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Das Licht

3n meiner Seele brennt ein Licht . . .

Und wer mit stillen Händen es entzündet,

Ich weiß es nicht,

Und keiner von der Sippe hat's ergründet.
Bor tausend Jahren mag's gewesen sein,

Da stand ein junges Paar —

Er mit dem Iagdspieß, sie im Flnlterhaar —
Auf hohem Fels im Aleniannenland.

Aus seinen Augen lachte Weidmannslust,

Ein roter Fuchs hing ihm am Lederband;

Ihr blondes Haupt lag still an seiner Brust.
Tief unten floß durchs Tal der alte Rhein,
Die Alpen grüßten fern im Silberschein,

Der blieb im hellenAug' desMndcheus hangen.
So, liebe Freunde, ist's vielleicht gegangen.
Bon jener Schau blieb mir ein stilles Licht,
Es ward vererbt von Kind zu Kindeskind —
Der späte Nachfahr ist ein Knecht der Pflicht,
Kein freier Jäger, dem das Hifthorn hallt;
Fremd ward die Scholle ihm, der Höhenwind,
Und seine Füße treten den Asphalt.

Doch wird es trüb und dunkel utn niich her,
Und liegt die Nebeldecke feucht und schwer
Auf nreincr Stadt, unb stirbt der letzte

Schimmer:

Dann geht die alte Zeit durchs alte Zimmer,
Und in der Seele leuchtet wundersam
Das Licht, das mir von fernen Ahnen kam.

Karl Berner

Heiße Maroni!

Wie lange muhte ich wohl diesen Sirenen-
gesang für Kinderohren und Kindermägen nicht
mehr gehört haben. Klang er mir doch aus weiter,
weiter Ferne, als ich ihn jüngst wieder einmal
vernahni: Heiße Maroni! —

In Metz war's zum ersten Male wieder, als
ich mich durch dessen seltiam enge, huscheliche
Straßen hindurchdrängte; da trottete ich eben so
durch die grau uniformierte, aber doch recht bunt
bewegte Masse dahin, ließ die surrenden Straßen-
lanipen in den seichten Regenspiegeln des Pflasters
widerblicken und stellte dabei so mancherjei trüb-
selige Philosophieen an über meine Lage, die
gerade nicht so glänzte, daß auch sie irgendwo
widergeleuchtet hätte.

Und gerade hier mitten in dem surrenden und
brummenden Gewühl, drang er plötzlich aus irgend
einer Straße hervor, der lockende, holde Ruf:
„Heiße Maroni!" Wohl hütteir musikalisch und
ästhetisch gut erzogene Ohren ihre typischen Ab-
wehrbewegungen gemacht ob dieses rauhen Ge-
krächzes ; doch mir klangen die zwei Worte wie
aus weiter, weiter Ferne und wehten mir süßen
Dust der Erinnerung zu.

Ja, was war doch iiiit denen? Zähe hackteii
sie in meine Gehörgänge sich ein, niarlchierten
eines hinter dem anderen eilig in meinein Getsirn-
kasten — uiid plötzlich brach in den grauen Vor-

hang meiner Philosophieen ein Helles, scharfes
Viereck — wie ein Helles, Helles Fenster inmitten
einer großen schwarzen Hauswand. —

Und durch dieses Feirster konnte ich weit in
die Ferne schauen, tief hinter, wo eben die zwei
Worte mir hergewandert schieneii — Heiße Ma-
roni! — Das war nun doch schon zu merkwürdig!
Hast Du einmal durch ein Verkleinerungsglas
eine Landschaft betrachtet, wie da alles klein und
klar, so unendlich klar daliegt und wie die kleinen
Lebewesen sich so seltsam bewegen — alles so
klein und deutlich und in so weiter, weiter Ferne!
So sah ich auch durch diese helle Öffnung in ein
Zimmer, in dein am Tische zwei kleine Buben —
alle Wetter, das war ja ich selbst unb daneben
mein Bruder in seinen kurzen, ein wenig ver-
wachsenen Hosen (und ist doch jetzt schon würdiger
Pfarrherr) — ja, jetzt wußte ich, was das be-
deutete — meine Jugend war's — die Zeit, da
eine heiße Kastanie uns Erfüllung eines schönen
Lebenstraumes dünkte, ebenso wie ein Löffel
Lebertrans bitterer war als — alle Qualen sämt-
licher Höllen zusammen! —

Ganz richtig. — Oben an der schnialen Seite
des Tisches saß der Vater und vor ihm glänzte
in satteni Braun ein ganzer Berg jener Lebens-
träumc, nur waren sie noch nicht heiß! Und diese
Kastanie wollte der Vater nun zum Braten Her-
richten, und wir, die beiden Brüder bestaunten
voll Andacht und Ehrfurcht diesen Weiheakt —
allerdings — mußten wir uns tüchtig strecken und
unsere Finger ordentlich in der T.schkaute ein-
krallen, wollte!? wir wenigstens Auge und Nase
über den Horizont bringen!

Und neben deni Vater saß ein kleines — Et-
was in einem hohen, engen Stühlchen — vorne
durch ein Brett abgeschlossen und unten geschuiückt


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Karl Berner: Das Licht
A. Dergwill: Weihnacht in Mangiennes
Gustav Sondermann: Heiße Maroni
 
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