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Aus Kurland J- Crosswald (Riga)

Ode an die Deutschen

Seßt die vielen (Völker akke, die sich wider uns verschworen,

Die vor diinkekßastcr SKrsucht völlig den (Verstand verloren,

(Unverzagt nur, meine Helden! Trefft sie mit dem Metterschkaqe
Eures Zornes, eurer Hiebe, daß die Menschheit Künftger Tage
Diesem Sturmkauf ohnegkeichen, diesem Siez der Minderzahl'

(Wider eine (Welt von (Neidern türm ein bleibend Shrenmak,

Vings von (Not und Tod umgehen,

Die Geschichte von den
tanzenden Erbsen

Der Schloßfeger des Kö-
nigs von Bardhamnnn in
Indien wnr sehr wütend nuf
einen der Großen des Hofes,
der ihn nicht genügend be-
achtet hatte. Tag nnd Nacht
sprach er zu Hause davon,
wie er ihn strafen werde.

Endlich sagte sein Weib zu
ihm: „Was wütest du so?

Vermagst du ihn zu strafen,
so rede nicht, sondern tu es.

Wenn aber nicht, so ver-
giß! Warum läßt du dei-
nen Körper umsonst abma-
gern? Sagt man doch: der
Mensch, der droht »nd doä
nichts machen bann, ist mi-
die Erbsen in der Pfanne,"

„Wie war das?" fragte
der Schloßfeger.

Sie erzählte:

„Es war einmal eine Pfanne mit
Erbsen überm Feuer, Je mehr die
Hitze in der Pfanne fühlbar wurde,
desto mehr ereiferten sich die Erbsen, bis
sie zu springen anfingen. Sie fielen
aber alle wieder in die Pfanne zurück
und rösteten weiter. Je mehr sie tanz-
ten, desto mehr bräunten sie sich und
wurden gar. Also bist auch du, Mann,
mit deinem Gerede von der Strafe
wider deinen Feind!"

Die englischen Zeitungen füllen sich, je länger,
desto mehr mit Phantasien darüber, wie man
die Deutschen strafen werde. Bald soll Deutsch-
land dazu verurteilt werden, die Kriegsflotte aus-
zuliefern bald soll es in kleine selbständige Staaten
aufgelöst werden, bald soll alles Land bis zun,
Rhein französisch werden, bald sollen alle Fabriken
in Deutschland für die Entente arbeiten, bald alle,
die in diesem Krieg sich nicht ausdrücklich gegen
ihr Vaterland erklärt haben, einzeln zu Sklaven
gemacht werden, bald soll die Kaiserin als Dienst-
mädchen angestellt, der Kaiser in einen Bären-
käsig gesperrt und mit Papierfetzen gefüttert werden
und was die hüpfende Phantasie weiter für Bilder
in die Luft brodelt. Alles das liest sich außer-
ordentlich lustig. Man solle es in eine große
Bierzeitung zusammenstellen zur Erbauung ün-
geduldiger. Denn wenn die Erbsen in der Pfanne
springen, wird das Mittagessen gar. Franz

Wahres Geschichtchen

Zwei Kompagniechefs — der eine, Graf A,,
von seinen Leuten vergöttert, der andere, v. B.,
als sehr strenger lferr Äußerst unbeliebt — plau-
dern über alles Mögliche und kommen auch auf
Besichtigungen zu sprechen. Dabei fragt v. B.:
„Wie machen Sie das bloß, daß Sie bei allen
Besichtigungen mit Ihren Truppen immer so gut
abschneiden?" Graf A. (zögernd): „Ja, das kann
ich Ihnen leider nicht verraten, Kamerad!" v. B.:
„Aber wieso denn? Das ist doch kein Dienst-
geheimnis!" Graf A,: „Das gerade nicht, aber
cs ist — — es ist sozusagen persönlich!" v. B.:
„Aber bitte, Graf, genieren Sie sich doch nicht!
Reden Sie doch ruhig!" Graf A.: „Tja, wenn
Sic's denn durchaus wissen wollen! vor jeder
Besichtigung sag' ich zu meinen Leuten: Kerls,
wenn ihr euch jetzt nicht zusammennehmt und
mich blamiert, dann werd' ich abgehalftert und
ihr bekommt den bserrn Lsauptmann v. B.l . .. .
Und ich sag' Ihnen, lieber Freund, dann reißen
sich die Kerls zusammen, wie noch nie!"

Denkt in eurem Vachsfest,

Daß in diesem harten Sekcn
Ohne Kampf und Fährnis eben
Sich kein Vuhm gewinnen käßt,

friectrick cler 6vohe

Das Zdentitätsproblem

oder die Symphonie mit dem paukenschlag

Eine Anklage von E. p. Luchs

Es ist unerhört.

Ich protestiere hiemit.

Geradezu gemein ist es, wie man meine mili-
türischen Verdienste übersieht.

Ich werde einfach nicht befördert.

Und warum nicht?

Das ist es ja eben! Aus eineni ganz lächer-
lichen Grunde: lediglich wegen einer falschen Iden-
tifizierung. Die Sache ist eigentlich recht peinlich
für mich. Man hat sehr darüber gelacht, nur
nicht der Gewaltige, weil er selbst , , ,

Also, ich will schon mit der Geschichte Heraus-
rücken, — —

— Jetzt im Felde sieht ein Jeder, was er an
einem „gulen Kameraden" hat.

Meistens nämlich gar nichts.

Ich hatte auch einen solchen.

Der hatte den Kopf voller Streiche. Wenn
aber sein Körper ebenfalls damit bedroht wurde,
dann war er ein mehr stilles harmonisches Gemüt,

In einem solchen Falle — respektive Herein-
falle — konnte er, losgelöst von allem Irdischen,
sich in die Natur versenken (d, h, wo ihn nie-
mand sah) und still verklärt lauschen, wie die
Granaten in den Zweigen flüsterten. Er liebte
dann das Wüste, Einsame; denn Prügel waren
ihm unsympathisch, —

Er stammte aus dem Hinterteil Pommerns
und hatte dieselbe Figur wie mein Wachtmeister,
wenigstens von hinten.

Ich hatte mich oft an ihm erfreut, bis er mich
eines Tages mit einer Liebesgabe beinahe er-
würgte.

Nämlich mit einem fürch-
terlichen dicken, roten Liebes-
und Leibesjchal, den eine mir
unbekannte Dame aus ihren
früher so nützlichen (mehr
unterhalb gelegenen) Woll-
sachen aufgebaut und mir
verehrt hatte.

Geschmückt mit diesem
wolligen „Unterpfand der
Lieben, die zu Haus ge-
blieben" (so schrieb die Gute
innig und poetisch), lag ich
nämlich einstmals auf einem
richtigen Ruhebett,

(Wir befanden uns, na-
türlich mir zur Erholung un-
serer Pferde, augenblicklich
in einem russischen Dörfchen
in Ruhe).

Diese Ruhe war mir sehr
bekömmlich

Ich schlief sogleich ein.
Doch bald störte mich ein
unangenehmer Traum,

Ich war ein indischer Fa-
kir, der sich zur Erwärmung
seiner Gebeine eine lange Giftschlange
in mehreren Lagen um den Hals ge-
wickelt hatte

Diese Boa betrachtete mein Genick
offenbar als sehr geeignet zu gymna-
stischen Übungen, denn sie zog sich da-
rum mit der rührenden Ausdauer einer
durchaus sportlich veranlagten Natiir
mit immer mehr gesteigerter Muskel-
kraft zusammen.

Ich versuchte das Untier zu be-
ruhigen, zu bannen, indem ich be-
schwörend und krampfhaft „du bist die
Ruh" pfiff.

Vergebens,

Mir mar es fast, als ob die Schlange lachte.

Rüpelhaft lachte.

Wahrhaftig, ich hörte brüllendes Gelächter,
so laut und so diabolisch, daß ich erwachte.

Und da staiid um mich her eine lachende Bande,
meine Kameraden nämlich; neben mir mein bester
Freund, die Hand an der „Schlange".

Er hatte ihre Enden unter meinem Bott zu-
saniinengebunden und so jene berühmte Schlaiige
der Zeit hergestellt, die sich in den Schwanz beißt.

Er wnr eine philosophische Natur,

Mir blieb nichts übrig, als deii Schal zu
zerschneiden, denn mein Gesicht war schon ganz
blau geworden.

(Ich bitte hiermit die edle Geberin, Frl.
Katharina Wallroß aus Posen, um Verzeihung,
Die faeiben Stücke sind übrigens völlig ausreichend,
lim zwei Menschen teils zu wärmen, teils zu
erwürgen.)

Dann verdviiiierte ich die Bande,

Ob, und wie!

Im Nainen des besagten Fräuleins protestierte
ich gegen die Verschandelung der aus ben intimsten
Stoffen hergestellten Liebesgabe, Doch ich begnügte
inich keineswegs mit diesen geistigen Geißelhieben,
sondern drohte dem Poniinern — ebenfalls im
Namen des betroffenen Fräuleins — mit körper-
licher Züchtigung, die gelegentlich . , . usw.

Diese materielle Drohung wirkte sehr harmo-
nisierend auf den frivoleir Patron, denn er ver-
schwaiid sofort.

Erst am Abend sah ich ihn wieder, als ich
in ein Nachbarhaus trat.

Er hatte sich träumerisch versunken weit über
das Fenster hinausgelehnt, so daß man in dem
fcicrlicheii Abendhimmel nur einen gewisseii Hosen-
hügel von ihm erblickte. Ein stilles Idyll, wie
es der Krieg gelegentlich mitten in die stärksten,
aiifregeiidsten Sccnen mit weihevollem Griffel
hineinzeichnet.

Das alles so ruhig, friedlich und klar, als
blickte inan aus kleinem Nacheil in das Meer
der Ewigkeiten,

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[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
Franz: Die Geschichte von den tanzenden Erbsen
J. Großwald: Aus Kurland
E. P. Luchs: Das Identitätsproblem
 
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