Oer Aufstieg
Don Hermann Horn
In den Hof gingen zwei große Fenster, durch
die m:in die Maschinen der Fabrik laufen saß und
die Arbeiter im Hofe wimmeln. Zwischen den
Fenstern war ein großes grünes Stehpult für vier
Herren, je zwei an jeder Seite, und an einer Wand
stand noch ein Pult, während an der anderen die
Kopierpresse und ein Regal für Bücher und Fak-
turen Platz gefunden halten.
An der dritten Wand war eine Glastür«, durch
die man in den großen Packrauni sah, in dem
die Packer Ballen wälzten.
Das war eine Expeditionsabteilung der großen
Fabrik,
Der junge Kaufmann, der hier schon einige
Jahre angestellt war, hatte die Arbeit des Vor-
mittags, wo Schlag auf Schlag die Bestellungen
einliefen und gleich erledigt werden mußten, be-
wältigt, und sah müde und leer vor sich hin.
Mitunter bemühte er sich in einem sehnsüch-
tigen Drange, seine Arbeit mit selbstbeherrschter
Überlegung zu erledigen, daß er sie wie ein neues
Ereignis mit Klugheit vor sich hinstellte und über-
legen eine Entfernung zwischen sich und ihr er-
richtete, um Betrachtung und Phantasie zu nähren.
Aber sie war so gleichförmig und drängle sich in
so wilder Hast aus, daß er sich immer wieder mit
harter Entschlossenheit über sie hermachen mußte,
um sie in einem düsteren Feuer zu bewältigen,
das ihn nicht eher loslies, bis die Arbeit erledigt
war und er plötzlich mit einem Ruck leer stand.
Rach seiner Lehrzeit hatte er sich umgeschaut
und interessante Stellungen in Frankreich und
England gehabt. Aber nun war er schon etliche
Jahre hier. Gleich nach seinem Eintritt hatte er
sich gesagt: „Hier wirst Du nicht alt" und war
deshalb auch keinem Verein beigetreten, der ihm
gesellschaftliches Leben und Danienbekanntschaft
verschafft hätte. So gab es für ihn nirgends Er-
regungen, Wärme, Widerstände, und er hatte
daher ein wenig den festen Untergrund dem Leben
gegenüber verloren, und klebte infolge dessen ängst-
lich an seiner ablötenden Tätigkeit.
Als er heute so ans seinem Drehstuhl saß und,
ohne zu denken, ausgearbeitet und erschöpft vor
sich hinstarrte, erwachte in seinem Inner» ein un-
erklärlicher leiser Schmerz, deni er standhalten
mußte, wie er gleich einem Nebel ausstieg und sich
über die Unbeweglichkeit breitete, die tief unten
in ihm lag wie ein stilles, dunkles Gewässer.
Er war ganz dieser Empfindung hingegeben,
da trat in den Sehkreis seiner Augen, ohne daß
er es wollte, die in dieser Umgebung befremdliche
Gestalt eines schönen, jungen Mannes.
Hinter den Glasscheiben der Türe stand er in
einer hellen, glänzenden Lüsterjoppe, über der
reiches, hellleuchtendes Haar zu sehen war, und
verhandelte mit natürlicher Sicherheit und Grazie
mit einer Schaar Packer, die mit ihren zerschlissenen
Lederschürzen, schwitzend und bestaubt, wie Schmied-
knechte um einen jungen Gott standen.
Aber es war nur ein ehemaliger Student und
der Verwandte eines Direktors, der heute in diese
Abteilung eingestellt worden war.
In die matte Traurigkeit seines Innern brachte
diese Erscheinung dem jungen Kaufmann eine Er-
regung und eine sehnsüchtige Zärtlichkeit, denn
dieser junge Mann war nicht nur schön von An-
gesicht, sondern trug auch die Zeichen adeliger und
vornehmer Gesinnung in seinen Zügen. Sein
Lächeln war weich und seine Augen blickten ver-
trauensvoll und heiter in die Welt.
In deni Innern des einsamen Betrachters
prägte sich diese Erscheinung heiß ein, und es war
ihm zu Mute, als sollte er voll sehnsüchtiger Ver-
ehrung und schützender Zärtlichkeit hie Arme aus-
strecken, sich all dies zu erhalten. Als daher kurz
darauf dieser junge Mensch vor ihm stand und
ihn etwas fragte, war das Erlebnis noch so stark
in ihm, daß er dem neuen Kollegen voll inner-
licher Freundlichkeit in die Augen schaute. Und
mit Entzücken gewahrte er, wie in den Augen
Das Eichkatzl H. Blecken (Leutnant)
Herrenwort
„Ich will," das ist kein Herrenwort,
Das kann ein Jeder sagen.
Die Menschen wollen immerfort
Und wollen helft nicht wagen.
Das wahre AÄ/hrt, der Göttersang,
Das Lied der blanken Waffe,
Das Wort hat echten Herrscherklang:
Ich schaffe!
Max Rohrer (im Felde)
des andern die Freude darüber nusstieg als ein
dunkler staunender Glanz, der bald einer freudig
gestimmten, herzlichen Gefaßtheit wich.
Der junge Kaufmann hatte unter den sechs
Herren, die diesen Raum inne hatten, ohne ihr
Vorgesetzter zu sein, doch eine besondere Stellung,
so daß er über die Arbeit disponieren konnte.
Diesen Vorteil benützte er und teilte dem jungen
Menschen leichte und ihn fördernde Arbeit zu,
und tat das immer mit jener höher gestimmten
Freundlichkeit, die zwilchen ihnen beiden seit jenem
ersten Sehen unausgesprochen lebte.
Er lächelte, wenn er bemerkte, daß die andern
darüber die Köpfe zu'ammensteckten und tuschelten,
er wolle sich bei dem Verwandten des Direktors
einschmeicheln.
Einmal kam nach Geschäftsschluß der Reue
dicht hinter dem jungen Kaufmann aus dem Fa-
briktor, und es gab sich, daß sie miteinander bis
zur Wohnung des ehemaligen Studenten gingen.
„Wollen Sie nicht mit ein bißchen zu mir
hinaufkomnien," fragte dieser. „Meine Mutter
möchte Sie gerne kennen lernen."
Es war dem Kaufmaim, der kleiner Hand-
werksleute Kind war, wie in seiner Jugend zu
Mule, wenn er eine Rechnung hatte abliefern
müssen, oder keck einen reichen Kameraden abgeholt
hatte, als er der Aufforderung gefolgt war, und
still bewundernd den hell erleuchteten Borraum be-
trat, der mit Teppichen belegt und in heller Be-
leuchtung Bilder und einen schimmernden Küraß
mit gekreuzten Reitersäbeln zeigte.
Im Wohnzimmer, wohin er dann geführt
wurde, stand er plötzlich vor einer stattlichen Dame,
die ihn mit klugen, beobachtenden Augen be-
trachtete.
„Aber so nehnien Sie doch Platz! — Herr
Teubert. nicht wahr?" — sagte sie, nachdem sich der
Besucher ungeschickt verbeugt hatte, und machte
eine entschlossene Handbewegung, als räume sie
daniit Standesvorurteil und allen Unterschied aus
dem Wege.
„Es ist mir sehr lieb, daß es mein Sohn so
glücklich getroffen hat, bei Ihnen gleich so viel
Freundlichkeit beim ersten Eintritt in seinen neuen
Beruf zu finden," fuhr sie fort. „Ich bin Ihnen
wirklich von Herzen dankbar, und möchte Sie
bitten, sich auch weiterhin seiner anzunehmen und
Geduld mit ihm zu haben."
„Ach, Mama," schaltete der Sohn ein, „es
ist wirklich ein entsetzlicher Stumpfsinn, den wir
da zu tun haben. Nicht wahr, Herr Teubert!"
„Ja," erwiderte der, „das ist wahr, ich habe
auch schon lange fort wallen, aber ich weiß selber
nicht, warum ich noch immer da sitze."
„Aber so lange niein Sohn dort ist, werden
Sie doch hoffentlich noch bleiben", sagte die Dame
mit erschrockenem Blick.
„Gewiß, aber selbstverständlich," erwiderte
Herr Teubert.
Ec mutzte zum Nachtessen da bleiben, und
die verwitwete Frau Major, das war die Dame,
erzählte, daß der Direktor, der ihren Sohn neu ich
eingeführt hatte, ein Vetter ihres verstorbenen
Mannes sei, und ihren Sohn eigentlich zu seinem
Nachfolger bestimmt habe. Einstweilen sollte er
in seiner jetzigen Stellung, die gerade frei gewesen
war, bleiben, und dann wollte der Direktor Vetter
gelegentlich den Beamten, der von der Direktion
aus mit den einzelnen Abteilungen zu verhandeln
hatte, abschaffen, und ihm diese Stelle gebe». —
Ein paar Jahre später wollte er ihm dann den
eigenen Posten abtreten. Das alles ginge aber erst,
wenn der Geheinie Kommerzienrat, der eigent-
liche Gründer der Fabrik, die jetzt Aktiengesell-
schaft war, als erster Vorsitzender des Aufsichts-
rats gegangen wäre. Denn der sei ihrem Ver-
wandten nicht sehr wohlgesinnt, vor allem sei er
sehr darauf aus, daß nichts hinter seinem Rücken
geschähe, und sähe es nicht gerne, daß ein Direk-
tor zu groß würde, oder seine Verwandten in die
Fabrik unterbringe. Aber man sei daran, ihn
kalt zu stellen, da er eigensinnig und jähzornig sei,
und unter deni Einfluß dieser Affekte in. seineni
Alter schon manches Ungeschickte angestellt habe.
Durch das hingebende Betragen des jungen
Kaufmanns halte es sich ergebe», daß man so
vertraulich wurde, und die kluge Mutter erzählte
dem Teubert das alles, um ihn enger an ihren
schönen Sohn zu fesseln.
Mutter und Sohn waren von auswärts her-
gezogen und die Frau Major wollte, daß sich
ihr Kind langsam in das Neue eingewöhne, und
strebte daher fürs erste auch gar keinen andern
Verkehr für ihn an.
Der junge Mensch, der Lürckens hieß, be-
gleitete den neuen Freund noch ein Stück Weges
nach Hause und war merkwürdig schweigsam.
Doch als sie sich verabschiedeten, hielt er des an-
dern Hand eine Weile in der seinen und begann
dann ganz ernsthaft zu reden.
„Da ist noch etwas," sagte er, „weshalb ich
Ihnen auch dankbar bin, und auch Ihre Hilfe
brauche. Ich habe nämlich direkt eine brennende
Angst vor dieser Art Arbeit, die ich all die Leute
tun sehe und die ich jetzt auch tun soll. Mir
ift's, als sollt' ich mich in eine Maschine stürzen,
statt neben ihr zu stehen und sie zu leiten. Das
wäre ja nicht so schlimm, ich könnte ja wieder
zurück und weiter studieren, aber ich wollte selber
in diesen Beruf, denn ich will ein armes Mädchen
heiraten, mit dem ich heinilich verlobt bin und
das könnte ich nie als Jurist, weil wir nicht reich
sind."
„O," sagte Herr Teubert, „so was Ähnliches
haben wir alle durchgemacht, das verliert sich,
und ich werd' Ihnen schon . behilflich sein, Herr
Lürckens, da können Sie sich daraus verlassen."
„Danke," sagte der andere und schüttelte ihm
noch einmal die Hand. „Und von meiner Ber-
28
Don Hermann Horn
In den Hof gingen zwei große Fenster, durch
die m:in die Maschinen der Fabrik laufen saß und
die Arbeiter im Hofe wimmeln. Zwischen den
Fenstern war ein großes grünes Stehpult für vier
Herren, je zwei an jeder Seite, und an einer Wand
stand noch ein Pult, während an der anderen die
Kopierpresse und ein Regal für Bücher und Fak-
turen Platz gefunden halten.
An der dritten Wand war eine Glastür«, durch
die man in den großen Packrauni sah, in dem
die Packer Ballen wälzten.
Das war eine Expeditionsabteilung der großen
Fabrik,
Der junge Kaufmann, der hier schon einige
Jahre angestellt war, hatte die Arbeit des Vor-
mittags, wo Schlag auf Schlag die Bestellungen
einliefen und gleich erledigt werden mußten, be-
wältigt, und sah müde und leer vor sich hin.
Mitunter bemühte er sich in einem sehnsüch-
tigen Drange, seine Arbeit mit selbstbeherrschter
Überlegung zu erledigen, daß er sie wie ein neues
Ereignis mit Klugheit vor sich hinstellte und über-
legen eine Entfernung zwischen sich und ihr er-
richtete, um Betrachtung und Phantasie zu nähren.
Aber sie war so gleichförmig und drängle sich in
so wilder Hast aus, daß er sich immer wieder mit
harter Entschlossenheit über sie hermachen mußte,
um sie in einem düsteren Feuer zu bewältigen,
das ihn nicht eher loslies, bis die Arbeit erledigt
war und er plötzlich mit einem Ruck leer stand.
Rach seiner Lehrzeit hatte er sich umgeschaut
und interessante Stellungen in Frankreich und
England gehabt. Aber nun war er schon etliche
Jahre hier. Gleich nach seinem Eintritt hatte er
sich gesagt: „Hier wirst Du nicht alt" und war
deshalb auch keinem Verein beigetreten, der ihm
gesellschaftliches Leben und Danienbekanntschaft
verschafft hätte. So gab es für ihn nirgends Er-
regungen, Wärme, Widerstände, und er hatte
daher ein wenig den festen Untergrund dem Leben
gegenüber verloren, und klebte infolge dessen ängst-
lich an seiner ablötenden Tätigkeit.
Als er heute so ans seinem Drehstuhl saß und,
ohne zu denken, ausgearbeitet und erschöpft vor
sich hinstarrte, erwachte in seinem Inner» ein un-
erklärlicher leiser Schmerz, deni er standhalten
mußte, wie er gleich einem Nebel ausstieg und sich
über die Unbeweglichkeit breitete, die tief unten
in ihm lag wie ein stilles, dunkles Gewässer.
Er war ganz dieser Empfindung hingegeben,
da trat in den Sehkreis seiner Augen, ohne daß
er es wollte, die in dieser Umgebung befremdliche
Gestalt eines schönen, jungen Mannes.
Hinter den Glasscheiben der Türe stand er in
einer hellen, glänzenden Lüsterjoppe, über der
reiches, hellleuchtendes Haar zu sehen war, und
verhandelte mit natürlicher Sicherheit und Grazie
mit einer Schaar Packer, die mit ihren zerschlissenen
Lederschürzen, schwitzend und bestaubt, wie Schmied-
knechte um einen jungen Gott standen.
Aber es war nur ein ehemaliger Student und
der Verwandte eines Direktors, der heute in diese
Abteilung eingestellt worden war.
In die matte Traurigkeit seines Innern brachte
diese Erscheinung dem jungen Kaufmann eine Er-
regung und eine sehnsüchtige Zärtlichkeit, denn
dieser junge Mann war nicht nur schön von An-
gesicht, sondern trug auch die Zeichen adeliger und
vornehmer Gesinnung in seinen Zügen. Sein
Lächeln war weich und seine Augen blickten ver-
trauensvoll und heiter in die Welt.
In deni Innern des einsamen Betrachters
prägte sich diese Erscheinung heiß ein, und es war
ihm zu Mute, als sollte er voll sehnsüchtiger Ver-
ehrung und schützender Zärtlichkeit hie Arme aus-
strecken, sich all dies zu erhalten. Als daher kurz
darauf dieser junge Mensch vor ihm stand und
ihn etwas fragte, war das Erlebnis noch so stark
in ihm, daß er dem neuen Kollegen voll inner-
licher Freundlichkeit in die Augen schaute. Und
mit Entzücken gewahrte er, wie in den Augen
Das Eichkatzl H. Blecken (Leutnant)
Herrenwort
„Ich will," das ist kein Herrenwort,
Das kann ein Jeder sagen.
Die Menschen wollen immerfort
Und wollen helft nicht wagen.
Das wahre AÄ/hrt, der Göttersang,
Das Lied der blanken Waffe,
Das Wort hat echten Herrscherklang:
Ich schaffe!
Max Rohrer (im Felde)
des andern die Freude darüber nusstieg als ein
dunkler staunender Glanz, der bald einer freudig
gestimmten, herzlichen Gefaßtheit wich.
Der junge Kaufmann hatte unter den sechs
Herren, die diesen Raum inne hatten, ohne ihr
Vorgesetzter zu sein, doch eine besondere Stellung,
so daß er über die Arbeit disponieren konnte.
Diesen Vorteil benützte er und teilte dem jungen
Menschen leichte und ihn fördernde Arbeit zu,
und tat das immer mit jener höher gestimmten
Freundlichkeit, die zwilchen ihnen beiden seit jenem
ersten Sehen unausgesprochen lebte.
Er lächelte, wenn er bemerkte, daß die andern
darüber die Köpfe zu'ammensteckten und tuschelten,
er wolle sich bei dem Verwandten des Direktors
einschmeicheln.
Einmal kam nach Geschäftsschluß der Reue
dicht hinter dem jungen Kaufmann aus dem Fa-
briktor, und es gab sich, daß sie miteinander bis
zur Wohnung des ehemaligen Studenten gingen.
„Wollen Sie nicht mit ein bißchen zu mir
hinaufkomnien," fragte dieser. „Meine Mutter
möchte Sie gerne kennen lernen."
Es war dem Kaufmaim, der kleiner Hand-
werksleute Kind war, wie in seiner Jugend zu
Mule, wenn er eine Rechnung hatte abliefern
müssen, oder keck einen reichen Kameraden abgeholt
hatte, als er der Aufforderung gefolgt war, und
still bewundernd den hell erleuchteten Borraum be-
trat, der mit Teppichen belegt und in heller Be-
leuchtung Bilder und einen schimmernden Küraß
mit gekreuzten Reitersäbeln zeigte.
Im Wohnzimmer, wohin er dann geführt
wurde, stand er plötzlich vor einer stattlichen Dame,
die ihn mit klugen, beobachtenden Augen be-
trachtete.
„Aber so nehnien Sie doch Platz! — Herr
Teubert. nicht wahr?" — sagte sie, nachdem sich der
Besucher ungeschickt verbeugt hatte, und machte
eine entschlossene Handbewegung, als räume sie
daniit Standesvorurteil und allen Unterschied aus
dem Wege.
„Es ist mir sehr lieb, daß es mein Sohn so
glücklich getroffen hat, bei Ihnen gleich so viel
Freundlichkeit beim ersten Eintritt in seinen neuen
Beruf zu finden," fuhr sie fort. „Ich bin Ihnen
wirklich von Herzen dankbar, und möchte Sie
bitten, sich auch weiterhin seiner anzunehmen und
Geduld mit ihm zu haben."
„Ach, Mama," schaltete der Sohn ein, „es
ist wirklich ein entsetzlicher Stumpfsinn, den wir
da zu tun haben. Nicht wahr, Herr Teubert!"
„Ja," erwiderte der, „das ist wahr, ich habe
auch schon lange fort wallen, aber ich weiß selber
nicht, warum ich noch immer da sitze."
„Aber so lange niein Sohn dort ist, werden
Sie doch hoffentlich noch bleiben", sagte die Dame
mit erschrockenem Blick.
„Gewiß, aber selbstverständlich," erwiderte
Herr Teubert.
Ec mutzte zum Nachtessen da bleiben, und
die verwitwete Frau Major, das war die Dame,
erzählte, daß der Direktor, der ihren Sohn neu ich
eingeführt hatte, ein Vetter ihres verstorbenen
Mannes sei, und ihren Sohn eigentlich zu seinem
Nachfolger bestimmt habe. Einstweilen sollte er
in seiner jetzigen Stellung, die gerade frei gewesen
war, bleiben, und dann wollte der Direktor Vetter
gelegentlich den Beamten, der von der Direktion
aus mit den einzelnen Abteilungen zu verhandeln
hatte, abschaffen, und ihm diese Stelle gebe». —
Ein paar Jahre später wollte er ihm dann den
eigenen Posten abtreten. Das alles ginge aber erst,
wenn der Geheinie Kommerzienrat, der eigent-
liche Gründer der Fabrik, die jetzt Aktiengesell-
schaft war, als erster Vorsitzender des Aufsichts-
rats gegangen wäre. Denn der sei ihrem Ver-
wandten nicht sehr wohlgesinnt, vor allem sei er
sehr darauf aus, daß nichts hinter seinem Rücken
geschähe, und sähe es nicht gerne, daß ein Direk-
tor zu groß würde, oder seine Verwandten in die
Fabrik unterbringe. Aber man sei daran, ihn
kalt zu stellen, da er eigensinnig und jähzornig sei,
und unter deni Einfluß dieser Affekte in. seineni
Alter schon manches Ungeschickte angestellt habe.
Durch das hingebende Betragen des jungen
Kaufmanns halte es sich ergebe», daß man so
vertraulich wurde, und die kluge Mutter erzählte
dem Teubert das alles, um ihn enger an ihren
schönen Sohn zu fesseln.
Mutter und Sohn waren von auswärts her-
gezogen und die Frau Major wollte, daß sich
ihr Kind langsam in das Neue eingewöhne, und
strebte daher fürs erste auch gar keinen andern
Verkehr für ihn an.
Der junge Mensch, der Lürckens hieß, be-
gleitete den neuen Freund noch ein Stück Weges
nach Hause und war merkwürdig schweigsam.
Doch als sie sich verabschiedeten, hielt er des an-
dern Hand eine Weile in der seinen und begann
dann ganz ernsthaft zu reden.
„Da ist noch etwas," sagte er, „weshalb ich
Ihnen auch dankbar bin, und auch Ihre Hilfe
brauche. Ich habe nämlich direkt eine brennende
Angst vor dieser Art Arbeit, die ich all die Leute
tun sehe und die ich jetzt auch tun soll. Mir
ift's, als sollt' ich mich in eine Maschine stürzen,
statt neben ihr zu stehen und sie zu leiten. Das
wäre ja nicht so schlimm, ich könnte ja wieder
zurück und weiter studieren, aber ich wollte selber
in diesen Beruf, denn ich will ein armes Mädchen
heiraten, mit dem ich heinilich verlobt bin und
das könnte ich nie als Jurist, weil wir nicht reich
sind."
„O," sagte Herr Teubert, „so was Ähnliches
haben wir alle durchgemacht, das verliert sich,
und ich werd' Ihnen schon . behilflich sein, Herr
Lürckens, da können Sie sich daraus verlassen."
„Danke," sagte der andere und schüttelte ihm
noch einmal die Hand. „Und von meiner Ber-
28