Notizen
Heute brachte mir der Zeitungsbote einen
neuen Wandkalender, einen für 1917: mit
schönen Bildern und dein üblichen kleinen
Raum für Notizen. Die Bilder sind natür-
lich kriegerisch, sehr kriegerisch —, es scheint,
als ob der Zeichner sich nicht genug daran
konnte; als ob noch das ganze kommende
2ahr erzittern sollte rinter dem Gekrach ber-
stender Granaten, unter dem Geheul sausender
Kartätschen und dem Einschlagen schwerster
Wurfminen — Wie war doch der alte Ka-
lender? Komm her, zeig' Dich, Hab' Dich ja
kaum gesehen, weil ntich das Jahr fern der
Heimat fand. Sieh da, eine kleine Schrift
hat sich auf Deine» freien Notizzeilen ein-
gegraben, wohlbekannte, liebe Schriftzüge,
die ich draußen oft innig geküßt habe: meine
Frau hat sich Notizen gemacht .... Ein
Kriegs-Tagebuch im lapidarsten Stil: große
Ereignisse — kleine Ereignisse und Gedanken.
Ein ganzes Zahr Weltgeschichte und weh-
mütigen, persönlichen Erlebens. „Monte-
negro bittet um Frieden," lese ich da, und
dahinter steht: „Der erste also!" . . . Das
ist die so bald vernichtete Hoffnung meiner
kleinen Frau .... Und dann steht da:
„Unser Ansturm auf Verdun kommt zum
Stillstand" . . . Wieder eine Hoffnung, die
zuschanden wurde_ Weiter unten: „Wir
sind in Dmazzo" und wieder weiter: „Die
,Möve* ist da! Hurra!" Dann: „Kat el
Amara übergeben" ... und darunter: „See-
sieg im Skagerrak" ... So geht das weiter,
E. Hansen
die ganzen Monate hindurch. Und dazwischen,
mit unsicheren Echriftzügen eingetragen, das
persönliche Erleben: „Bruder Karl rückt zunr
zweitenmal ins Feld" . . . später: „Männe
hat seit zwei Wochen nicht geschrieben, ich
ängstige mich" .... wieder später: „Mutter
telegraphiert. Karl gefallen" ... Und dann:
„Noch keine Nachricht, ich bin ohne Ruhe"
.... Ein besorgtes Frauenherz zittert hier
durch die Tage, eins von so rmendlich vielen.
Dann lese ich: „Heute endlich" — und ich
weiß, was ich ergänzen muß: „.. . . eine
Nachricht erhalten" ; weiter: „Onkel Richard
schwer verwundet" . . ., dann: „Männe will
auf Urlaub kommen, Hurra!" — Das gleiche
Hurra! wie bei der Rückkehr der „Möoe":
Frauenherz . . . Und ganz unten finde ich
schließlich die Notiz: „Er kommt nicht, ist
verwundet. Ich bete" . . .
Da lege ich die Notizen beiseite —. Ein
neues Jahr kommt, . . . mit einem neuen
Kalender — für neue Notizen .. . Und der
Zeichner hat so schöne Bilder zu den Notizen
gemalt. * Paul Ickes
Wahre Geschichtchen
Exzellenz läßt sich die Vffiziere eines Regiments
seiner neuen Division anläßlich eines Festmahls
vorstellen. Er unterhält sich verschiedentlich und
fragt u. a. auch nach dem Zivilberuf der einzel-
lferren. So kommt er auch zu Leutnant S.,
Doktor der Philosophie und Direktor eines Gym-
nasiums, der sich trotz seines Alters von zs Jahren
ein jugendliches, glattrasiertes Gesicht bewahrt
hat und sich im stillen schon freut, daß er Ex-
zellenz mit drei zukünftigen Vaterlandsverteidigern
aufwarten kann. Der Kommandeur stellt vor:
„Leutnant d. R. 8., Direktor vom Gymna-
sium zu X."
„So, so," schmunzelt Exzellenz, indem er dem
(Offizier auf die Schulter klopft, „direkt vom
Gymnasium? Na, das freut mich, mein Sohn!"
*
Auf iuiferm Marsch durch ein französisches
Dorf, fragt, nachdem wir vor einer Wirtschaft
palt gemacht haben, ein biederer Münchner die
Wirtin:
„Sie, hab'n S' nix zum Esten — zum Beispiel
a Bier?"
r
---- man auf die Münchner .^JUGEND“ Beza« zu nehmen.
Uostellumsen bittet man u
]
„ Hol etwalfc’eD
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Heute brachte mir der Zeitungsbote einen
neuen Wandkalender, einen für 1917: mit
schönen Bildern und dein üblichen kleinen
Raum für Notizen. Die Bilder sind natür-
lich kriegerisch, sehr kriegerisch —, es scheint,
als ob der Zeichner sich nicht genug daran
konnte; als ob noch das ganze kommende
2ahr erzittern sollte rinter dem Gekrach ber-
stender Granaten, unter dem Geheul sausender
Kartätschen und dem Einschlagen schwerster
Wurfminen — Wie war doch der alte Ka-
lender? Komm her, zeig' Dich, Hab' Dich ja
kaum gesehen, weil ntich das Jahr fern der
Heimat fand. Sieh da, eine kleine Schrift
hat sich auf Deine» freien Notizzeilen ein-
gegraben, wohlbekannte, liebe Schriftzüge,
die ich draußen oft innig geküßt habe: meine
Frau hat sich Notizen gemacht .... Ein
Kriegs-Tagebuch im lapidarsten Stil: große
Ereignisse — kleine Ereignisse und Gedanken.
Ein ganzes Zahr Weltgeschichte und weh-
mütigen, persönlichen Erlebens. „Monte-
negro bittet um Frieden," lese ich da, und
dahinter steht: „Der erste also!" . . . Das
ist die so bald vernichtete Hoffnung meiner
kleinen Frau .... Und dann steht da:
„Unser Ansturm auf Verdun kommt zum
Stillstand" . . . Wieder eine Hoffnung, die
zuschanden wurde_ Weiter unten: „Wir
sind in Dmazzo" und wieder weiter: „Die
,Möve* ist da! Hurra!" Dann: „Kat el
Amara übergeben" ... und darunter: „See-
sieg im Skagerrak" ... So geht das weiter,
E. Hansen
die ganzen Monate hindurch. Und dazwischen,
mit unsicheren Echriftzügen eingetragen, das
persönliche Erleben: „Bruder Karl rückt zunr
zweitenmal ins Feld" . . . später: „Männe
hat seit zwei Wochen nicht geschrieben, ich
ängstige mich" .... wieder später: „Mutter
telegraphiert. Karl gefallen" ... Und dann:
„Noch keine Nachricht, ich bin ohne Ruhe"
.... Ein besorgtes Frauenherz zittert hier
durch die Tage, eins von so rmendlich vielen.
Dann lese ich: „Heute endlich" — und ich
weiß, was ich ergänzen muß: „.. . . eine
Nachricht erhalten" ; weiter: „Onkel Richard
schwer verwundet" . . ., dann: „Männe will
auf Urlaub kommen, Hurra!" — Das gleiche
Hurra! wie bei der Rückkehr der „Möoe":
Frauenherz . . . Und ganz unten finde ich
schließlich die Notiz: „Er kommt nicht, ist
verwundet. Ich bete" . . .
Da lege ich die Notizen beiseite —. Ein
neues Jahr kommt, . . . mit einem neuen
Kalender — für neue Notizen .. . Und der
Zeichner hat so schöne Bilder zu den Notizen
gemalt. * Paul Ickes
Wahre Geschichtchen
Exzellenz läßt sich die Vffiziere eines Regiments
seiner neuen Division anläßlich eines Festmahls
vorstellen. Er unterhält sich verschiedentlich und
fragt u. a. auch nach dem Zivilberuf der einzel-
lferren. So kommt er auch zu Leutnant S.,
Doktor der Philosophie und Direktor eines Gym-
nasiums, der sich trotz seines Alters von zs Jahren
ein jugendliches, glattrasiertes Gesicht bewahrt
hat und sich im stillen schon freut, daß er Ex-
zellenz mit drei zukünftigen Vaterlandsverteidigern
aufwarten kann. Der Kommandeur stellt vor:
„Leutnant d. R. 8., Direktor vom Gymna-
sium zu X."
„So, so," schmunzelt Exzellenz, indem er dem
(Offizier auf die Schulter klopft, „direkt vom
Gymnasium? Na, das freut mich, mein Sohn!"
*
Auf iuiferm Marsch durch ein französisches
Dorf, fragt, nachdem wir vor einer Wirtschaft
palt gemacht haben, ein biederer Münchner die
Wirtin:
„Sie, hab'n S' nix zum Esten — zum Beispiel
a Bier?"
r
---- man auf die Münchner .^JUGEND“ Beza« zu nehmen.
Uostellumsen bittet man u
]
„ Hol etwalfc’eD
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