Herr des Himmels. ...
Es war schon ganz hell, als ich wieder ans
Fenster zurücktrat. Ich konnte schon alles
in Ruhe überschauen. Auf einem Haufen
Sand, von zwölf Soldaten, Gewehr bei Fuß,
bewacht, saß er, mit der einen Seite mir zu-
gewandt ruhig da. Den Uniformrock der Auf-
ständischen hatte man ihm schon herunter-
gezogen. Er saß im Hemd da. Auf der Brust
war es aufgeriffeu. In den gefalteten Händen
hielt er zwischen seinen Knien eine kleine
Photographie seines Söhnchens. Den Kopf
gesenkt, die Haare wirr auf der Stirn, die
Augen auf die Photographie geheftet.
Eine Kompagnie Soldaten von seiner eige-
nen Rotte bog um die Ecke des Wirtshauses
und rückte an. Ihm gegenüber stellte sie sich
auf. Von Tauwetter führte. Soldaten —
Gewehr bei Fuß. Stillgestanden. Still. Es
verging ein Augenblick, ein zweiter, ein
dritter .... Ich. — ich warte. Ich warte
auf Tauwetters Kommando. Nichts. Still.
Nichts. Ganz still. Tauwetter bringt kein
Wort über die Lippen. Jener faß immer
noch da, in das Bild vertieft. Ich glaubte schon,
er wäre so sitzend vielleicht gestorben. Eine
Minute lang war es mir ein Trost. Ich warte.
Da, auf einmal erhebt er sein Haupt wie eine
tausend Zentner schwere Last. Er erhob sich und
stand nun auf dem Sairdhaufen aufrecht. Die
Füße versanken in dem lockeren Boden. Gleich
richtete er sich auf, paarmal drehte er sich um,
schob die Haare von der Stirn zurück und schaute
die Soldaten an. Na, Gott sei Dank, endlich
verzerrte sich wieder sein Gesicht. Der Stolz und
die Verachtung, die er vor Gericht bewahrt hatte,
traten wieder auf seine Züge. Ich sah es genau,
wie es in seine ganze Gestalt drang, ins Gesicht,
in die Augen, auf die Stirne. Überglücklich war
ich, daß er so, gerade so, stolz und voll Verach-
tung . . . Daß ein Rozlueki ... Ich fühlte es,
wie er mit einer unglaublichen Willenskraft sich
in eine starre Leiche verwandelte, ohne ein Zucken.
Wie er zu etwas ganz Anderem, Fremdeur wurde.
Zu seinen Soldaten sich wendend, sagte er laut:
,Gut Glück, Kameraden!'
,Gut Glück, Euer Gnaden!' brüllte die ganze
Kompagnie wie ein Mann.
Iewsiejenko trat heran, um ihm die Augen zu
verbinden. Mit einem Blick stieß er ihn zurück.
Der Feldwebel entfernte sich. Da preßte er das
kleine Bild an fein Herz und schloß die Augen.
Verklärt lächelnd öffnete er die Lippen . . . Ein
wunderbares Lächeln war es. Auch ich schloß die
Augen . . . Krampfhaft drückte ich mich au die
Wand . . . And warte . . . warte, warte. Endlich
— krach!"
Der Geometer Knopf nahm seine Mütze ab
und flüsterte mit trockenen Lippen irgend etwas
unverständlich vor sich hin. Gunkiewicz machte
sich mit einem Haken in der Feuerasche zu schaffen,
als ob er die vielen Trinkertränen, die aus seinen
Augen flössen, darin vergraben wollte.
Es wurde unheimlich still. In den Bergen
und Wäldern ertönten ferne Echos und ver-
klangen bald . . .
Endlich wandte sich der Gemeindeschreiber an
den General mit der Frage: „Euer Gnaden, Herr
General, wenn ich fragen darf, wo ist denn jetzt
eigentlich das kleine Söhnchen, der damals sechs-
jährige Peter?"
„Was schert Dich das, wo er jetzt ist?" ant-
wortete ihm der General schroff und barsch.
„Ich wäre halt sehr neugierig, ob der Befehl
und der letzte Wille jenes Aufständischen auch er-
füllt wurden."
Max Berlin lli
„Das geht Dich gar nichts au, und unterstehe
Dich nicht, mich darnach zu fragen, hörst Du!"
„Ich wußte ja auch gleich Bescheid," antwortete
der Gemeindeschreiber, mit unverschämter Ironie
und schelmisch, den alten General scharf anblickend.
„Ich wußte ja auch gleich Bescheid, daß über diesen
Deinen letzten Willen, mein lieber Hauptmann
Ripuwid, der Teufel sich schief gelacht hat."
(Aus dem Polnischen übertragen von A. v. Guttry.)
Licbc Jugend!
Porr Krause hat seine im Felde stehenden
Freunde fleißig mit Zigarren bedacht. Da er
jedoch den Kreis etwas weit zog, mußte die Güte
unter der Menge leiden. Neulich kommt einer
der Freunde wegen einer Verwundung heim auf
Urlaub. Das Wiedersehn verursacht natürlich
große Freude. Herr Krause holt einen guten
Tropfen aus dem Keller, der dankbar angenommen
wird. Nur bezüglich der Zigarre besteht der Feld-
graue darauf, das von ihm mitgebrachte Kraut
zu rauchen und verschmäht, aus der angebotenen
Kiste Importen zu wählen. Bei Frage und Be-
richt verfließt rasch die Zeit. Da spricht plötzlich
Herr Krause:
„Nimm es mir nicht übel, aber Du verstän-
kerst mir nun schon eine geschlagene halbe Stunde
die Luft. Jetzt lege einmal den Stiukbolzeu da
weg und brenne Dir eine von meinen Zigarren an."
„Aber was willst Du nur, lieber Freund?
Ich rauche doch eine von Deinen Zigarren, die
Du mir hinaus geschickt hast."
Die Mutter begleitet den kleinen Paul zum
Zahnarzt des Städtchens. Unterwegs sagt sie zu
ihrem Jungen: „Der Herr, zu dem wir jetzt gehen,
hat eine recht große Nase, nun sei recht lieb und
mache keine ungezogene Bemerkung darüber, das
rate ich Dir."
Paul sitzt denn nun mäuschenstill auf seinem
Operationsstuhle und betrachtet kritischen Blickes
den Zahnarzt, der am Nebentische hantiert, plötz-
lich ruft er laut und vernehmlich: „Du, Mutti,
so groß finde ich die Nase gar nicht."
Fritzl bekam zu Weihnachten eine Eisen-
bahn, deren Wägeir einzeln in Schachteln auf-
bewahrt werden. Wie er darnach zum ersten-
mal in den Bahnhof kommt, sagt er ganz er-
staunt: „Da müssen f aber viele und große
Schachteln haben."
Therapie
Ein Dorf in Russisch-Polen. Mehrere Offi-
ziere beim Frühstück vor der Haustür. Ein
„Pauje" mit „bösem Fuß" wird dem Doktor
gemeldet. Er naht mit abgezogener Mütze,
großes Seiden in den Mienen. Da der Doktor
gerade im Hausflur mit der Abfassung eines
wichtigen Protokolls beschäftigt ist, übernimmt
die Behandlung der Oberleutnant, vom Kran-
ken fällt hülle und Fülle, zuletzt das „Douglas
Hemd" (?— „Ich Hab es getragen sieben Jahre").
Diagnose: Krampfadern. DerDokiorbrummt
vom Schreibtisch aus: Elastische Binde oder so-
was. Er hätte aber keine. Irgend was muß
er kriegen, meint der Oberlentnant, geht ins
Haus und bringt ein mit „Kurfürst" und
„Angostura" getränktes Stück Zucker.
Der Pauje erholt sich zusehends, seitdem
mehrt sich die Praxis des Oberleutnants. Er
will aber heute in der nächsten Apotheke Asa
foetida oder sonst was suchen. Die Praxis
wird zu groß.
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