Liebe Jugend!
(Es ist Besichtigung eines preußischen Infanterie-
Regiments. Den markierten Feind stellt das mit
dem preußischen Regiment in der Brigade stellende
sächsische Regiment.
Ein Zug des preußischen Regiments unter
Leutnant X. liegt mit in vorderster Linie. Gegen-
über, ;200 Meter weit weg, an einem Waldrand
liegt der Feind — die Sachsen. Da bemerkt der
Leutnant, daß drüben mit Winkerflaggen gewunken
wird. Er sagt dem neben ihm liegenden Entfer-
nungsschätzer und winkergefreiten:
„Gefreiter S., paffen Sie genau auf, was dort
drüben gewunken wird!"
Nach einiger Zeit angestrengten Schützens kommt
aus des Gefreiten, eines Rheinländers, Mund der
verzweifelte Ausruf:
„Herr Leutnant, wat die winken, kann ich nit
verstonn, die winken nff Sächsisch."
Die Kcmkumnj
(Der Dichter)
Mit „Vierzig" noch ist er ein Tropf wie alle,
Kaum würdig zu stehn in des Borhofs Halle.
Mit „Fünfzig" ist er ein kleines Lichtchen,
Mit manchem wirklich gutem Gedichtchen.
Mit „Sechzig" läßt man ihn endlich gelten
Mit artigem Lob und grimmigem Schelten.
Mit „Siebzig" aber preist man ihn ehrlich.
Er ist ja verbraucht und ungefährlich.
Maximilian fubrmarm
F. R. Schwemmer
Fort mir den Fremdwörtern!
„möchten Sie nicht mit mir soupieren
geh'», Fräulein?"
„Schämen Sie sich, als Deutscher französisch
zu reden! Aber mitgch'n tue ich."
„Fremdenökatt, -ALendausgake..
„Fremdenblatt, Abendausgabe.. ,, Fremden-
blatt, Abendausgabe..." immer drängender bahnt
sich die grelle Stimme der am Kantstein, gegen-
über dem Hauptbahnhof stehenden Zeitungsfrau
durch's Gewühl der aus den Kontoren und Ge-
schäften heim strömenden Menschen. „Fremden-
blatt, Abendausgabe ..Not und zugleich for-
dernde Bitte klingt aus der Stimme und guckt
ans dem müden, abgehärmten Gesicht, doch ach-
tungslos eiten die Leute vorbei, jeder hat genug
mit sich selbst zu tun.
„Fremdcnblatt. ..", gequälter tönt der Ruf
durch's Gedränge und sie redet diese Stimme:
„Kauf mir doch eines ab, seht, ich habe noch so
viele und muß doch auch verdienen." Ab und zu
geht eine Zeitung weg, doch der Vorrat scheint der
Frau heute garnicht geringer zu werden, so schlep-
pend langsani geht der Verkauf. Der Zeiger der
Bahnhofsuhr rückt unerbittlich weiter und weiter
vor, der Menschenstrom flaut allmählich ab, aber
sie muß doch noch Zeitungen verkaufen, sie kann
doch unmöglich den ganzen Stapel nachbehalten,
und wieder irrt die suchende Stimme durch den
Straßenlärm „Klingling" bimmelt die Bahn dazu.
Bei jedem Tritt nickt der vorübertrottende Drosch-
kengaul mit dem Kopfe, als wollte er sagen:
„Ja, ja, schwere Zeit." Mit stets gleichbleibender
Freundlichkeit überleuchten die elektrischen Bogen-
lampen die Straße.
„Mutti", — ein halbwüchsiger Zunge konimt
gesprungen, Freude strahlt ihm aus den braunen
Augen: „alle verkauft", und er händiczt der Mutter
einiges Geld aus. Doch er sieht die vielen Zei-
tungen der Mutter. Schnell nimmt er den größten
Teil und springt wieder fort „Fremdenblatt, Abend-
ausgabe ..."
Es ist spät geworden. Bon der Zakobikirche
hat es bereits Zehn geschlagen. Einzelne ver-
spätete Fußgänger eilen noch vorüber. Sie lachen
und scherzen und haben nicht Acht der Rot am
Wege,
„Fremdenblalt., ." irrt die Stimme durch die
Abendstille und verfängt sich im Geklingel der
Bahnen und im Autogetute. Der Junge kommt
mit einem Teil der Zeitungen zurück und sieht
der Mutter verzagt iu's Gesicht. Doch ein liebes
Lächeln gleitet der Frau über die Züge, indem
sie dem Knaben über's Haar streichelt.
Während die beiden Menschen heim gehen,
tönt mir noch lange durch die Straßenstille die
rufende Stimme der Frau nach. €)la Ba'gmann
TR.UJTFR.EI
Bel etwaigen UestelluuBeu bittet man auf die Münchner „JUGEND“ Bezug au nehmen.
n
(Es ist Besichtigung eines preußischen Infanterie-
Regiments. Den markierten Feind stellt das mit
dem preußischen Regiment in der Brigade stellende
sächsische Regiment.
Ein Zug des preußischen Regiments unter
Leutnant X. liegt mit in vorderster Linie. Gegen-
über, ;200 Meter weit weg, an einem Waldrand
liegt der Feind — die Sachsen. Da bemerkt der
Leutnant, daß drüben mit Winkerflaggen gewunken
wird. Er sagt dem neben ihm liegenden Entfer-
nungsschätzer und winkergefreiten:
„Gefreiter S., paffen Sie genau auf, was dort
drüben gewunken wird!"
Nach einiger Zeit angestrengten Schützens kommt
aus des Gefreiten, eines Rheinländers, Mund der
verzweifelte Ausruf:
„Herr Leutnant, wat die winken, kann ich nit
verstonn, die winken nff Sächsisch."
Die Kcmkumnj
(Der Dichter)
Mit „Vierzig" noch ist er ein Tropf wie alle,
Kaum würdig zu stehn in des Borhofs Halle.
Mit „Fünfzig" ist er ein kleines Lichtchen,
Mit manchem wirklich gutem Gedichtchen.
Mit „Sechzig" läßt man ihn endlich gelten
Mit artigem Lob und grimmigem Schelten.
Mit „Siebzig" aber preist man ihn ehrlich.
Er ist ja verbraucht und ungefährlich.
Maximilian fubrmarm
F. R. Schwemmer
Fort mir den Fremdwörtern!
„möchten Sie nicht mit mir soupieren
geh'», Fräulein?"
„Schämen Sie sich, als Deutscher französisch
zu reden! Aber mitgch'n tue ich."
„Fremdenökatt, -ALendausgake..
„Fremdenblatt, Abendausgabe.. ,, Fremden-
blatt, Abendausgabe..." immer drängender bahnt
sich die grelle Stimme der am Kantstein, gegen-
über dem Hauptbahnhof stehenden Zeitungsfrau
durch's Gewühl der aus den Kontoren und Ge-
schäften heim strömenden Menschen. „Fremden-
blatt, Abendausgabe ..Not und zugleich for-
dernde Bitte klingt aus der Stimme und guckt
ans dem müden, abgehärmten Gesicht, doch ach-
tungslos eiten die Leute vorbei, jeder hat genug
mit sich selbst zu tun.
„Fremdcnblatt. ..", gequälter tönt der Ruf
durch's Gedränge und sie redet diese Stimme:
„Kauf mir doch eines ab, seht, ich habe noch so
viele und muß doch auch verdienen." Ab und zu
geht eine Zeitung weg, doch der Vorrat scheint der
Frau heute garnicht geringer zu werden, so schlep-
pend langsani geht der Verkauf. Der Zeiger der
Bahnhofsuhr rückt unerbittlich weiter und weiter
vor, der Menschenstrom flaut allmählich ab, aber
sie muß doch noch Zeitungen verkaufen, sie kann
doch unmöglich den ganzen Stapel nachbehalten,
und wieder irrt die suchende Stimme durch den
Straßenlärm „Klingling" bimmelt die Bahn dazu.
Bei jedem Tritt nickt der vorübertrottende Drosch-
kengaul mit dem Kopfe, als wollte er sagen:
„Ja, ja, schwere Zeit." Mit stets gleichbleibender
Freundlichkeit überleuchten die elektrischen Bogen-
lampen die Straße.
„Mutti", — ein halbwüchsiger Zunge konimt
gesprungen, Freude strahlt ihm aus den braunen
Augen: „alle verkauft", und er händiczt der Mutter
einiges Geld aus. Doch er sieht die vielen Zei-
tungen der Mutter. Schnell nimmt er den größten
Teil und springt wieder fort „Fremdenblatt, Abend-
ausgabe ..."
Es ist spät geworden. Bon der Zakobikirche
hat es bereits Zehn geschlagen. Einzelne ver-
spätete Fußgänger eilen noch vorüber. Sie lachen
und scherzen und haben nicht Acht der Rot am
Wege,
„Fremdenblalt., ." irrt die Stimme durch die
Abendstille und verfängt sich im Geklingel der
Bahnen und im Autogetute. Der Junge kommt
mit einem Teil der Zeitungen zurück und sieht
der Mutter verzagt iu's Gesicht. Doch ein liebes
Lächeln gleitet der Frau über die Züge, indem
sie dem Knaben über's Haar streichelt.
Während die beiden Menschen heim gehen,
tönt mir noch lange durch die Straßenstille die
rufende Stimme der Frau nach. €)la Ba'gmann
TR.UJTFR.EI
Bel etwaigen UestelluuBeu bittet man auf die Münchner „JUGEND“ Bezug au nehmen.
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