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Rud. Hesse München)

Kriegs - Menagerie

„Iminer 'rin in die Bude! Hier könnt's den russischen Bären sehn und den englischen Löwen, a bißl arg zerzaust und
verkloxxt, aber nra Ham s' neu aufbügelt, und a Zehnerl san s' all wer no wert! A mordstrumm Beuter-Lnt'n mit sechs

Junge Ham ma aa! Also 'rin in die Bude!!"

lachende, strahlende Leben zum ersten Male ge-
sehen unb gleich skizziert für seinen Schreibtisch.

Er war früher nicht der sorglose Genießer —
der Kurt Eckart — der er jetzt war, der am
liebsten stundenlang mit den Händen seiner Frau
spielte, diesen weißen Diiigerchen, die so anmutig
Tag und Zeit vertändelten — oder auf ihr Mäd-
chenlachen hörte, das stark und gesund war-

Da brachte ein Iulitag den Krieg über Öster-
reich.

Die jungen Gatten samten nicht lang — es
war ihnen ausgeinacht, daß beide gingen. Sie
als Ärztin. Er zu den Kaiserjägern. Einige
Tage blieben sie noch beieinander. In dieser
Zeit sah er viel zu seiner Frau hinüber. Sie war
nicht verändert. Frisch wie ein Bub saß sie neben
ihm. Kein Trennungsweh, keine Tränen. So
nahm er ihren lachenden Anblick mit hinaus in
die Schlacht — —

Es war ein Jahr später. Wieder im Sommer.
Ein langgezogenes, keckes Ha—la—li. so ein
mrrsikalisches von der Ringstraße, durchtönte das
verschlafene galizische Dorf, wo die Kaiserjäger
in Ruhestellung lagen. „Ro, woas bringst denn
so tief in der Nacht, an' hohen Kommandierenden?"
fragten die Wachen. Der Schlag sprang auf.
„Iessas! Eine Dame — eine Feldärztin!"

„Ich möchte meinen Mann sprechen, den Herrn
Leutnant Eckart — wecken Sie ihn bitte —
Die Graublauen liefen.

Zauberhaft schnell hatten sie den Gewünschten
zur Stelle und noch fünf, sechs Leutnants dazu,
die neugierig waren.

Bon dem gottlosen Gelärm war auch der Herr
Hauptmann heran gekommen. Er begriff nicht
gleich, was vor sich ging. Dann aber gefiel ihm
die fesche Überrumpelung außerordentlich. Er ließ
überall Licht anzünden, die noch fehlenden Leut-
nants wecken und Sekt auftragen. Das mußte
gefeiert werden, die Frau seines Eckart?

Man saß bald in heiterster Tafelrunde. Mitten
hinein fragte der Hauptmann: „Sagen Sie mir
eins, gnädige Frau, woher haben Sie und Ihr
Herr Gemahl dieses unerschöpfliche Lachen?" Sie
sah erstaunt auf. „Das weiß ich nicht — das
muß halt aus jener Zeit stammen, wo wir den
Tag mit nichts vertan haben —"

„Dann mache ich diesem -Nichts* mein Kom-
pliment, Gnädigste, es hat gut vorgehalten —"
und er berichtete: „In der schwersten Galizischen
Zeit, wenn wir da den Eckart nicht gehabt hätten
-ja, der Eckart! hieß es, unb unsere Ge-
sichter erhellten sich — aus dem erbärmlichsten

Loch von Hütte klang Lachen und Scherzen-

und dann, als er den Brückenkopf halten mußte
— er hat ihn gehalten, bis Verstärkung kam —
-war's denn nicht arg schwer, da dazustehen ?‘
fragte ich später einen seiner Jäger.

Der Mann verneinte: ,Wir haben halt so
sehr lachen müssen, über den Herrn Leutnant

Eckart seine herzigen Späss', da war die Höll
nimmer so arg — *"

Es entstand ein Schweigeil — und der Haupt-
mann wechselte schnell das Thema. „Was wer-
den Sie nun morgen lull, gnädige Frau, wieder
ins Lazarett, an die Arbeit?"

„Rein — ich werde mit meinem Mann auf
Urlaub fahren-"

Verdutzt starrte der Hauptmann und machte
ein Dienstgesicht: „Aber hat er denn schon Aus-
sicht?

„Wir haben unfern Buben bei Kriegsausbruch
zur Großmutter gebracht — das Herzl wird ulls
bald nid)t kennen, wenn wir nid)t kommen-"

Das mußte der Gestrenge einsehen, denn er-
zog ein Buch aus der Tasche und einen Füll-
Federhalter. Leutnant Eckart hatte seinen Urlaub.

Im Frühgrau stand das Auto reisefertig.

Immer wieder schüttelte der Hauptmann den
Scheidenden die Hand. „Und wenn der Bub
ebenso ein Lachen hat, wie Sie, gnädige Frau,
dann grüßen Sie ihn von mir!"

Sie strahlte ihn an.

„Ja, das Lachen, das hat der Bub — aber
eigentlich kann er es noch viel, viel besser als
wir . . .."

Air der Wegkreuzung tönte noch einmal das
Ha—ln—li, das luftige, von der Ringstraße.

Gertrud petersen (Eutiir)

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