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Das Lied vom Fleischern

Richard Rost Flotten-Grammatik

Ein Arzt fordert die Deutschen auf
zu „fleischern"; das ist eine von Horace
Fletcher angegebene Methode, durch sehr
sorgfältiges Kauen der Speisen «hundert-
mal jeden Bissen) und Einspeicheln die
Nahrung besser auszunützen. Dadurch
würde der Nahrungsmittelverbrauch in
Deutschland um die Hälfte geringer, der
Einzelne aber gesünder, zufriedener und
auch ethischer werden.

Ein schöner Rat, ein weiser Rat,

Der schlaueste der schlauen!

Je weniger man zu beißen hat,

Je besser soll man kauen!

Mit doppeltem Genuß genießt,

Wer tüchtig kaut und Speichel gießt,

Der Alles-gut-Zerquetscher! —

Drum fletscher, flelscher, fletscher!

Und fürchte nicht, wenn dir zerrinnt
Die Zeit mit lauter Knutschen,

Daß der gewinnt, dem sehr geschwind
Die Speisen südwärts rutschen —

Es liegt die Kraft im Speichelsaft
Und dir verschafft das Essen Kraft,

Die Andern bleiben matscher!

Drum fletscher, fletscher, flelscher!

So wirst du als ein Patriot
— Und Weiser! — mit Behagen
Verringern unsre Nahrungsnot
Und nützen deinenl Magen!

O kaue fest und speichle Brüh —

Und denkt der Feind:

„Ätsch. Germany!",

So denk du noch viel ätscher
Und fletscher, fletscher, fletscher!

A. <1© Nora

*

Oer gekürzte Kriegsbericht

Im russischen Hauptquartier.

Der Adjutant: „Exzellenz, hier ist
der deutsche militärische Tagesbericht."

General Quatfchikoff: „Vor-
lesen!"

DerAdjutant: „Vom Westlichen
Kriegsschauplatz: Starke Angriffe der Feinde
brachten ihnen ungeheure VerluKv, hatten aber
keinerlei Erfolge und ob auch hunderttausende von
Geschossen aus unsere Stellungen hageren, wir
hielten diese doch fest. Wie von Gefangenen an
unsere Nachrichtenstelle berichtet ist, sind schwarze
und braune Truppen der Gegner herangezogen
und wurden durch Maschinengewehrseuer von rück-
wärts zum Sturm getrieben. Straßen und Wege
sind in miserablem Zustand und die Gräben des
Feindes lausen in der Gegend von La Blague
von den Regen-Massen über. Der Feind hat uns
gegenüber etwa 1500 Geschütze und zahllose Ma-
schinengewehre ausgestellt, wie angenommen ti*rb,
auch lehr wel schwere Artillerie. Etwa 270 Kilo-
meter von unseren Hinteren Gräben entfernt wurde
ein englisches Flugzeug total zusammengeschoffen.
Der Führer wurde gefangen, und es sind wichtige
Notizen in seiner Hand gefunden worden " —
Dies der Bericht! — Soll man ihn veröffent-
lichen, Exzellenz?

General Quatschikoff: „Natürlich! Aber
etwas gekürzt — geben Sie mal den Blau-
stift her! (Streicht wütend im Bericht herum.)
So. jetzt können Sie den deutschen Bericht ver-
öffentlichen !"

Der Adjutant (liest): „Starke Angriffe der
Feinde brachten ihnen ungeheure Erfolge und
Hunderttausende von Gefangenen. Unsere Trup-
pen wuroen durch Maschinengewehrfeuer von
rückwärts zum Sturm getrieben, sind in mise-
rablem Zustand und laufen in Massen über. Der
Feind hat uns 1500 Geschütze und zahllose Ma-
sch.nengewehre genommen. 270 Kilometer von
unteren Gräben, total zusammengeschossen, sind
in seiner Hand." — « —

Farbigen-Bar an der Westfront

„Ich sein großer Patriot — ganze Löhnung
für Offensivgeist geopfert."

Handelsverkehr

Ein Transport amerikanischen Kriegsmate"
rials für Rumänien, der über Archangelsk
nach Bukarest gehen sollte, ist von der ruffnchen
Heeresleitung beschlagnahmt worden. Ssasonow
erklärte, die Beschlagnahme erfolge aus Kriegs-
notwendigkeit, Rußland sei aber bereit, mit Ge-
genwerten zu zahlen. Da nun das bare Geld
bekanntlich knapp ist in Rußland, wenigstens in
den öffentlichen Kassen, so wird wohl die Bezah-
lung in natura1idu8 erfolgen. Zum Beispiel
für jede Million Gewehrpatronen liefert Vä-
terchen eine Million Läuse. Sie sind ebenfalls
nickst größer und schwerer, meist scharf auf den
Feind geladen und durch Pulver (Insektenpulver)
in rasche Bewegung zu versetzen. Man kann sie
abdrücken, wobei sie mit einem leisen Knall explo-
dieren, und läßt man ihnen ihren Lauf, so ver-
ursachen sie nicht nur eine, sondern zahlreiche
Verletzungen, ja sogar den Tod (wenn sie mit
Flecktyphus imprägniert sind). Für die schweren
Mörser würden wohl echt russische Minister
zum Ersatz zu bieten sein. Sie haben meist eine
ungeheure Mündung und Reichweite, sind im-
stande, viele tausend Existenzen zu vernichten und
ganze Städte, Wälder, sowie andere Wertgegen-
stände verschwinden zu machen, fressen fabelhaft
Geld, sind aber nach einiger Zeit unbrauchbar
und müssen eingeschmolzen werden. Statt der
Luftschiffe gibt Väterchen sein Ehrenwort.
Es ist leichter als Luft, jederzeit nach jeder Rich-
tung lenkbar und ohne Schwierigkeit zu erneuern,
wenn es gebrochen wird.

Die Zeitungen wissen noch nicht, ob Rumänien
diese Tauschobjekte annnnmt.

A. D. i\.

Große Taktiker sind die englischen
Seeleute ja nicht, dafür sind sie desto
größere Syntaktiker. Der englischen
Admiralität war es Vorbehalten die
Lehre vom Satzbau, die bisher als
Tummelplatz lediglich der trockensten
Schulfüchse galt, für die maritime Stra-
tegie fruchtbar zu macheil. Ihr hat Herr
B a l f o u r den Begriff entnommen, der
wie kein anderer von den zartverästelten
Gedankengängm eines wahrhaft kul-
tivierten Intellekts Zeugnis ablegt, den
Begriff des p o t e n t i e l l e n K r i e g s -
schiffes, den er bekanntlich auf die
deutschen Fracht-O-Boote angewandt
wissen will. Aber dabei ist er nicht
stehen geblieben. Unser Hurrikan-
Spezial-berichterstatter hat sich nunmehr
an zuständiger Stelle erkundigt und es
sind ihm folgende Aufklärungen gegeben
worden:

Es gibt nicht nur potentielle,
sondern außerdem noch: relative,
finale, konditionale, kausale
und konsekutive Kriegsschiffe.

Potentielle Kriegsschiffe sind be-
kanntlich solche Fahrzeuge, die ohne im
Augenblick Kriegsfahrzeuge zu sein,
irgendeinmal in Kriegsfahrzeuge ver-
wandelt werden könnten; als
relative Kriegsschiffe sind z. B.
die jetzt in den englischen Häfen zur
Ausbesserung befindlichen Überbleibsel
aus der Schlacht ani Skagerrak anzu-
sprechen ;

finale Kriegsschiffe sind alle die-
jenigen Fahrzeuge, bei denen die be-
stimmte Absicht vorliegt, sie zu
kriegerischen Zwecken zu verwenden,
also alle Rhein-, Spree-, Pleiße- und
Starnbergersee-Dampfer; alle Schuhe
und Stiefel über 30 tm; Küchen-
und Kirchenschiffe, Weberschiffchen und
Schiffhüte; Schiffschaukeln, Kinderwie-
gen und Badewannen; alle Blecheimer,
Schweinsblasen und Fingerhüte;

konditionale Kriegsschiffe sind
solche, die unter gewissen Bedin-
gungen als Kriegsschiffe zu verwenden wären,
z. B. wenn sie noch nicht torpediert, explo-
diert, demoliert oder karamboliert wären;
also Audacious, Warspite, Bulwark u.s.w.;
die Kategorie der

kausalen Kriegsschiffe ist nur eine Unter-
abteilung der vorigen, d. h. es gehören hierher
alle Fahrzeuge, bei denen der Meeresgrund die
ausschlaggebende Rolle spielt, also vor allem ein
großer Teil der britischen Handelsflotte; der Be-
griff der

konsekutiven Kriegsschiffe endlich ist so
differenziert, daß man ihn gar nicht beschreiben
kann, zugleich aber auch so umfassend, daß kein
Ding auf der Welt existiert, das nicht darunter
fiele; vom Hosenknopf bis zum Parthenon und
von der Milchstraße bis zur Kleiderlaus gibt es
nichts, was fich englischer Verfolgungswahn
nicht als d e u t f ch e s K r i e g s s ch i f s vorzustellen
in der Lage wäre.



Damals und jetzt!

vor dein Denkmal Kaiser Ludwigs in München
steheil zwei alte Münchner und belrachteil sich das
Bild, auf deiil zu sehen ist, wie der Kaiser dem
Schweppermanne gerade zwei Eier gibt. (Nach
dem historischen Spruche: „Jedem Mann ein Ei,
dem braven Schweppermann aber zwei.")

„Waren halt damals auch rar, die Eier!" be-
merkt der eine, worauf der andere zur Antwort gibt:

„Ja, aber eine Berliner Eiilkaufsgeliosienschaft
hat 's halt lio koane gebeil, sunst'n hält' halt der
brave Schweppermo auch net mehra kriagt als
wia die andern!" n. sch. i>.
Index
-o-: Der gekürzte Kriegsbericht
Hurrikan: Flotten-Grammatik
Richard Rost: Farbigen-Bar an der Westfront
A. De Nora: Das Lied vom Fletschern
A. D. N.: Handelsverkehr
H. Sch. D.: Damals und jetzt!
 
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