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Ferd. Alb. Burger (Berlin)

Der Geburtstagskuchen

„— Und Weizenmehl is ooch drin! Das is doch nerr von Rumänien!"

lobung sagen Sie niemand elwas, meiner Mutter
erst recht nicht I"

„Ader natürlich nicht!"

Dann trennten sie sich und Herr Teubert schritt,
von all den neuen Eindrücken in eine freudige,
in dieser Art ganz neue Erregung versetzt, über
der die letzte Neuigkeit einen Augenblick wie ein
die Aufmerksamkeit fesselnder Nebel schwebte, lang-
sam seiner Wotznung zu.

Ach, diese feinen Leute schienen ihm wunder-
bar. Was war das für ein Verhältnis zwischen
Mutter und Sohn, wie sorgte und lebte diese
Frau für Ihr Kind. Seine Phantasie war ganz
erfüllt von diesen beiden säiönen Menschen, ihrer
Art zu sprechen, sich zu bewegen, zu lächeln und
über andere Leute klug zu reden.

Die Direktoren, die er kaum einmal auf der
Straße gesehen hatte, schienen ihm jetzt näher ge-
rückt, selbst der Geheime Konimerzienrat. Das
war ein großer, starker Mann mit weiß schim-
mernden Haaren. Er halte ihn nur einmal zufällig
aus nächster Nähe gesehen, als er vor Schmerz
und Wut sinnlos hinausgeschrieen hatte. Ein paar
Putzweiber hatten einen Eimer an der Treppe
stehen gelassen und er war dagegen gerannt.

„Wer hat den Eimer da stehen lassen?" hatte
er geschrieen. „Fort mit denen aus dem Hause!"'

Mil bleichen, erregten Gesichtern, in denen der
unterdrückte Zorn zitierte, etwas sagen zu wollen,
was sie sich nicht getrauten, hatte der Teubert die
beiden Weiber dann nüt ihren Pesen abziehen sehen.

Nun wußte er, daß der Geheimrat einen seiner
Söhne nicht mehr sehen wollte, weil er Maler
geworden war, und daß ihn sein Schwiegersohn
durch einen Detektiv beobachten ließ, weil er be-
fürchtete, der Geheimrat werde sich mit seiner
Haushälterin verheiraten.

Das Schicksal seines neuen Freundes schien
dem jungen Kaufniann, ohne daß er sich's er-

klären konnte, durch die letzte Neuigkeit seiner
Verlobung schwer und drohend, und doch rührte
es ihn wieder und regte ihn zum Entschlüsse an,
ihm treu beizustehen und ihm behilflich zu sein,
seinen Weg zu machen.

Und diese neue Aufgabe hielt Teubert in stän-
diger, erregter Spannung, die ihn befähigte, nicht
nur den Ansprüchen Lürckens an Freundschaft zu
genügen, sondern auch von dessen Anschauungen
und Gewohnheiten anzunehmen, was ihn befruchten
und reicher machen konnte.

Nach einiger Zeit erkrankte eben jener Direktor,
dem der junge Lürckens verwandt war, und der
alte Geheimrat selber vertrat ihn.

Da fand der junge Kaufmann eines Tages
seinen jungen Freund sehr aufgeregt. „Hören
Sie," sagte er, „mein Onkel ist krank, und der
Herr Thomas, — das war eben jener Herr, dessen
Posten ihm zugedacht war, — hat genierkt. daß
mein Onkel ihn abschieben und nur seinen Posten
geben will. Damit er uns reinlegen kann, hat
er sich jetzt auch krank gemeldet, und wird wohl
gar nicht mehr kommen. Jetzt sitzen wir da, ich
kann ihn noch nicht vertreten, während der Ge-
heimrat meines Onkels Geschäfte erledigt, und
weim man einem andern das Amt gibt, könnte
der überhaupt nach der Stelle schnappen, die ich
jetzt noch nicht versehen kann, ohne daß mein
Onkel mir behilflich ist. Der einzige Ausweg
wäre, Sie übernähmen das Amt einstweilen."

„Ich?" — frug der junge Kaufmann erstaunt.

„Tun Sie mir den Gefallen. — ich telephoniere
meinem Onkel, daß er Ordre gibt, Ihnen die Ver-
tretung zu geben."

So zog der junge Kaufmann, überrascht und
ohne irgendweläie Überlegung noch diesen Mor-
gen in ein kleines Kabinett ein, das neben dem
Arbeitsraum des Direktors lag, und bald stand
er dem gefürchteten Herrn über alles gegenüber.

Weil er aber nichts verlangte und erwartete von
ihm, konnte er gut Rede und Antwort stehen,
und fand, daß nicht nur die Arbeit anregend in
ihrer Neuheit war, sondern daß sich auch mit
diesem Manne gut arbeiten ließ.

Als er glücklich und zufrieden nach einigen
Stunden in den Konlorraunr zu seinem jungen
Freund kam, fand er den mit verwirrten Augen
vor einem großen Stoße unerledigter Arbeit, denn
man hatte ihm inzwischen auch noch seinen Posten
zur Vertretung gegeben.

„Könnten Sie es nicht ermöglichen, daß mir
das abgenommen wird?" fragte Lürckens, — „ich
kann's nicht fertig bringen."

„Aber nein," erwiderte da der junge Kauf-
mann, „es geht nicht. Jetzt müssen Sie schon auch
mir diese Gefälligkeit erweisen, denn sonst nimmt
mir inzwischen ein anderer meinen Posten weg."

Da sagte der junge Lürckens und errötetet
„Nein, gewiß nicht, entschuldigen Sie!"

Alles möchte er für sich haben, dachte Teubert
dann, als er die Treppe hinaufstieg, und nichts
für andere tun. Jetzt soll er auch einmal sehen,
wie's ist, wenn man wirklich arbeiten muß.

Und es kam eine grausame Härte über ihn,
wenn er weiter dachte, daß dieser schöne, junge
Mensch nun auch diese Leere der Ermüdung in
sich fühlen werde, wie er, und er schloß: da kann
jeder so wie der werden, wenn man immer andere
für sich arbeiten läßt.

Als er am Abend dieses Tages zu Hause saß
und seinen Tee kochte, lösten sich auf einmal alle
seine Gefühle. Warum, sagte er sich, soll sich alles
nur um ihn drehen? Sein Lebtag ist's ihm gut
gegangen rmd hat mair sür ihn gesorgt, und des-
halb meinen er utid seine Mutter, so müßte es nun
immer weiter gehen.

Und es fiel ihm der erschrockene Biick dieser
Frau ein, wie er am ersten Tage gesagt hatte, er

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