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Heinrich Kley (München)

Bei Ymuiden

Sommernacht in Flandern

Weiß Wölklein tanzt im Himmelsraum,

Es glänzt sein Kleid wie Silberschaum,

Es strahlt vor allen andern.

Biel Sternlein blitzen hinterdrein,

Macht jedes gern Gespiel ihm sein,

Vereint mit ihm zu wandern.

„Was irrst du in dem Weltenall?

Suchst du der Sonne Glutcnball,

Der niild ins Meer versinket?

O weile bei der Blütenpracht,

Die unterm Kuß der Sommernacht
Tautröpflein trunken trinket!"

„Ich geh zur Flut, dort kam ich her,

Mein liebster Spielplatz ist das Meer,
Mein Reich mir auszubreiten.

Das Festland hat nicht Raum für mich,
Doch auf den Wassern tummle ich
In ungemess'nen Weiten!

Hei, wenn die große Fahrt beginnt,

Dann beult die See, es rast der Wind
In schrillen Slurmgesängen,

Und fällt als wütender Orkan
Des Meers verwegne Gegner an,

Die in fein Reich sich drängen.

Strebt nicht der Völker Ungestüm
Seit Erdenanfang nur zu ihm,

Bahnt Wege sich zu Meeren?

Ums Wasser kämpft das feste Land
Und Wasser setzt die Welt in Brand!
Sollst meiner Fahrt nicht wehren!"

Das Wölklein eilt dem Meere zu,

Das Nachtgestirn in stolzer Ruh
Zieht seine ew'gen Kreise.

Weich flüstert's in dem Ahrenfeld
Boni Himmelreich auf dieser Welt,

Die B.ätter beben leise ....

Leuchtkugeln steigen in die Nacht,

Aus tausend Schlünden brüllt die Schlacht
Bon einer Front zur andern.

Im Westen kämpft das deutsche Heer,

Es drängt zur Flut, es drängt zum Meer,
Zum Meer am deutschen Flandern!

p. Selnsick'SaalwLchter

2n der Stellung am 28. X. 16.

Boelckes letzte Fahrt!

Tiefe Herbstwolken am Himmel!

Der Westwind treibt und schiebt die Schichten.

Dazwischen stiehlt sich Sonne hindurch!

Im gelben westlichen Lichtmeer schwimmen 4,
6 feindliche Flugzeuge. Hoch über uns ziehen zwei
deutsche dem Feinde zu.

In den Wolkcnlücken glänzen sie wie feinge-
schliffcnc Edelsteine. Ein weißer, großer Schleier
nimmt sie auf!

plötzlich über uns ein kurzes Tack-tack!

Die Maschinengewehre!

Wie ein Blitz durchfährt eine deutsche Libelle
das Blau. Eine Wolkenbank verschlingt sie!

Wieder das Tack-tack! Nahe, als komme cs
vom Erdboden!

Aus dem Grauschwarz rast ein Flugzeug!

Der Weg ist steil abwärts!

Ein englisches? Ein deutsches?

Das schwarze Kreuz auf weißem Grund, deutsch-
farbige Wimpel an den Tragflächen! Wurde es
in der Hohe überfallen? Eine List, irre zu führen?
Zwei Fragen! Man kann sie kaum ausdenken l

Wann kommt der Gleitflug?

Da! Es legt sich auf die linke Tragfläche, neigt
sich scharf nach vorn! Das Herz droht auszusehen!

Das Flugzeug stürzt, stürzt!

Schnell! Schneller! Dreht sich in wildem Wir-
bel um die senkrechte Achse der Erde zu!

Einige hundert Meter hinter uns schlägt es kopf-
über auf!

Ein kurzes Tack-tack!

Der deutsche Begleiter schwebt aus den Wolken
tiefer, hoch über ihm der Feind!

Einige Kreise und beide verschwinden ln den
abenddunkeln Wolken!

Aus den Trümmern des kleinen Doppeldeckers
im Kornstoppclfeld starrt tot und steif ein Flügel
in den Abendhimmel I

Das schwarze Kreuz ist weithin sichtbar!

Es ist °/uZ Uhr des Abends!

Das Blut drängt sich unter dem Helm hervor
und legt sich wie ein Kranz von roten Rosen um
das Haupt! Wer ist's?

Einer sagt: „Boelcke!"

Im Tonfall! Wenn ich nur sagen könnte, wie!
Der Name geht an unfern Köpfen vorbei. Jeder
hört, keiner kann fassen! Man muß cs sich zwei-
drcimal vorsagen, in den Schädel einhämmern:

Boelcke, unser Boelcke!

Einer sieht zur Erde, der andere zum Himmel,
der dritte zum Wald, der vierte zur Stadt! Der
Schmerz sitzt in der Kehle und preßt und würgt!

Der Himmel schließt sich I Tiefe, schwarze Wol-
ken, Trauerfahnen! Und die Tropfen fallen schwer!

Der Himmel weint!

Drei Deutsche ziehen im Grau des Abends,
umkreisen die Stelle und geben ihrem toten Meister
mit den Maschinengewehren den Ehrengruß!

*

Gestern Mittag sahen wir, wie Du Deinen
Gegner zu Boden zwingst! Ein feindliches Flug-
zeug zieht nach Osten! Hoch im Luftmcer!

Mit Deiner schnellen Maschine kommst Du in
kühner Steigung über ihn!

Einem Adler gleich stürzest Du herab!

Dein Gegner schlägt einen Haken, geht zur
Spirale nach abwärts über.

Du ziehst die Bogen nach und drückst ihn mit
Deinem Gewehr tiefer. Er versucht nach Westen
auszubrcchen! Dein Sturzflug schneidet ihm den
Weg abl Du zwingst ihn in seine alte Bahn!

Die Kreise wachsen, die Flugzeuge erscheinen
größer und größer! Dein Feind fällt steilabwärts
zur Erde! Du umkreisest den geschlagenen Gegner
und ziehst tief über unsere Linien weg. Wir rufen
Dir zu: „Bravo, äa Capo!" und schwenken unsere
Mühen! Das war gestern I Heute : Dein Höhen-
flug gen Walhalla!

Du bist nicht tot! Du wirst leben, wie Rot-
bart im Kyffhäuserbcrg I
Deutscher Ikarus!

Unteroffizier Gust. Senselmann.») *)

*) Der Autor war, wie er u»S mittellt, Augenzeuge der
TodeSfahrt BoelckeS.

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Gustav Henselmann: Boelckes letzte Fahrt!
P. Heinsick-Saalwächter: Sommernacht in Flandern
Heinrich Kley: Bei Ymuiden
 
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