Nicolas Gilles (in französischer Gefangenschaft)
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Zivildienstpflicht
„Und noch eines, lieber Adolf: wenn Du Granaten drehen mußt, mach' se nicht zu sezcssionistisch!"
was heißes Wasser, was wiederum ihre Gedan-
ken in einem wahren Wirbel durcheinander wehte.
Claus aber nahm an, daß ich nun zu meinem
Kaffee Grog trinken wollte, und begann mich
ganz offenkundig für verrückt zu halten.
Mit einer scheuen Gebärde stellte mir Marie
das heiße Wasser hin und schlüpfte sofort hinter
ihren Schenktisch. Dort war sie wenigstens einiger-
maßen in Sicherheit. Als ich nun aber das heiße
Wasser hineingoß und den Kaffee nach meinem
Geschmack zurechtkostete und zurechtbraute, ging
der Ausdruck ihrer Augen in ein geradezu boden-
loses Staunen über. Ihre Ansicht, daß ich etwas
besonders Vornehmes sein müsse, kräftigte sich
zusehends. So etwas von Raffinement konnte
man ja schlechterdings nur bei den ganz feinen
Leuten voraussetzen. Ihre Blicke hingen mit un-
geteilter Bewunderung an mir, als ich langsam
und mit sichtlichem Behageti den Trank schlürfte.
2m Laufe der folgenden Monate wurden Claus
und ich dann aber sehr gute Freunde. Im Be-
sonderen, als ich ihm erklärt hatte, daß ich später
ant Abend auch einem guten Glas Grog gelegent-
lich nicht aus dem Wege ginge. Wir kanien uns
dadurch menschlich näher und er begann nun
allerhand Fragen über den Krieg an mich zu
richten. Den einen seiner Jungen hatte er als
Infanteristen in französischer Gefangenschaft: der
andere war als Fischer bei der Marine einge-
zogen. Seine Gedanken arbeiteten immer cm dem
vielen schweren 3r< en des Krieges und wie die
meisten seiner Art ließ er sich nicht leicht in Ge-
spräche ein. Wenn ich kam, war es darum immer,
als wenn eine lang zurückgestaute Flut plötzlich
durchbräche. Ich hatte den Eindruck, als stapelte
er alle auftauchenden Fragen in seinem Gedächt-
nis sorgfältig aufeinander, um sie daun bei meinen
Besuchen mit mir durchzusprechen. Aber gute
Freunde wurden wir auf die Art und ich kam
nahezu jede Woche einmal.
Mit Marie ging es nicht so leicht. Sie kam
über das Raffinement mit dem heißen Wasser
und dem Kaffee nur schwer hinweg. Unerschüt-
terlich saß in ihrem schwachen Gehirn der Ge-
danke meiner besonderen Vornehmheit und machte
sie scheu.
Allniählich gelang es aber doch. Ich setzte in
einem zähen Kampf durch, daß sie mich mit der
weißen Serviette und dem silbernen Kaffeegeschirr
verschonte Dadurch fiel schon ein großes Stück
meiner Exklusivität und sie begann sich ganz zu-
traulich zu mir zu setzen. Aber freilich nur, wenn
Claus nicht zu Hause war. Claus war der Herr,
und wenn er mit einem anderen Herrn sprechen
wollte, hatte sie nicht zu stören. Sie saß dann
immer glücklich und bescheiden mit ihrer Näh-
arbeit hinter dem Schenktisch.
Traf ich sie aber einniul allein, setzte sie sich
zu mir und stellte genau wie Claus ihre Fragen.
Vom Krieg wollte sie nichts wissen. Das verstand
sie doch nicht. Sie sehnte das Ende herbei; aber
sie erwartete es nur wie eine Schickung von oben
oder wie einen Beschluß der Mannsleute. Die
beideu Dinge waren in ihrem Kopfe nicht sonder-
lich verschieden. Dafür aber wollte sie so un-
endlich viele andere Dinge wissen.
Ihr Junge hatte ihr geschrieben, daß er bei
französische» Bauern arbeite. Wie sah es in einem
französischen Dorf aus? Wuchs da auch das Koin
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Zivildienstpflicht
„Und noch eines, lieber Adolf: wenn Du Granaten drehen mußt, mach' se nicht zu sezcssionistisch!"
was heißes Wasser, was wiederum ihre Gedan-
ken in einem wahren Wirbel durcheinander wehte.
Claus aber nahm an, daß ich nun zu meinem
Kaffee Grog trinken wollte, und begann mich
ganz offenkundig für verrückt zu halten.
Mit einer scheuen Gebärde stellte mir Marie
das heiße Wasser hin und schlüpfte sofort hinter
ihren Schenktisch. Dort war sie wenigstens einiger-
maßen in Sicherheit. Als ich nun aber das heiße
Wasser hineingoß und den Kaffee nach meinem
Geschmack zurechtkostete und zurechtbraute, ging
der Ausdruck ihrer Augen in ein geradezu boden-
loses Staunen über. Ihre Ansicht, daß ich etwas
besonders Vornehmes sein müsse, kräftigte sich
zusehends. So etwas von Raffinement konnte
man ja schlechterdings nur bei den ganz feinen
Leuten voraussetzen. Ihre Blicke hingen mit un-
geteilter Bewunderung an mir, als ich langsam
und mit sichtlichem Behageti den Trank schlürfte.
2m Laufe der folgenden Monate wurden Claus
und ich dann aber sehr gute Freunde. Im Be-
sonderen, als ich ihm erklärt hatte, daß ich später
ant Abend auch einem guten Glas Grog gelegent-
lich nicht aus dem Wege ginge. Wir kanien uns
dadurch menschlich näher und er begann nun
allerhand Fragen über den Krieg an mich zu
richten. Den einen seiner Jungen hatte er als
Infanteristen in französischer Gefangenschaft: der
andere war als Fischer bei der Marine einge-
zogen. Seine Gedanken arbeiteten immer cm dem
vielen schweren 3r< en des Krieges und wie die
meisten seiner Art ließ er sich nicht leicht in Ge-
spräche ein. Wenn ich kam, war es darum immer,
als wenn eine lang zurückgestaute Flut plötzlich
durchbräche. Ich hatte den Eindruck, als stapelte
er alle auftauchenden Fragen in seinem Gedächt-
nis sorgfältig aufeinander, um sie daun bei meinen
Besuchen mit mir durchzusprechen. Aber gute
Freunde wurden wir auf die Art und ich kam
nahezu jede Woche einmal.
Mit Marie ging es nicht so leicht. Sie kam
über das Raffinement mit dem heißen Wasser
und dem Kaffee nur schwer hinweg. Unerschüt-
terlich saß in ihrem schwachen Gehirn der Ge-
danke meiner besonderen Vornehmheit und machte
sie scheu.
Allniählich gelang es aber doch. Ich setzte in
einem zähen Kampf durch, daß sie mich mit der
weißen Serviette und dem silbernen Kaffeegeschirr
verschonte Dadurch fiel schon ein großes Stück
meiner Exklusivität und sie begann sich ganz zu-
traulich zu mir zu setzen. Aber freilich nur, wenn
Claus nicht zu Hause war. Claus war der Herr,
und wenn er mit einem anderen Herrn sprechen
wollte, hatte sie nicht zu stören. Sie saß dann
immer glücklich und bescheiden mit ihrer Näh-
arbeit hinter dem Schenktisch.
Traf ich sie aber einniul allein, setzte sie sich
zu mir und stellte genau wie Claus ihre Fragen.
Vom Krieg wollte sie nichts wissen. Das verstand
sie doch nicht. Sie sehnte das Ende herbei; aber
sie erwartete es nur wie eine Schickung von oben
oder wie einen Beschluß der Mannsleute. Die
beideu Dinge waren in ihrem Kopfe nicht sonder-
lich verschieden. Dafür aber wollte sie so un-
endlich viele andere Dinge wissen.
Ihr Junge hatte ihr geschrieben, daß er bei
französische» Bauern arbeite. Wie sah es in einem
französischen Dorf aus? Wuchs da auch das Koin
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