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Mond über Triesi

Schwarz schlägt das Meer an toten Stein.

Die Brandung schwillt. Und ferne Stürme toben.
Durch Wolken brennen Blitze, Donner rollen.

Die Flut schickt jedem Donner vom Isonzo,

Vom Karst, von Doberdo und Monfalcone
Ihr zornig rollend', dunkles Echo nach.

Verlöscht die Lichter, harrt die Stadt und horcht.

Und horchend drängen Menschen auf dem Molo,

Und flüsternd geht von Mund zu Mund
Das Wort, das dort ein Unbekannter sprach:

„Die Nacht.

Die Nacht ist's eine Woche, daß der Flieger kam."

An schwarzen Mauern tastest du dich weiter.

Und fühlst, die Hand gespannt um eine Schattensäule,
An diese Hand erschauernd fremde Finger greifen. . .
Erschrickst, stehst still, und lautlos drückt
(Bin stummer Schatten sich an dir vorüber.

Im Krieg an Sommer, Liebe, Freuden mahnt —

Im Park auf vielen Wegen schweifen Dunkle,

Zu Zwei'n verschränkt, und halten sich umfangen,

Und kühlen in des Liebsten Hand die Wangen:

Wird er nun kommen, der schon einmal kam?

„Die Nacht,

Die Nacht ist's eine Woche, daß er kam . . . ."

Da säumte sich von fernen, sanften Gluten
Der Wetterwolken schwarzgeballter Schwarm.

Die Brandung schwoll. Das Mondlicht auf den Fluten
Scheucht die Geliebte aus des Liebsten Arm.

Die Nacht erhellt sich. Stern an Stern, entzündet,
Flicht sich ein Kranz von Silber um das Meer.

Paläste stehn im Glanz. Der Schatten schwindet.

Bei Monfalcone schießen sie nicht mehr.

Der Mond beglänzt viel weiße Wolkenschwingen.

Kein Herz, das er ganz ohne Tröstung läßt.

So still die Nacht. Man hört Soldaten singen.

Fern hallt des Wächters Ruf. Es schläft Triest.

Carl Marilaun
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Karl Marilaun: Mond über Triest
Raimund Germela: Illustration zum Text "Mond über Triest"
 
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