Die Sieben!
Ich habe ein kleines Bild im Spind,
D'rauf sind wir ibrer Sieben.
Und Sechs von diesen Sieben sind
Für's Vaterland geblieben.
„Die Welt ist groß, die Welt ist schön,
wer weiß, ob wir uns wiedersehn,"
Steht auf dem Bild der Sieben
Geschrieben.
Mir waren jung Rekrulenblut,
Als wir zum Bild uns scharten,
Und träumten dock voll Übermut
Schon von Reservefahrten.
Und darum war uns dieser Spruch
Für unser Bild grad gut genug,
Nichts ahnend vom verderben
Und Sterben!
Der Erste aus dem Siebcnring
verließ uns schon im Frieden.
Als „111“ einst unterging,
war ihm der Tod beschicken.
Nun ruht er fern von Wald und Land
Im tiefen Meer bei Helgoland,
weiß nichts von Krieg und Kummer
Im Schlummer!
Als nächster schied, im Kriegeslauf,
Der blonde Walter Giese,
Er fuhr zur Themse mit hinauf
Auf „Königin Luise".
von jeher war er keck und kühn,
Drum war dies grad ein Merk für ihn,
Dem Engelsmann mit Minen
Zu dienen!
Der Dritte dann im Todesspiel
war Urban Grätz aus Bayern.
Er sprach mir von der Liebsten viel
Beim Wachen vor den Feuern.
Nie mehr winkt ihm Feinsliebchen zu,
In Flandern trug man ihn zur Ruh,
wie mag sie um den Einen
Nun weinen!
Ihm folgte dann als nächster Mann
Fritz wilknveit ans Danzig,
Ihn zog, man weiß nicht wo und wann,
Hinab „U. 29“.
<Db er durch brit'sche vinterlist,
Mb er im Kampf gefallen ist,
wird man wohl erst nach Jahren
Erfahren.
Der Fünfte war vom Elbestrand
Fürwahr ein guter Junge,
Stets hilfsbereit die starke Hand
Und schweigsam seine Zunge,
Den hat das Schicksal weit geführt,
Auf „Emden" war er stationiert,
Und mußt nach manchen Streichen
Erbleichen.
Der Letzte von der langen Reih',
Die sie zu Grabe trugen,
Der war am Skagerrak dabei,
Als wir den Briten schluaen.
Zwar liegt er nicht am Meeresgrund,
Man fischte ihn, doch todeswund
Ist er dann doch im Hafen
Entschlafen.
So sanken alle irgendwo
Ins kühle Grab hinunter,
Daß ich noch heute frisch und froh,
Erscheint mir wie ein Wunder,
Doch immer wird mir seltsam weh,
wenn ich das kleine Bild beseh',
Als wenn die aus den Tiefen
Mich riefen!
was tut 's, ich bin fidel »nd jung,
Mag nichts von Trauern wissen,
Doch sollt man einst zur Musterung
Auch meinen Ruf vermissen —
Dann schreibe in Dein Liedlein ein:
„war'n sieben Burschen, gut und fein,
Nun sind sie alle sieben
Geblieben!" —
Gberheizer Hans Dorvidat.
wohnschiff A e g i r , Wilhelmshaven.
M. Heilmann (Frankfurt a. M.)
Gemütlicher Abend
Gläsern liegen die Hänge im Reif.
Verfrorene Bäume stolpern kahl und steif,
Und schwarze Fichten humpeln breit
und schwer
Wie Bauernweiber talwärts drüber her.
Die Häuser huscheln rauchig hingeschmiegt
Am See im Tal, und blinzeln stillvergnügt
Dem Abend zu, der seine Nebel reißt
Und mit den Fetzen nach den Fenstern schmeißt.
Hanns Johst
Legendchen
Als die heiligen drei Könige zum Stall von
Betlehem kamen, fanden sie dort die Hirten vor,
die von den Herden herbeigeeilt waren und die
Krippe des Jesuskindes mit den schlichten Blumen
ihrer Felder umschmückt hatten. Denn kostbarere
Gaben besaßen diese Armen nicht.
Als nun die heiligen Drei ihre reichen Ge-
schenke ausgebreitet hatten und die Hirten sie
staunend sahen, sprachen sie unter sich:
„Was sollen unsere armen Blumen noch neben
diesen Wunderdingen aus Silber und Gold? Sie
werden deni Kinde mißfallen. Laßt sie uns ent-
fernen!"
Aber siehe, da schob der Iesusknabe mit dem
einen Füßchen die leuchtenden Kostbarkeiten be-
hutsam beiseite, streckte seine kleine Hand nach
den Blüten aus und ergriff ein einfaches Gänse-
blümchen. Dann hob er es zu seinen Lippen auf
und drückte einen Kuß auf seine Blütenkrone.
Seit jener Zeit haben die Gänseblümchen, die
bis dahin völlig weiß gewesen waren, am Saum
der Blätter ihre schöne Rosenfarbe, die wie ein
Schimnier der Morgenröte ist. In Wahrheit aber
rührt sie von jenem Kuß der heiligen Lippen des
Gottessohnes her. Hans Bethae
*
Gesetz
Halte dich für freigeboren
Unter Schächern und Verlognen
Und du hast bei den Verbognen
Jede Achtung gleich verloren!
Und sie werden dich verknüppeln
Und dich ganz heruntersetzen,
Denn du mußt sie stets verletzen
Als ein Grader unter Krüppeln!
Max Hayek
Einen Aervenchok erleiden Sie!
Mein Kamerad, der Landwirt, ist der
Erzählende, wenn wir nebeneinander mar-
schieren oder rasten. Sein Dorf und Acker,
sein Weib und Kinder, all sein Leben,
das stockende, will mit und wird Wort.
Ich habe gemerkt, daß mein Kamerad
zwar mir erzählt, wie alles daheim ist,
sich aber: wie er es weiterlebt. Arbeit,
Rot, Streit. . . Glück, Späße, Lum-
pereien . . . weit zurückliegende Dinge
widerfahren ihm aufs Reue.
Ost hat seine Erzählung keinen rechten
Schluß: und seine klägliche Miene zeigt
mir, wie er, nun weit vom Herd, sich keinen
Rat weiß. Er behauptet dann, sich nicht mehr
erinnern zu können, wie das ausging. Doch
meint er Geschehnisse von heute und morgen.
So unbeirrt häuslich sinnt mein Kanierad
— Ich will es ihm gleichtun, will mich
gleicherweise einem Hause und seinen Men-
schen zugehörig wissen. Da versage ich. Die
Menschen der Stadt, mit denen ich das ganze
Jahr verkehrte, denen ich sogar schreibe, sind mir
nur noch Name und Aussehen und Betragen,
Manchmal sage ich mir, mein Kamerad denkt
sicher: muß der ein dämliches Leben führen!
Dann schäme ich mich des Iuhörens und Fra-
gens, und eine meiner Erinnerungen, wie sie
just kommt und mich belustigt, krame ich aus.
Mir ist vom rechten Stiefel ein Stück
des Absatzeisens abgesprungen. Ich habe das
Eisen gänzlich fortgcrissen und schimpfe: „Ein
elendiges Laufen, ohne Eisen!"
„Ra, wird sein!" beteuert mein Kamerad.
Eine gute Weile lang loben wir einträchtig
und bis zur Begeisterung die Eigenschaften tüch-
tiger Stiefeleisen. Eine Erinnerung macht mich
auflachen: „Ich muß lachen. Mein ziviles Le-
ben fällt mir ein. Alle meine Schuhe zu Hause,
lind alle mit Gummi-Absätzen! Weeßte?"
Mein Freund weiß. Er nickt. Sieht mich
aber an, wie einen, der sich dick tun will.
Das ärgert mich: ich höre ihm ja neidlos
zu, wenn er all sein Joch und Vieh aufzählt.
„Ra, und da erinnere ich mich so recht,
was alles man sich im bürgerlichen Leben
einreden läßt. Vor Jahren war in den
Zeitungen eine Annonce, ein Reklamebild,
da deutete ein Zerrmanndcl eindringlich auf
seine Gummi-Absätze und rief beschwörend:
ohne diese Dinger erleide man bei jedem
Schritt einen Rervenchok! Verstehste?"
Mein Freund versteht und lacht verächt-
lich drei Mal Luft durch seine Hakennase.
— Solch absolute Geringschätzung beleidigt
mich. Ein wenig beschönigende Achtung
könnte dieser Bauer denn doch der städtischen
Kultur erweisen. Ich schlucke die Demütigung
bis zur Neige: „Also von da an tat ich
keinen Schritt ohne Gummi-Absätze."
„So siehste aus!" bestätigt mein Kamerad.
Verunglimpft schweige ich. Dann, um meine
Erzählung einigermaßen zu retten, schimpfe ich
wieder: „Einelendiges Laufen — ohne Eisen."
„Ra — wird sein!" So kläglich endet's,
wenn ich meinem Kameraden mal was aus
meinem Leben erzählen will.
Arthur Lemberg (Landstürmler)
2
Ich habe ein kleines Bild im Spind,
D'rauf sind wir ibrer Sieben.
Und Sechs von diesen Sieben sind
Für's Vaterland geblieben.
„Die Welt ist groß, die Welt ist schön,
wer weiß, ob wir uns wiedersehn,"
Steht auf dem Bild der Sieben
Geschrieben.
Mir waren jung Rekrulenblut,
Als wir zum Bild uns scharten,
Und träumten dock voll Übermut
Schon von Reservefahrten.
Und darum war uns dieser Spruch
Für unser Bild grad gut genug,
Nichts ahnend vom verderben
Und Sterben!
Der Erste aus dem Siebcnring
verließ uns schon im Frieden.
Als „111“ einst unterging,
war ihm der Tod beschicken.
Nun ruht er fern von Wald und Land
Im tiefen Meer bei Helgoland,
weiß nichts von Krieg und Kummer
Im Schlummer!
Als nächster schied, im Kriegeslauf,
Der blonde Walter Giese,
Er fuhr zur Themse mit hinauf
Auf „Königin Luise".
von jeher war er keck und kühn,
Drum war dies grad ein Merk für ihn,
Dem Engelsmann mit Minen
Zu dienen!
Der Dritte dann im Todesspiel
war Urban Grätz aus Bayern.
Er sprach mir von der Liebsten viel
Beim Wachen vor den Feuern.
Nie mehr winkt ihm Feinsliebchen zu,
In Flandern trug man ihn zur Ruh,
wie mag sie um den Einen
Nun weinen!
Ihm folgte dann als nächster Mann
Fritz wilknveit ans Danzig,
Ihn zog, man weiß nicht wo und wann,
Hinab „U. 29“.
<Db er durch brit'sche vinterlist,
Mb er im Kampf gefallen ist,
wird man wohl erst nach Jahren
Erfahren.
Der Fünfte war vom Elbestrand
Fürwahr ein guter Junge,
Stets hilfsbereit die starke Hand
Und schweigsam seine Zunge,
Den hat das Schicksal weit geführt,
Auf „Emden" war er stationiert,
Und mußt nach manchen Streichen
Erbleichen.
Der Letzte von der langen Reih',
Die sie zu Grabe trugen,
Der war am Skagerrak dabei,
Als wir den Briten schluaen.
Zwar liegt er nicht am Meeresgrund,
Man fischte ihn, doch todeswund
Ist er dann doch im Hafen
Entschlafen.
So sanken alle irgendwo
Ins kühle Grab hinunter,
Daß ich noch heute frisch und froh,
Erscheint mir wie ein Wunder,
Doch immer wird mir seltsam weh,
wenn ich das kleine Bild beseh',
Als wenn die aus den Tiefen
Mich riefen!
was tut 's, ich bin fidel »nd jung,
Mag nichts von Trauern wissen,
Doch sollt man einst zur Musterung
Auch meinen Ruf vermissen —
Dann schreibe in Dein Liedlein ein:
„war'n sieben Burschen, gut und fein,
Nun sind sie alle sieben
Geblieben!" —
Gberheizer Hans Dorvidat.
wohnschiff A e g i r , Wilhelmshaven.
M. Heilmann (Frankfurt a. M.)
Gemütlicher Abend
Gläsern liegen die Hänge im Reif.
Verfrorene Bäume stolpern kahl und steif,
Und schwarze Fichten humpeln breit
und schwer
Wie Bauernweiber talwärts drüber her.
Die Häuser huscheln rauchig hingeschmiegt
Am See im Tal, und blinzeln stillvergnügt
Dem Abend zu, der seine Nebel reißt
Und mit den Fetzen nach den Fenstern schmeißt.
Hanns Johst
Legendchen
Als die heiligen drei Könige zum Stall von
Betlehem kamen, fanden sie dort die Hirten vor,
die von den Herden herbeigeeilt waren und die
Krippe des Jesuskindes mit den schlichten Blumen
ihrer Felder umschmückt hatten. Denn kostbarere
Gaben besaßen diese Armen nicht.
Als nun die heiligen Drei ihre reichen Ge-
schenke ausgebreitet hatten und die Hirten sie
staunend sahen, sprachen sie unter sich:
„Was sollen unsere armen Blumen noch neben
diesen Wunderdingen aus Silber und Gold? Sie
werden deni Kinde mißfallen. Laßt sie uns ent-
fernen!"
Aber siehe, da schob der Iesusknabe mit dem
einen Füßchen die leuchtenden Kostbarkeiten be-
hutsam beiseite, streckte seine kleine Hand nach
den Blüten aus und ergriff ein einfaches Gänse-
blümchen. Dann hob er es zu seinen Lippen auf
und drückte einen Kuß auf seine Blütenkrone.
Seit jener Zeit haben die Gänseblümchen, die
bis dahin völlig weiß gewesen waren, am Saum
der Blätter ihre schöne Rosenfarbe, die wie ein
Schimnier der Morgenröte ist. In Wahrheit aber
rührt sie von jenem Kuß der heiligen Lippen des
Gottessohnes her. Hans Bethae
*
Gesetz
Halte dich für freigeboren
Unter Schächern und Verlognen
Und du hast bei den Verbognen
Jede Achtung gleich verloren!
Und sie werden dich verknüppeln
Und dich ganz heruntersetzen,
Denn du mußt sie stets verletzen
Als ein Grader unter Krüppeln!
Max Hayek
Einen Aervenchok erleiden Sie!
Mein Kamerad, der Landwirt, ist der
Erzählende, wenn wir nebeneinander mar-
schieren oder rasten. Sein Dorf und Acker,
sein Weib und Kinder, all sein Leben,
das stockende, will mit und wird Wort.
Ich habe gemerkt, daß mein Kamerad
zwar mir erzählt, wie alles daheim ist,
sich aber: wie er es weiterlebt. Arbeit,
Rot, Streit. . . Glück, Späße, Lum-
pereien . . . weit zurückliegende Dinge
widerfahren ihm aufs Reue.
Ost hat seine Erzählung keinen rechten
Schluß: und seine klägliche Miene zeigt
mir, wie er, nun weit vom Herd, sich keinen
Rat weiß. Er behauptet dann, sich nicht mehr
erinnern zu können, wie das ausging. Doch
meint er Geschehnisse von heute und morgen.
So unbeirrt häuslich sinnt mein Kanierad
— Ich will es ihm gleichtun, will mich
gleicherweise einem Hause und seinen Men-
schen zugehörig wissen. Da versage ich. Die
Menschen der Stadt, mit denen ich das ganze
Jahr verkehrte, denen ich sogar schreibe, sind mir
nur noch Name und Aussehen und Betragen,
Manchmal sage ich mir, mein Kamerad denkt
sicher: muß der ein dämliches Leben führen!
Dann schäme ich mich des Iuhörens und Fra-
gens, und eine meiner Erinnerungen, wie sie
just kommt und mich belustigt, krame ich aus.
Mir ist vom rechten Stiefel ein Stück
des Absatzeisens abgesprungen. Ich habe das
Eisen gänzlich fortgcrissen und schimpfe: „Ein
elendiges Laufen, ohne Eisen!"
„Ra, wird sein!" beteuert mein Kamerad.
Eine gute Weile lang loben wir einträchtig
und bis zur Begeisterung die Eigenschaften tüch-
tiger Stiefeleisen. Eine Erinnerung macht mich
auflachen: „Ich muß lachen. Mein ziviles Le-
ben fällt mir ein. Alle meine Schuhe zu Hause,
lind alle mit Gummi-Absätzen! Weeßte?"
Mein Freund weiß. Er nickt. Sieht mich
aber an, wie einen, der sich dick tun will.
Das ärgert mich: ich höre ihm ja neidlos
zu, wenn er all sein Joch und Vieh aufzählt.
„Ra, und da erinnere ich mich so recht,
was alles man sich im bürgerlichen Leben
einreden läßt. Vor Jahren war in den
Zeitungen eine Annonce, ein Reklamebild,
da deutete ein Zerrmanndcl eindringlich auf
seine Gummi-Absätze und rief beschwörend:
ohne diese Dinger erleide man bei jedem
Schritt einen Rervenchok! Verstehste?"
Mein Freund versteht und lacht verächt-
lich drei Mal Luft durch seine Hakennase.
— Solch absolute Geringschätzung beleidigt
mich. Ein wenig beschönigende Achtung
könnte dieser Bauer denn doch der städtischen
Kultur erweisen. Ich schlucke die Demütigung
bis zur Neige: „Also von da an tat ich
keinen Schritt ohne Gummi-Absätze."
„So siehste aus!" bestätigt mein Kamerad.
Verunglimpft schweige ich. Dann, um meine
Erzählung einigermaßen zu retten, schimpfe ich
wieder: „Einelendiges Laufen — ohne Eisen."
„Ra — wird sein!" So kläglich endet's,
wenn ich meinem Kameraden mal was aus
meinem Leben erzählen will.
Arthur Lemberg (Landstürmler)
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