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Aber kaum hatte ich die ersten Donnerschläge
eines urkräfligen Gewitters losgelassen, als mein
Assistenzarzt in ein schallendes Gelächter aus-
brach. Er hatte die Narkose zu überwachen und
statt den Patienten zu beobachten, hielt er sich
die Seiten und lachte wie besessen.

„Zum Donnerwetter, sind Sie verrückt ge-
worden?" fuhr ich auf.

Aber mein 'Assistent lachte unbekümmert wei-
ter, indem er mit der Hand auf unseren narko-
tisierten Reiseonkel wies.

Ich höre sonst prinzipiell nie darauf, was
Meine Patienten in der Narkose reden — die
Damen können sich also vorkommcnden Falls
unbesorgt von mir operieren lassen —, aber dies-
mal lauschte ich unwillkürlich.

Und unser Reiseonkel erzählte: „Schlome
Drückengeländer aus Kroto chin und Löb Pul-
vergeruch aus Filehne treff.n sich aus der Frie-
drichstraße. ,Nuh sagt Brückengeländer, >was
ckbt'g Neues in Kroloschin?' — ,Was foll's
meues geben in Krotoschin?' erwidert Löb Pul-
vergeruch. ,E Hund hat gebellt' ..."

Ob ich wollte oder nicht, ich muhte lächeln.
2o gut hatte ich in meinem ganzen Leben
voch nicht Anekdoten erzählen hören. Und als
Vor die Pointe kam, machte ich es wie mein
Assistenzarzt und lachte hell hinaus.

.. ..Das ist schon der dritte Witz, den er erzählt,"
gröhlte mein Gehlste. „Einer immer besser als
brr andere! Herr Chefarzt, tun Sie mir den ein-
igen Gefallen und machen Sie mir den Mann
mcht zu schnell gesund! Der ist unbezahlbar!"

„Ach was!" wirs ich ihn zurecht. „Geben
Sie auf die Narkose acht und hören Sie mit dem
dummen Gelächter auf!"

Ich nahm das Messer wieder zur Hand und
setzte gerade zum ersten Schnitt an, als es mir
entgegentönte: „Was ist paradox?"

Und im selben Augenblick sprudelte schon eine
solche Menge urkomischsten B.ödsinns, eine Sint-
flut io schauerlicher Kalauer, daß ich das Messer
absetzen mußte, um mir die Tränen abzuwilchen.

„Den muß ich mir notieren " quiekste der
Assistenzarzt bei einem der schauerlichsten, zog das
Notizbuch hervor und fing an zu stenographieren.

„Nun Hab' ich aber genug!" donnerte ich los.
„Wir sind hier in keiner Komikeroorstellung!
Marsch an die Arbeit!"

Glücklicherweise machte der Reiseonkel, dessen
Witzvorrat unerschöpflich schien, eine Erholungs-
pause. Ich konnte die Operation beginnen.

Kaum aber hatte ich den ersten Schnitt aus-
geführt. als es erklang: „Das war ein ganz
guter Witz! Aber da weiß ich noch einen bes-
seren, ähnlichen. Ein alter Lebemann heiratete
ein blutjunges unschuldiges Mädchen. . .

„Aha, jetz wird's interessant!" lachte der As-
sistenzarzt.

. . . „Während der Hochzeitstafel nahm die
beste Freundin die junge Braut beiseite und flü-
sterte ihr ins Ohr: Liebe Emmy, du mußt mir
morgen unbedingt ..."

Sakrament, sakrament, war das ein Witz!
Wüst, sage ich Ihnen, meine Damen! Ich schielte
nach Schwester Lina: sie war rot geworden, aber

sie lachte aus vollem Herzen. Nun ja, der Witz
war wirklich sehr gut, wenn auch bedenklich jen-
seits von Gut und Böse.

Und mein Assistenzarzt notierte schon wieder.

Und nun schien mein Patient auf seinem ur-
eigensten Gebiet angelangt zu sein. Witz auf
Witz prasselte aus seinem Mund und noch komi-
scher als die Anekdoten selbst wirkte die unwider-
stehliche Ari seines Erzählens. Ich schwitzte Blut,
denn wie soll ein Mensch sicher operieren, wenn
ihm beständig die Hände vor Lachen zittern?

Aus der Nachbarstation kam der jourbabende
Arzt: „Bei Ihnen geht's ja fcheinl's lustig zu,
Herr Kollege, ich will auch was hören."

Und gerade Hub unser Reiseonkel an: „Mikosch
und Fraind seiniges Ianos gehen sich spazieren
auf Ringstraße. Kommt vorbei junges, hibsches
Mädchen. Sogt Ianos zu Mikosch: . .

„Schwester Lina, holen Sie mal schnell die
kleine Pinzette aus meinem Ordinationszimmer!"
übertönte ich, so laut ich konnte.

Die Schwester ging und kam natürlich gerade
rechtzeitig zur Pointe zurück.

Und zu was für einer Pointe! .. . Man
muß schon Mediziner sein, um so etwas harm-
los zu finden.

Der schlimmste Witz aber kam noch. Die
Scherzfrage: Was ist der Unterschied zwischen
einer Hebamme, einem Floh und einer Virginia?

Der Assistenzarzt hatte sein Notizbuch voll,
als ich endlich schweißtriefend die Operation für
beendet erklären konnte. Es war die schwierigste

(Schluß auf Seite 71)

Balkan * Kämpfer

„Du lieber Gott. — ln so ä Mokkabästchen kann ma noch nich mal ä Dreierbrödchen elndunken!"

(Zeichnung von Fritz Heubner, im Pelde)

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Friedrich (Fritz) Heubner: Balkan-Kämpfer
 
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