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Serrtett, ftieg, wie eine Flamme so warm, eine
innig wallende Regung, und aus dieser Regung,
die er heftig ausblies, mit rohem ungläubigem
Atem, endlich eine unerbittlich drängende Neu-
gier: Hinab! Laufe hinab! Vielleicht lebt sie noch!
Vielleicht ist sie da! Vielleicht . .. ?! Hub, wenn
ouch nicht . . . aber: Hinab! Laufe hinab!

Aber er widerstand! Er widerstand! Er lächelte.
Morgen mittag ging es wieder zurück in die Stadt!
-7 Weiter ging er. Der Rain verlor sich nun in
einen Schluchtweg. Hinter der Schlucht lagen
Höfe. Er kannte sich jetzt genau aus. Ganz
langsam schritt er; ganz langsam. Es kam ihm
letzt vor, als ob seine verhüllte Seele sich nun
mit jedem Schritt bereitwilliger öffnete. Alles, ihr
Geheimstes, kam nun aus ihr heraus, ohne sein
3ntu». Und er nahm es in die Hände und be-
>ah es. Oft blieb er jetzt stehen, damit er es ge-
nau sehen könne, und damit es auch die ganze
Heimat sehe. Das hatte er mitgebracht! Nicht
'lnglück; denn die Unglücklichen tragen Gottes
licfsten Strahl in sich, sie ringen mit ihm! Aber
Neid! Neid! Neid! Neid! Da, die stillet»
Felder dankten dem Schöpfer willig die Ernte!
Da, die Wolken oben, seines Willens sich freuend,
priesen ihn! Da, die unwissenden Menschen in
"er schmutzigen Hütte, schliefen begnadet, ein Gebet
Swischc,, fee» gefalteten Händen, einen Tag vor
auf den sie sich freuten; und einen hilfreichen
Nachbar hinter dem nächsten Fenster!

Er aber ....

Auf einem Ackerland liest er sich nieder. Zum
ü'tztenmal. Gebeugt, erschüttert. Grau. — Er
f^er, ... er hatte kein Gebet im Herzen, keinen
-£ag vor sich, Kein gutes Werk in den Taschen,
" - - und ....

Da schost er, wie aus der Erde getrieben, auf:
und auf der ganzen Welt keinen einzigen Men-
Ichen, der ihn liebte!

. Wahnsinnig, bewusttlos, ohne noch einen ein-
Jigen Gedanken zu denken, stieg er aus der Erde,
lannte den Weg zurück, bis zun» Raine, über de»
Nam hinaus, die Wiesen hinab, hinab, hinab, dem
Dause zu, wenn sie da wäre! wei»n sie sich nicht

vergeudet hätte! oder wem, auch sie sich vergeudet
hätte, aber ebenso ein Bettler wäre, wie er!. ..

Der Schwelst ran» ihm von der Stirne. Ein
Hund sprang vor dem Hause ihn an. Er nahm
es wie eine Liebkosung. Packte den Hund am
Halsband, zerrte ihn bis vor das Tor, vor dem
Tor empfand er plötzlich, daß er seit Mittag ge-
laufen war, eine ungeheure Müdigkeit wollte ihm
die Kniee brechen, das Herz hämmerte zum Sprin-
gen, er legte die Hand darauf, nahm sie wieder
weg, pochte am Tor.

Und nun — atemlos, atemlos, atemlos —
wartete er, ob Jemand käme, zu öffnen.

Aber es kam Niemand!

Und der Hund schrie a>» seiner Hand.

Da pochte er nocheinmal.

Und, siehe: da ward geöffnet! Er starrte in
einen Lichtschein, er wurde aschfahl, er liest den
Hund los, — stauunelnd fragte er: „Zst.... ist
Zemand.... da?"

Dam», ohne zu wissen, daß er Antwort bekom-
men hatte, und welche er bekommen hatte, schlürfte
er taumelnd den Flur durch, auf eine Tür zu, die
am Ende des Flurs in der Mauer stand, — „ist"
fragte er vor dieser Türe heiser, nochmals, „ist..?"

Aber da erstarrte er: Die Tür war aufgegangen,
sperrangelweit, er sah in eine helle Stube, und in
der Stube saß. . .

Wie ei» Steil» stand er da!

Eine Minute verging, Ewigkeit, wie zwischen
Geben und Tod so bang; dann fiel ein Tisch, oder
eilt Stuhl, und noch etwas fiel, es klirrte und
klingelte; und dam» gellte ein Schrei, wie aus
Kerkern, die jäh geöffnet werden . . .: „Thomas!"

Und nocheinmal: „Thomas! Thomas!"

Und dann nocheinmal wieder: „Thomas!
Thomas! Thomas!" —

Und da, endlich, da erwachte er. Wie in der
Schnelligkeit eines Blitzes ging über das gespenster-
hafte Gesicht ei>» reistendes Licht, die Augen wur-
de» ihn» riesentveitoffen wie vor einem Wunder,
die Brust, als ob tausend eiserne Panzer von ihr
fielen, wölbte sich und erbebte, er wollte auf die
Fauchzende zustürzen, hatte die Arme schon aus-

gebreitet, — aber vermochte es nicht! Wie eil»
Ohnmächtiger sank er in den Sessel »lieber, die
Arme schlugen auf den Tisch, das Haupt fiel auf

die Arme.so, während die Jauchzende, in

taufenb Tränen zitternd, ihn umfing, begann er
wie ein Kind zu weinen.

*

Rindermund in großer Zeir

In den Stadtanlagen spielt ein herziges Büb-
Iciit, dessen Kleidung wohl erkennen läßt, daß in
der Familie Trauer herrscht, in seinem lustigen
?picl jedoch liegt die ungetrübte Freude der won-
nigen Kinderzeit.

Ich schaue ihm lauge zu und als er einmal
ga»»z nah an mir vorbeitollt, erhasche ich ihn bei
seinem Ärmchen und da zeigt es sich, daß der Kleine
auch nicht leutschcu ist. Frohgemut lacht er mich au.

Ich weiß uicht, wie ich dazu kam — ich frug
ihn, was fein Vater fei?

Da schaut er mich groß und ernst an, und
wichtig sagt er zu mir: „Mein Papi ist ein ge-
fallener kfeld!" Heinz Scluiiid-I>iiiisch

(Orientierung

„I Ief nia a Zeitung!"

„Nacha woaßt ja net, ob Überhaupts uo
Kriag is!"

„Dös sichg i scho am B»e r p r e i s!"

Englisches wund - Pflaster

Die „Tii»»es" beschäftigen sich mit »mserm
großen Heerführer Hindenburg. Sie beweise»»
klar und bündig, daß er mit seine»» Siegen unsere
Armee noch zugrunde richten wird, und können
nicht begreife», wie man ihn so frei gewähre» läßt.

Die „Times" haben recht. Wir begreifen auch
nicht, daß man Hindenburg so frei herumlaufei» läßt.
Wir können ihr verraten, dah er in Hannover
immer an der Leine war. Hnei-bc

c

Bei etwaigen Bestellungen

Bittet man auf di© Mü nclnier „JUGEND“ zu neliiiieu.

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Register
[nicht signierter Beitrag]: Orientierung
Heinz Schmid-Dimsch: Kindermund in großer Zeit
Haerbe: Englisches Wund-Pflaster
 
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