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Die LeksenLurg Tirok

Wo himmelsnahe Fels und Firn
Der Sonne Flammen tragen,

Wo Gletscherstirn an Gletscherstirn
Seit Urzeit blendend ragen,

Da hat uns Gottes Faust getürmt,
Vom eisigen Hochwind jah umstürmt,
Tie Felsenburg Tirol!

Graniten ist der Veste Tor',

Graniten sind die Mauern,

Granitne Riegel schieben vor
Die Bürger und die Bauern.
Vergebens schielt der Wälschc scheel
Voll Neid nach Habsburgs Kronjuwel,
Der Fellenburg Tirol!

Von steilen Karen schroff und wild.
Wo stolze Adler wohnen.

Da brüllen rings zu Wehr nnd Schild

Die Schlünde der Kanonen

Gan; Ostreichs Völker treu vereint,

Sie schirmen wider jeden Feind
Die Felsenburg Tirol!

Es äugt der Schützen Spaherblick
Aus tausend engen Scharten,

Die walsche Hinterlist und Tück'
Todbringend zu erwarten!

Und kam' von Feinden eine Welt,

Zu Füßen lagen sie zerschellt
Der Felsenburg Tirol!

Rudolf Grein;

tzochgebirgs-Krieg

Bon Alois Dcnglcr

Der Sturm, der den ganzen Nachmittag an
der Slarnerhülle rüttelte, hatte sich gelegt. Ein
kalter, klarer Winterabend war gefolgt. Noch
ragen die Zacken des Starnerkofels gespenstig in
den Abendhimmel. Drüben die welschen Berge,
scharf konturiert, in blaßvioletter Färbung. —

Vier Männer steigen langsam, mit vorsich-
tigem Schritt über die Reiße, einem steilen Kamin
zu, die Gewehre und Pickel quer über den Rücken.

Der Wüdbach rauscht. —

Von fernher kurzes, Helles Bellen, gleich wil-
den, hungernden Hunden. Die Welschen schießen.
* * *

Sternklarer Hochgebirgsmorgen.

Unten die Slarnerbütte, noch in das Dunkel
der Nacht geküllt, oben das Plateau im Däm-
merlicht erglänzend. An der voui Plateau auf-
steigenden Wand lehnen vier Männer unb halten
Ausjchau. —

„Heinz, weard'ns no kimma? . . ."

„S'ischt wohl mögt!', wir weard's derwart'n!"

Der mit Heinz Angesprochene ist Führer der
kleinen Patrouille. Ein prächtiger Mensch
Echlaitk. Edel und kraftvoll jede Bewegung.
Das adlerkübne Gesicht von eineni blonden
Kriegsbart umrahmt. Mit hellen klarblickenden
Augen. Dabei verschlossen und wortkarg.

HILFSPLATZ Ferd. Staeger (Kriegsmaler)

Wenn es galt, den Welschen ein Stück zu
spielen, war Heinz dabei. Alle wußten es, wenn
er's nicht machte, brachte es keiner zustande. Und
heute gilt es, eine am Vortag nachmittag gegen
Fort.... aufgestiegene Erkundungspatrouille ab-
zufangen. die über die Höllenwand absteigen muß.

Die Sonne war am Aufgehen. —

Bon fernher wieder das kurze, helle Bellen,
übertönt vom dumpfen Grollen der Geschütze. —

Des Feindes Morgcngruß. —

* * *

„Dear Welsche ischt guat bei Schtimm heut';
's ischt völlig a Freud' zun Zuahör'n," meint
Sepp, der zweite Begleiter.

„Woann aoner grob a wengl mit tan kunnt,"
sagt der dritte, ein Grenzler.

„Und derweil warl'n müass'n Stund auf
Stund," der vierte.

„'s scheint nit weit zum fehl'n, mir ischt als..."

„Sepp — paß auf — hascht nit g'hört?..."

Da prasseln Steine nieder, — krachend und
polternd. Ein entsetzliches Geräusch, — ein gel-
lender Schrei — Stöhnen und dumpfes Auf-
schlagen, sich in die Tiefe verlierend. — Dann
wird es wieder still. —

„Mar' and Joseph, do ischt epper lei an Un-
glück g'schegn an dera Höllwand!"

„Duckn, Monnaer, d' Katzlmocha," ruft Heinz.

Die Bier liegen hinter einem großen Block
gut gedeckt und spähen vorsichtig aus. Noch ist
nichts zu sehen. Sie liegen still, das Gewehr im
Anschlag und warten. Das erste Licht der Sonne
leuchtet auf den Gipfeln ringsum auf; es wird
hell. Nebel, die unr die Starnerwand lagern,
zerreißen und geben freien Ausblick. Ein nerven-
peitschendes Bild rollt auf.

Oben in den furchtbar abstürzenden Wänden
hängen drei Bersaglieri, durch das Seil verbun-
den. Ein vierter liegt an die vierzig Meter tiefer,
auf einer vorspringenden Platte, scheinbar leblos.
Sie wollten offenbar im Schutze der Nacht über
die Höllenwand absteigen und sind, den kletter-
baren Weg verlierend, in eine, gegen den Ab-
grund hin verlaufende Rinne geraten. Hier mußte
das Unglück geschehen sein.

Heinz war sich klar, daß die drüben ohne
frenide Hilfe nicht wieder herunter konnten. Er
war Bergführer von Ruf und dann — auch

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Mensch. So beschloß er mit Sepp zusammen,
den arg Bedrängten zu helfen. Eine unge-
nicin schwierige Kletterarbeit, gefährlich wegen
der Brüchigkeit des Gesteines.

Einen sich turmähnlich aufschwingcnden
Grat verfolgend, gelangten die beiden durch
einen stark brüchigen Riß auf eine schräg ab-
fallende Platte, in gleiche Höhe mit den Ver-
unglückten. Hier setzte eine kurze, gänzlich
trostlose Traverse ein, die Verbindung mit der
oberen Wand herstellend. Unter Seilsicherung
hangelten sie sich, die Griffe und vorstehende
kleine Blöcke ausnützend hinüber. Von hier
aus konnte sich Heinz zur Absturzstelle abseilen,
während Sepp die Sicherung übernahm.

Die drei Bersaglieri waren in eineni
derart erschöpften Zustand, daß an eigene Mit-
hilfe beim Aufseilen nicht zu denken war. Ruck
weise, einer nach dem anderen, wurden sie
von Sepp, der selbst an ziemlich exponierter
Stelle, — einen Fuß in einer Spalte, den
anderen zwischen zwei Blöcken versiemmt, —
wie. Mehlsäcke in die Höhe gezogen. Eine
Prachtleistung. —

Das schwierigste Stück Arbeit aber sollte
noch kommen. Heinz kletterte, nur am ge-
spannten Seil, an die vierzig Meter schräg ab-
wärts, schwierige Partien mit großeni Geschick
überwiiideiid. Dann einen nach rechts laufenden
Riß benützend, zur Platte, auf der der Abgestürzte
tag. Er war nicht tot, konnte sich jedoch weder
bewegen lioch sprechen.

Heinz seilte sich mit ihm zusammen, auf feine
eigene Kraft vertrauend. Ein Ruf, — und ruck-
weise wurden sie von Sepp und de» drei Gebor-
genen in die Höhe gezogen.

Da geschah Entsetzliches. Der zur Seilsiche-
rung dieneirde Block bewegt sich. Das Geräusch
rutschender Nagelschuhe auf glattem Gestein und
in deniselben Moiiient ein Ruck am Seil. Der
vorne stehende Sepp wird um den Block herum-
geschleudert, kairn sich aber noch einen Meter,
bevor der Rand in den Abgrund abbricht, an
einem Borsprung fcststemmen.

Der jähe Scilzug droht ihn darüber hinweg-
zuziehen. — Da greifen auch die drei Bersaglieri
mit aller Kraft der Verzweiflung ein, um den
Abstrlrz 511 verhindern. Es gelingt. —

Doch unaufhaltsam schiebt sich der Block vor.
Erst ganz langsam, — schiebt Steine und Geröll
vor sich her — dann schneller — inimer lauter krei-
schend — legt sich zur Seite — ein entsetzliches
Krachen — dreht sich vorwärts — das Sichc-
rungsseil zerreibend — und stürzt donnernd in
die Tiefe. —

Mit ihni Heinz und der Bersagliere. —

* * *

Unser Leben, in so mannigfaltiger Form es
auch verfließt, hat immer nur ein Ziel, — un-
seren Tod. Der Mensch, dem die letzte Stunde
geschlagen hat, wird von einem Sturni von Emp-
findungen erfaßt, unfaßbar für die anderen. Zn
furchtbarer Schnelligkeit gehen und kommen Bil-
der in Erinnerung, lebt ein nie gekannter Trieb
zur Selbsterhaltung in uns auf und gibt die letzte
Kraft, um gegen Dinge anzukämpfen, die beschlossen
waren, Gott weiß, wo . ..

Wie viele sind da im Sterben klein, nur im
Denken an sich selbst groß, — wie viele aber
opfern sich auf in großer Zeit, in großer, schöner
Selbstlosigkeit, in Liebe zur Heimat, für die Lie-
ben, — ja selbst für Menschen, die uns Feinde
sind, — als ganze Männer. —

Heinz Hofl war ein solcher.
Register
Ferdinand Staeger: Hilfsplatz
Alois Dengler: Hochgebirgs-Krieg
Rudolf Greinz: Die Felsenburg Tirol
 
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