„In der Heimat, da gibts ein Wiedersehn.*
Hiasl Maier-Erding (München)
Angeileidenschaft kann der Me nicht begreifen,
und daß ich auch heute wieder anstatt auf Reh-
böcke zu blatten zum „stumpfsinnigen" Fischfang
wandere, mißbilligt er mit vorwurfsvollem Kopf-
fchütteln. Als ich aber gar erkläre, daß mir ein
starker Hecht lieber sei als drei Rehböcke, brummt
Attenzeller tadelnd: „Der Herr wann so war, na
ging i auf und davon, is scho wahr! . .. Frösch,
Fisch und Krebs fanga, des is grecht für Bauern-
bubn und Gsindl, aber für Ihna net; nix für un-
gut, wissen £>', aber amai muß i 's fagn, wie 's is!"
Dieses „amal" ist freilich nicht ganz wörtlich
zu nehmen; denn feit etwa 15 Jahren versäumt
der Gute keine Gelegenheit, mir meine unstandes-
gemäße Leidenschaft vorzuhalten, allerdings ebenso
erfolglos als ich es versuche, ihn zu meiner Lieb-
haberei zu bekehren.
Eine Weile schreiten wir schweigend neben
einander; Attenzeller schaut mich mehrmals scheu-
verstohlen an, als fürchte er, mich gekränkt zu
haben, dann platzt er halb begütigend halb ver-
legen heraus: „Zuschaun möcht i Ihna do amal,
was denn gar so Bsonders dabei is. . . Bis um
Achte hat mi der Herr ans Kreuzbrückl bstellt, da
ham mer no anderthalb Stund; wann S' ver-
laubn, geh i a mengt mit Ihna."
„Aber freilich gern! Warten Sie nur, Atten-
zeller, Sie werden selber noch ein Hechtfischer,
der mir Konkurrenz macht!"
„Da kommt eher Pfingsten vor Ostern!" ver-
wahrt er sich mit Entschiedenheit.
Wir haben inzwischen den breiten tiefen Fluß
erreicht, der sich wie eine träge dunkle Riesen-
schlange durch schilfreichen Moorgrund windet.
Im dürftigen Schatten einer alten Kopfweide
rüst ich mein Handwerkszeug: die schlanke Bambus-
gerte, die schon manchen schweren Kanrpf über-
standen, wird aufgesteckt, die Nottinghamrolle da-
ran befestigt, ans Ende der durch die Oesen ge-
zogenen Seidenschnur das bleibeschwerte Draht-
vorfach geschlungen. . .
„Ham S' na do wenigstens an lebendign
Köder? an Frosch, a Maus oder so was?" be-
merkt Attenzeller mißtrauisch und ist nicht wenig
erstaunt, als ich ein totes Aitel aus der Blech-
büäise nehme und ihn belehre, daß der richtige
Angler stolz darauf sei, seine Hechte ohne lebende
Köder zu fangen.
Dabei krümme ich den Fisch und führe das
mit zwei Drillingshaken bewehrte Poil dem Aitel
unter denr Kiemendeckel hindurch ins Maul . . .
„soo, fertig, und jetzt passen Sie auf, Attenzeller!"
In flachem Bogen fliegt der Köder von der
schnell rotierenden Rolle bis fast ans jenseitige
Ufer, taucht in die dunkle stille Flut und schwän-
zelt, der langsam aufgerollten Schnur gehorchend,
bald steigend bald sinkend quer durch die von
sommerseligem Insektengewimmel umschwärmte
Gumpe.
Aufmerksam verfolgt der Alte jede meiner Be-
wegungen. .. Jetzt ist mein Aitel bis auf Meter-
länge hereingerollt, ein sanfter Schwung, und wie-
der fliegt es in den wie mit altem Malaga ge-
füllten goldbraunen Tümpel.
Jetzt ein neuer Wurf und wieder einer . . .
kein Anbiß. . . Weiter, zur nächsten guten Angel-
stelle durch insektenüberladenes Gestrüpp und
rauschende Rohre.
Auch der nächste Platz bringt keine Bente, und
schon will Attenzeller mit einem: „Mir wär 's
gnug!" mich verlassen, da klingt ein sanft melo-
disches Singen durch die Erlcnbüsche herüber.
Neugierig nach der Sängerin auslugend bieg
ich um eine Krümmung des Wassers und stehe
freudig überrascht vor einem seltsamen Bild: Auf
einem halb aus der Flut ragenden Baumstrunk
des jenseitigen Ufers saß ein dunkelhäutiges junges
Mädchen, roten Mohn im zerzausten schwarz-
braunen Haar und ließ unter einem sehr echten
Gänselieslgcwand hervor die nackten Beine ins
Wasser baumeln. . .
Des Försters barsches: „Stiehlst wieder unserm
Herrgott 'n Tag ab?!" zerstörte jäh das Idyll.
Mit einem Satz mar die Braune vom Baum-
strunk herunter, geschmeidig-behend wie eine auf-
gescheuchte Katze, und schon schlug das grüne Ge-
woge der Rohre hinter ihr zusammen.
„Aber Attenzeller, was hat Ihnen denn die
nette Kleine getan!?" tadelte ich fast ärgerlich.
„Die, die verdient nix Bessers! Des is ganz
a Abdrehte, die! . . . Vom Mooser in Gaden,
der wo oberhalb unser a Fischrecht hat, is s' a
Iiehtochter, dieselbige. Kei Mensch hat ihr Mutter
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Hiasl Maier-Erding (München)
Angeileidenschaft kann der Me nicht begreifen,
und daß ich auch heute wieder anstatt auf Reh-
böcke zu blatten zum „stumpfsinnigen" Fischfang
wandere, mißbilligt er mit vorwurfsvollem Kopf-
fchütteln. Als ich aber gar erkläre, daß mir ein
starker Hecht lieber sei als drei Rehböcke, brummt
Attenzeller tadelnd: „Der Herr wann so war, na
ging i auf und davon, is scho wahr! . .. Frösch,
Fisch und Krebs fanga, des is grecht für Bauern-
bubn und Gsindl, aber für Ihna net; nix für un-
gut, wissen £>', aber amai muß i 's fagn, wie 's is!"
Dieses „amal" ist freilich nicht ganz wörtlich
zu nehmen; denn feit etwa 15 Jahren versäumt
der Gute keine Gelegenheit, mir meine unstandes-
gemäße Leidenschaft vorzuhalten, allerdings ebenso
erfolglos als ich es versuche, ihn zu meiner Lieb-
haberei zu bekehren.
Eine Weile schreiten wir schweigend neben
einander; Attenzeller schaut mich mehrmals scheu-
verstohlen an, als fürchte er, mich gekränkt zu
haben, dann platzt er halb begütigend halb ver-
legen heraus: „Zuschaun möcht i Ihna do amal,
was denn gar so Bsonders dabei is. . . Bis um
Achte hat mi der Herr ans Kreuzbrückl bstellt, da
ham mer no anderthalb Stund; wann S' ver-
laubn, geh i a mengt mit Ihna."
„Aber freilich gern! Warten Sie nur, Atten-
zeller, Sie werden selber noch ein Hechtfischer,
der mir Konkurrenz macht!"
„Da kommt eher Pfingsten vor Ostern!" ver-
wahrt er sich mit Entschiedenheit.
Wir haben inzwischen den breiten tiefen Fluß
erreicht, der sich wie eine träge dunkle Riesen-
schlange durch schilfreichen Moorgrund windet.
Im dürftigen Schatten einer alten Kopfweide
rüst ich mein Handwerkszeug: die schlanke Bambus-
gerte, die schon manchen schweren Kanrpf über-
standen, wird aufgesteckt, die Nottinghamrolle da-
ran befestigt, ans Ende der durch die Oesen ge-
zogenen Seidenschnur das bleibeschwerte Draht-
vorfach geschlungen. . .
„Ham S' na do wenigstens an lebendign
Köder? an Frosch, a Maus oder so was?" be-
merkt Attenzeller mißtrauisch und ist nicht wenig
erstaunt, als ich ein totes Aitel aus der Blech-
büäise nehme und ihn belehre, daß der richtige
Angler stolz darauf sei, seine Hechte ohne lebende
Köder zu fangen.
Dabei krümme ich den Fisch und führe das
mit zwei Drillingshaken bewehrte Poil dem Aitel
unter denr Kiemendeckel hindurch ins Maul . . .
„soo, fertig, und jetzt passen Sie auf, Attenzeller!"
In flachem Bogen fliegt der Köder von der
schnell rotierenden Rolle bis fast ans jenseitige
Ufer, taucht in die dunkle stille Flut und schwän-
zelt, der langsam aufgerollten Schnur gehorchend,
bald steigend bald sinkend quer durch die von
sommerseligem Insektengewimmel umschwärmte
Gumpe.
Aufmerksam verfolgt der Alte jede meiner Be-
wegungen. .. Jetzt ist mein Aitel bis auf Meter-
länge hereingerollt, ein sanfter Schwung, und wie-
der fliegt es in den wie mit altem Malaga ge-
füllten goldbraunen Tümpel.
Jetzt ein neuer Wurf und wieder einer . . .
kein Anbiß. . . Weiter, zur nächsten guten Angel-
stelle durch insektenüberladenes Gestrüpp und
rauschende Rohre.
Auch der nächste Platz bringt keine Bente, und
schon will Attenzeller mit einem: „Mir wär 's
gnug!" mich verlassen, da klingt ein sanft melo-
disches Singen durch die Erlcnbüsche herüber.
Neugierig nach der Sängerin auslugend bieg
ich um eine Krümmung des Wassers und stehe
freudig überrascht vor einem seltsamen Bild: Auf
einem halb aus der Flut ragenden Baumstrunk
des jenseitigen Ufers saß ein dunkelhäutiges junges
Mädchen, roten Mohn im zerzausten schwarz-
braunen Haar und ließ unter einem sehr echten
Gänselieslgcwand hervor die nackten Beine ins
Wasser baumeln. . .
Des Försters barsches: „Stiehlst wieder unserm
Herrgott 'n Tag ab?!" zerstörte jäh das Idyll.
Mit einem Satz mar die Braune vom Baum-
strunk herunter, geschmeidig-behend wie eine auf-
gescheuchte Katze, und schon schlug das grüne Ge-
woge der Rohre hinter ihr zusammen.
„Aber Attenzeller, was hat Ihnen denn die
nette Kleine getan!?" tadelte ich fast ärgerlich.
„Die, die verdient nix Bessers! Des is ganz
a Abdrehte, die! . . . Vom Mooser in Gaden,
der wo oberhalb unser a Fischrecht hat, is s' a
Iiehtochter, dieselbige. Kei Mensch hat ihr Mutter
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