Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1 ein Kind war, hat sie immer sehr hoch ge-
en, ich weih es. Aber ich war ein halbwüch-
Bengel, der einzige, der Anspruch auf Dem
läppisches kleines Spiel machle, und ich
mnen gelernt.

ist nach Ansicht vernünftiger Men-
schen eir iel an Selbstbeherrschung. Ihre
Cifersuu, > . stinkt, grober, bestialiscker In-
stinkt. Diej die immer der Spott aller

Männer gew. war, die nie Menschenliebe
empfunden hatte, n *e tierisch all die uner-
löste Kindesliebe ih ' auf Dich kleines,

patschendes Wesen.

Sie war schlau vor % item. Sie lieh

Dich vom Arm, wenn Deine Mutter kam, aber
wenn ich nahe stand, hörte ia, sie fauchen vor
Erregung. Wirklich, fauchen, — ich kann's nicht
anders nennen. Ich Tropf von zwölf Jahren
dachte immer an die Wildkatze, die Dein Pater
einmal mit mir schoh. Gerade so war's. In
solchen Augenblicken ruhte sie auch nicht, bis sie
Dich wieder in den Armen hatte. Im Grunde
genommen, haßte sie Deine Mutier unsäglich, weil
sie die einzige war, die noch em Recht aus Dich
hatte. Aber Deine kleine Mutier nannte es An-
hänglichkeit und war gerührt über die Alte.

Und mich haßte sie. Denn Du verständiges,
kleines Ding hattest schon in jenen Jahren eine
lebhafte Borliebe für Deinen Vetter, die ich sonder-
barerweise teilte. Obgleich ich sonst, — damals
wohlverstanden, — von jungen Mädchen soviel
hielt wie von den jungen Katzen des grauhaarigen
Gärtners Piet Behv ns, die er immer mit einer
gew ssen feierlichen Umständlichkeit ersäufte.

So kam's denn, daß ich bei jeder Gelegenheit
mich an Dich kleines Wesen heranschlich und die
Alte zu überlisten versuchte. Einmal schob ich ihr
den Schmetterlingske cher übers Gesicht, einmal
fand ich sie schnarchend und konnte Dich in der
Wiege schaukeln, bis D» krähtest. Oder Deine
Mutter rief das Ungeheuer irgendwie und Du
bliebst einen Augenblick allein. Das waren Ge-
legenheiten, auf die ich stundenlang warten konnte.

Du siehst, ich verzog Dich damals bereits!
Dabei bildeie sich aber >m Lauf des Jahres eine
erbitterte Feindschaft zwi'chen mir und Lieschen
Loop, wir standen auf Stein und Knüppel.

Eine Schwäche hatte sie noch. Sie legte all
ihr Geld in den unglaublichsten Kleidern an. Ver-
sorgt war sie wohl, Schlaf iind Brot hatte sie
im Haus. Blieb ihr das kleine Bargeld, das
sie als Wärterin erhielt, und dafür hatte sie sich
wohl ein Dutzend buntgeblümter Röcke und schreiend
grelle Blusen und Hüte gekauft.

Der alte Gärtner Piet Behrens bezog's auf
sich. Er glaubte auch wohl, Lieschen Loop hätte
genug für ein ruhiges Ende für sie beide. Er
hal's genug erfahren.

Na, ich wollte nur sagen, daß sie mit ihren
Kleidern natürlich auch manches Wort auf sich
öog. Die Jungen gingen etwas rauh mit ihr um.
Aber Sie verzieh's allen mit ihren großen dummen
Aligen. Sie gab nur acht, daß Dir nichts ge-
schah i im übrigen war s ihr gleich, die Jungen
wollten ja nichts von Dir.

Nur wenn i ch etwas wagte, — nur das
wagte, was auch die andern taten, dann lief
Lieschen Loop, — Herrgott, wie konnte sie
aufen. wenn sie bös war, fast wie ein Junge.

Und manches Mal hätte sie mich fast gekriegt.

Einmal hatl's mich erreicht. Da hatte ich
Pich aus der Wiege gehoben und konnte
"jcht laufen, ohne Dich hinzuwerfen. Da
"Ut sie mich stahlhart am Arni fest, so fest,
baß ich Hag, ohnmächtig war und kein Wort
herausbrachte, bettete Dich mit der andern
Hand sorgfältig und führte mich dann zum
Graben. Und da tauchte sie mich ohne Um-
stande hinein, einmal, zwe mal, dreimal, ganz
lange, big ich fast bewußtlos zusammenbrach,
ivann ließ sie niich liegen, so wie ich war,
uiid hätte ich mich nicht mit meiner letzten
Vernunft totgestellt, sie wär' wieder gekom-
men und hätte noch 'mal angefangen.

Meinem fünfzehnjähngen Brudee

uns gesagt, Du schriest wie ein angehender Bürsten-
1 n„ ...„■•IJ, .niMifp sich hi'tl Schweiß

Wir reiten selbander durch Heimatland
Die Rosse schnauben leise.

Mein Kamerad, gib mir die Hand!

Bald — bald — und es trennt uns die Reise.
Ich sah Dich werden, ich kenn Dich gut,
Lang trabt ich an Deiner Seite.

Du weißt nicht, wie an Dir hängt mein Blut,
Ich schaute immer ins Weite.

Du weißt nicht, daß Dich mein Blick bewacht
In heimlichem Stolz und Sorgen,

Und ob mir das Herz im Leibe gelacht —
Ich habe es treulich verborgen.

Roch ahnt Dein Arm nicht, wie stark er ist,
Du spieltest erst mit dem Schwerte,

Doch ich weiß in verschwiegnem Stolz,

wer Du bist,

Als Dein Spiel- und Waffengefährte.

Roch ein Weilchen, dann trabst Du allein

im Wind

Auf nachtverhangenen Wegen —

Leb wohl! leb wohl! mein Freund und

mein Kind!

Das ist mein Segen.

Putlkamer

Bleib tapfer!

In Haus habe ich getagt, ich wär' ins Wasser
gefallen. Kein Wort Hab' ich rausgekriegt, so
tödliche Angst Hab' ich gehabt. Und doch spürte
ich instinklmäßig die Gefahr, die dies Weib für
Dich war, wenn einmal ihr Irresein zum Irrsinn
zu Tage brach.

Der alte Gärtner Piet Behrens hat's ähnlich
erfahren müssen. Den hatten die bunten, neuen
Kleider richtig so weit gebracht, daß er sich so un-
gefähr mit dem Ungetüni versprach. Deine Ellern
haben viel darüber gelocht, ich weiß es, aber der
alte Graubart wußte es sonderbarerweise so einzn-
richten, daß Lieschen Loop am Ende nicht ganz un-
empfän stich geblieben war. Er durfte selbst an
Deine Wiege, und wenn er so recht gerührt tat,
dann leuchteten die Augen der Großen, — etwas
hexisch fand ich sie immer, — so schwefelgelb.

Bis er sich eines Tages unterfing, Dich zu
wiegen, — und wie's so ist, wenn Leute, die
nicht dazu taugen, sich mit jungen Mädchen
beschäftigen, — er schmiß Dich mitsamt der
Wiege um.

Ich hatt's von weitem gesehen, und es schien
mir erst ein diebischer Spaß, ich brüllte vor Lachen.
Nun nmß der ins Wasser, dachte ich.

Lieschen Loop baute ganz ruhig die Wiege
wieder auf, als fei nichts geschehen. Der Alte

binder, — trat sie zurück, wischte sich den Schweiß
von der Stirn und wandte sich zum alten Behrens.

Ihr Blick mar giftgelb, ich habe selten so etwas
Schreckliches wiedergesehen. Ohne ein Wort zu
sagen, faßte sie ihn mit ihren Schlingarmen und
preßte ihn langsam an sich. Der Alte wollte sich
wehren, er schrie wie ein Wilder. Dann quollen
seine Augen auf, er stöhnte und knickte totenbleich
in die Kniee.

Piet Behrens hat die Große nicht gefreit.

Er sagte immer, von einem Mal hätte er genug.

Es ist eine gewisse Zeit vergangen, bis ich
sie zum letzten Male sah. Es mar in Lieschen
Loops Slerbekannner. Ein Piarrer war da, ich
hatte mich eingeschlichen, weiß nicht, warum man
mich nicht verjagte. Und Deine liebe, kleine Muiter
war da, und ein neues Kindermädchen mit Dir
auf dem Arm. Die Kranke hatte verlangt, Dich
zu sehen.

Ich hielt mich unten am Bett und hatte kein
Verständnis für Gebrechen und Tod. Ich mußte
daran denken, daß die Frau, die da schweratmend
lag, mich halte ertränken wollen. Und ich niiißte
an Piet Behrens, den Gärtner denken, der sagte,
daß es eine Erlösung für alle wäre. Mit all
der Mstleckslosigkeit der Jugend, eigentlich mit
einer An Neugier, hörte ich den feierlichen Gebeten
des Pfarrers zu, sah, wie sich draußen Leute
drängten, und hatte nur die Angst, nian möchte
mich, der ich halb verkrochen in der Ecke hockte,
Hinausweisen.

Da irat Deine Mutter zum Bett. Das neue
Mädchen trug Dich auf dem Arm und auf einmal
sah ich deutlich aus der Ecke bei Lieschen Loop
wieder den gelben Blick, mit dem sie damals den
Gärtner gepackt hatte. Eine rachsüchtige Eifersucht
war's, die Dich nicht der andern lassen wollte, und
gleichzeitig eine Art tieriiche Sterbensqual. Ich
schaute ganz deutlich in ihre Augen und mir war,
als wären die gar nicht menschlich. So unheim-
lich war's, wie damals, als Piet Behrens zu-
sammenbrach.

Die Kranke hob ihre Arme und murmelte
etwas. Das Mädchen verstand es wohl, beugte
sich mit Dir über, als wollte sie Dich ihr näher
bringen. Du schrieest und wolltest zu Deiner
Mutter, als begriffst Du Lieschen Loops Blick.
Ich weiß nun nicht, ob das Mädchen Dich nur
noch einmal den matter werdenden Augen zeigen
wollte, oder ob sie Dich ihr wirklich in den Arm
geben wollte. Ich sah nur die tierische Eifersucht
der Blicke und sah die Arme der Großen, die surcht-
baren Arnie, die sich langsanr zu Dir hoben, wie
um Dich zu umschlingen. Da sprang ich schreiend
auf und warf mich blitzschnell wie eine Katze gegen
das Mädchen, daß sie mit Dir zurückiaumelte.

Als ich mich wandte, sah ich, wie Lieschen
Loops Augen geschlossen waren. Nur die Arme
bewegten sich knackend und krampfartig zur Brust.
Mir mar, als erstickte sie Dich in ihren letzten
Gedanken, wollte Dich nicht von sich lassen
auf ihrem Weg ins Jenseits.

Deine Mutter und all die andern weinten
um sie.

Damals Hab' ich Dir, mein' ich, das
x Leben gerettet, Liebling!"

Der Feind

ANDACHT IN AILES

A. Dergwill
(gefallen vor Verdun)

Da liegst Du nun, ich schlug Dich tot;
Dein Blut, es rinnt so jung, so rot.

Du warst mir fremd und warst mir feind;
Drum keiner um den andern weint.

Hast eine Mutter, warst ein Held;

Hast ehrlich Dich im Kampf gestellt.

Grab' Dir ein Grab auf grünem Plan —
Vielleicht hätt'st Du mir's auch getan.

Alfred Kuhn, Vizefeldwcbel

«a
Register
Puttkamer: Meinem fünfzehnjährigen Bruder
Alfred Kuhn: Der Feind
A. Dergwill: Andacht in Ailes
 
Annotationen