®ie bei uns und batten sie Kühe und Schweine?
kannten sie auch Gänse, Enten und Hübner? bind
wie war es mit den Pferden? Ob die noch Butter
oü" „ '*et besahen? Waren es ordentliche red-
üche beule oder muhte man sich vor ihnen in acht
nehmen? Wenn sie so über uns berfielen, konnte
man ihnen vielleicht alles Mögliche Zutrauen.
Ich hatte im Grunde den Eindruck, dah die
Franzosen in der Vorstellungswelt Maries mit
^5" Fabelwesen untergegangener Zeiten eine grohe
Ähnlichkeit hatten. Ällmöhlich nahmen sie unter
!''°"'°r Hand aber doch menschliche Züge an und
>ch baute ihr ein französisches Phantasiedorf zu-
lammen, wie man einem Kind zu Weihnachten
aus einer Spielschachtel ein Dorf zusammenbaut.
es stimmte, war ja so unendlich gleichgültig.
f2>e hatte nun bestimmte greifbare Dorfstraßen,
m denen ihre Gedanken spazieren gehen konnten,
wenn sie an ihren Jungen dachte. Und eben
darnach hatte sie verlangt.
Als ich heute von dem alten Hof kam und das
Pflaster der kleinen Stadt unter meinen Füßen
fühlte, freute ich mich. Ich war lange nicht bei
Claus gewesen »nd wollte gern seine urwüchsige
Betrachtung der Dinge auf mich wirken lassen.
Als ich aber die Schenke betrat, war Claus
nicht zuhause und Marie stand schnell und nahe-
zu verängstigt hinter dem Schenktisch auf, um
mir draußen den Kaffee zu machen. Warum lief
sie so hastig, als schäme sie sich vor mir?
Ich hing meinen nassen Regenrock an den
Nagel und nahm h nter meinem gewohnten Tisch
Platz. Irgend etwas war da nicht in Ordnung.
Irgend etwas in ihrer engen Welt mußte über
den Hausen geworfen sein.
Als sie mir den heißen Trank hinstellte, zeigte
sie noch immer den bedrückten Zug.
»Na, Marie," ermunterte ich herzhaft, „was
ist denn los?"
Sie find) verlegen die Schürze.
„Darf idi's nicht wissen?"
»Hier nicht."
»Warum nicht?"
Die heiligen drei Könige
Sie wurden dich zu suchen nimmer müd.
Bis sie als Kind dich in der Wiege fanden,
Die Gottes Stern hell jauchzend überglüht,
Der sie herbeigeführt aus fernen Landen.
Wer möchte uns den Stern der Weisen senden?
Wir stünden, wenn wir dich geboren fanden,
Mit fremden Herzen und mit leeren Händen
Vor deiner Krippe, keiner Weihe hold.
Wer von uns hat noch Myrrhe, Rauch und Gold,
Um es vertrauend einem Kind zn spenden?
Eugen Roth
„Es könnten Leute kommen.."
„Müssen wir uns vor den Leuten schämen?"
„Ja," hauchte sie kaum hörbar.
Das sd>ien ernst zu sein.
„Wollen wir uns nidst in Ihre Küche setzen?
In der ganzen Elbgegend ist keine Küche so blank
gescheuert und so behaglich wie Ihre."
Sie sandle mir einen verschämten, dankbaren
Blick. Es war, als sei ihr zum ersten Mal seit
langer Zeit etwas Liebes begegnet. Dann raffle
sie sich plötzlich innerlid) zu einem Entschluß auf.
„Kommen Sie, ich trage Ihnen den Kaffee
hinaus."
Ich saß am Küchentisch und Marie lehnte
am Herd.
Sie hatte zunädist eine starke Erregung der
Scham niederzukämpsen, aber dann kam es mit
gesenkten Blicken und hastig: „Es ist man mit
der Emma. Seitdem wir das Schwein im Hause
haben, kümmert sich mein Mann garnicht um mich."
Marie drückte sich in ihrer Eifersudst etwas
kräftig aus; aber na-
„Bon wem haben Sie — hm — das Schwein
denn im Grunde bekommen?"
„Bon meinem Schwager."
„Von dem Hofbesitzer?"
„Ja."
Die ländliche Urkraft! Id) sah das dralle
Bauernmäddien vor mir.
Marie's Lippen wölbten sich höhnisch: „Er
sagte, das wäre etwas ganz Besonderes. Da
könnten wir uns die Hacken nad) ablausen. So
was Feines gäbe es im ganzen Kirdispiel nidit.
Wir müßten ihm ewig dakkbar sein. So 'ne
lütte söte Snut, sagte er immer."
„Und Ihr Mann?"
„Als er sie man bloß sah, war er schon ganz
verrückt. Er sagte gleid) Emma zu ihr."
„Heißt sie denn nid)t so?"
„Ach wo, das sagt er man."
„Woher kommt denn der Name?"
„Das mag id> gar nicht erzählen."
„Halber Kram taugt z» nichts. Nu man los^"
„Beim Apotheker am Markt war mal so'n
mäd>lig großes Dienstmädd>en, so'n rid>tiger Dra-
goner, wissen Sie. Die war ordentlich berühmt
in der ganzen Stadt. Die Mannsleute sagten,
so 'n paar Schinken wären in der Elbqegend
nad) garnicht dagewesen. Sie trieb sich ja immer
mit den Mannsleuten herum. Na, und dafür
wurde sie dann gelobt."
„Und an die fühlt sich Claus erinnert?"
„Ja, das sagt er wenigstens."
„Adi," kam es p ötzlich mit einem jähen Tränen-
ausbruch, „er ist ganz verrüdit. Er wird nie
mehr ordentlich."
„Na, na," suchte ich zu begütigen „wie äußert
sid) der Anfall denn nun eigentlich bei ihm?"
„Wenn wir etwas Gutes haben, muß id) es
ausheben und nachher trägt er es immer zu Emma
hinaus."
„Das ist nid)t hübsch von ihm."
(Fortsetzung auf Seite 11)
(Radierung)
Verlassene Psyche
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kannten sie auch Gänse, Enten und Hübner? bind
wie war es mit den Pferden? Ob die noch Butter
oü" „ '*et besahen? Waren es ordentliche red-
üche beule oder muhte man sich vor ihnen in acht
nehmen? Wenn sie so über uns berfielen, konnte
man ihnen vielleicht alles Mögliche Zutrauen.
Ich hatte im Grunde den Eindruck, dah die
Franzosen in der Vorstellungswelt Maries mit
^5" Fabelwesen untergegangener Zeiten eine grohe
Ähnlichkeit hatten. Ällmöhlich nahmen sie unter
!''°"'°r Hand aber doch menschliche Züge an und
>ch baute ihr ein französisches Phantasiedorf zu-
lammen, wie man einem Kind zu Weihnachten
aus einer Spielschachtel ein Dorf zusammenbaut.
es stimmte, war ja so unendlich gleichgültig.
f2>e hatte nun bestimmte greifbare Dorfstraßen,
m denen ihre Gedanken spazieren gehen konnten,
wenn sie an ihren Jungen dachte. Und eben
darnach hatte sie verlangt.
Als ich heute von dem alten Hof kam und das
Pflaster der kleinen Stadt unter meinen Füßen
fühlte, freute ich mich. Ich war lange nicht bei
Claus gewesen »nd wollte gern seine urwüchsige
Betrachtung der Dinge auf mich wirken lassen.
Als ich aber die Schenke betrat, war Claus
nicht zuhause und Marie stand schnell und nahe-
zu verängstigt hinter dem Schenktisch auf, um
mir draußen den Kaffee zu machen. Warum lief
sie so hastig, als schäme sie sich vor mir?
Ich hing meinen nassen Regenrock an den
Nagel und nahm h nter meinem gewohnten Tisch
Platz. Irgend etwas war da nicht in Ordnung.
Irgend etwas in ihrer engen Welt mußte über
den Hausen geworfen sein.
Als sie mir den heißen Trank hinstellte, zeigte
sie noch immer den bedrückten Zug.
»Na, Marie," ermunterte ich herzhaft, „was
ist denn los?"
Sie find) verlegen die Schürze.
„Darf idi's nicht wissen?"
»Hier nicht."
»Warum nicht?"
Die heiligen drei Könige
Sie wurden dich zu suchen nimmer müd.
Bis sie als Kind dich in der Wiege fanden,
Die Gottes Stern hell jauchzend überglüht,
Der sie herbeigeführt aus fernen Landen.
Wer möchte uns den Stern der Weisen senden?
Wir stünden, wenn wir dich geboren fanden,
Mit fremden Herzen und mit leeren Händen
Vor deiner Krippe, keiner Weihe hold.
Wer von uns hat noch Myrrhe, Rauch und Gold,
Um es vertrauend einem Kind zn spenden?
Eugen Roth
„Es könnten Leute kommen.."
„Müssen wir uns vor den Leuten schämen?"
„Ja," hauchte sie kaum hörbar.
Das sd>ien ernst zu sein.
„Wollen wir uns nidst in Ihre Küche setzen?
In der ganzen Elbgegend ist keine Küche so blank
gescheuert und so behaglich wie Ihre."
Sie sandle mir einen verschämten, dankbaren
Blick. Es war, als sei ihr zum ersten Mal seit
langer Zeit etwas Liebes begegnet. Dann raffle
sie sich plötzlich innerlid) zu einem Entschluß auf.
„Kommen Sie, ich trage Ihnen den Kaffee
hinaus."
Ich saß am Küchentisch und Marie lehnte
am Herd.
Sie hatte zunädist eine starke Erregung der
Scham niederzukämpsen, aber dann kam es mit
gesenkten Blicken und hastig: „Es ist man mit
der Emma. Seitdem wir das Schwein im Hause
haben, kümmert sich mein Mann garnicht um mich."
Marie drückte sich in ihrer Eifersudst etwas
kräftig aus; aber na-
„Bon wem haben Sie — hm — das Schwein
denn im Grunde bekommen?"
„Bon meinem Schwager."
„Von dem Hofbesitzer?"
„Ja."
Die ländliche Urkraft! Id) sah das dralle
Bauernmäddien vor mir.
Marie's Lippen wölbten sich höhnisch: „Er
sagte, das wäre etwas ganz Besonderes. Da
könnten wir uns die Hacken nad) ablausen. So
was Feines gäbe es im ganzen Kirdispiel nidit.
Wir müßten ihm ewig dakkbar sein. So 'ne
lütte söte Snut, sagte er immer."
„Und Ihr Mann?"
„Als er sie man bloß sah, war er schon ganz
verrückt. Er sagte gleid) Emma zu ihr."
„Heißt sie denn nid)t so?"
„Ach wo, das sagt er man."
„Woher kommt denn der Name?"
„Das mag id> gar nicht erzählen."
„Halber Kram taugt z» nichts. Nu man los^"
„Beim Apotheker am Markt war mal so'n
mäd>lig großes Dienstmädd>en, so'n rid>tiger Dra-
goner, wissen Sie. Die war ordentlich berühmt
in der ganzen Stadt. Die Mannsleute sagten,
so 'n paar Schinken wären in der Elbqegend
nad) garnicht dagewesen. Sie trieb sich ja immer
mit den Mannsleuten herum. Na, und dafür
wurde sie dann gelobt."
„Und an die fühlt sich Claus erinnert?"
„Ja, das sagt er wenigstens."
„Adi," kam es p ötzlich mit einem jähen Tränen-
ausbruch, „er ist ganz verrüdit. Er wird nie
mehr ordentlich."
„Na, na," suchte ich zu begütigen „wie äußert
sid) der Anfall denn nun eigentlich bei ihm?"
„Wenn wir etwas Gutes haben, muß id) es
ausheben und nachher trägt er es immer zu Emma
hinaus."
„Das ist nid)t hübsch von ihm."
(Fortsetzung auf Seite 11)
(Radierung)
Verlassene Psyche
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