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Zum Widmungsblatt

Mein lieber roter Klinger-Max,

Bin ja wie Du ein Leipziger Sachs.

Zwar kleiner viel und bin bloß blond
Und manches Hab ich nicht gekonnl,

Doch mag ich es nicht leiden,

Dich darum zu beneiden.

Es ziemt der Beste aller Triebe
Weit mehr sich uns: die warme Liebe.

Du gabst uns reinsten höchsten Ton,

Der Griechen Reiz, des Menschen Sohn;

Der Stimmung stärkster Pendelschwung
War Deinem Schaffen nicht genung,

Weil hell und klar ob allem stand
Dein prachtvoll ordnender Verstand.

Kurz, griffst hinein und nahmst heraus,
Und niemals war die Tüte aus

Nicht leicht ist solcher Mann zu ehren,

Die Erdenfreude ihm zu mehren.

Könnt einer sagen was er möchte.

Der Dir das Allerschönste brächte.

So wünsch ich dem. und zeichne es hin,
Was etwa wär nach meinem Sinn:

Dich sollten, wie den Vater Zeus,

Zwei goldne Jungfern licht und leis
Stets tragend stützen, führend tragen,

Bis an das End von Deinen Tagen.

Dies wünscht, der Dich so liebt wie keiner,
Dein alter treuer Otto Gr ein er

*

Max Klinger

Zu des Meisters 60. Geburtstag
am 18. Februar I9ir

Ein Künstlertum von einer so gewaltigen und
vielgestaltigen Fülle, wie es so bald nicht wieder
erscheinen mag in einer Welt, in welcher der
Raum für den Einzelnen täglich enger wird"
Eine Künstlernatur von trotziger Selbstherrlich-
keit, stark im Alleinstehen. Biele bezwingend von
Anfang an. nie aber die Bielen, die Vielzuvielen!
Nie ganz verkannt — aber auch nie voll gewür-
digt von den lauten Stimmen des Tages — so
ging er seiner Wege, unbekümmert, wie nur die
Selbstsicheren sind, das Kühnste wagend, das
Unerreichbare manches Mal. Der Ruhm hat
ihn nie lässig gemacht, nie blieb er stehen auf
seinem Wege. Der Zweifel, der Hohn, der
schulmeisternde Tadel, haben ihn nie verwirrt,
weil er immer des Einen gewiß war: das Große
gewollt zu haben. Er ist einer der großen Herren
in der Kunst, die auf das Gekläff der Feinde
so wenig hören, wie auf den Hosianna-Ruf
ihrer Gemeinde, die nichts bestimmt in ihrem Tun,
als das Gesetz in der eigenen Brust. Unter dem
unsagbar Vielen, das er der staunenden Welt
zu zeigen hatte, war des Fremdartigen, waren
der Rätsel genug — er war aber nie fremdartig
und rätselhaft, damit die Welt sich wundere und
über ihn rede! Was seltsani und schwer zu
deuten war an seinen Werken, ihrem Sinn und

Frühling Max Klinger

ihrer Form, das entstammte der drängenden
Überfülle seines Wesens, das sich stürmisch aus-
gab. ohne Grübeln und Zugeständnisse, ohne sich
Kunstgesetzen zu beugen, die täglich neu geschaffen
werden und deren bunter Wechsel beweist, daß
kein Gesetz ewiggüllig ist in der Kunst, als das
eine: daß der Künstler wahr sein muß vor
sich selber!

Sein Werk kommt aus deni heiligen Müssen
heraus. Was er schuf, um diesem Drange zu
folgen, in hartem Ringen oft nüt dem Widerstand
der Materie und der künstlerischen Überlieferung,
verdient Ehrfurcht auch von denen, die an Anderes
glauben, als er. Heute sieht es oft übel aus
mit solcher Ehrfurcht! Als Max Klinger vor
die Öffentlichkeit trat, stand die breite Menge
seiner spröden, eigenkräftigen und schwer zu
fassenden Art feindlich gegenüber — jetzt greifen
ihn die an, die für sich das Recht in Anspruch
nehmen, abzustempeln, was modern ist in der
Kunst. Im Grunde nur ein Beweis mehr, daß
er Recht hat, das Recht der Einzigen und Eigenen!
Er steht in seinen frühesten Arbeiten als Griffel-
künstler den Guten unter den Jüngsten der Gegen-
wart oft erstaunlich nahe. Daß er, der in seinem
unbegrenzten Triebe nach Schaffen und Werden
sich Tag für Tag weiter entwickelte, darum heute
anderswo stehen muß als jene, ist selbstverständ-
lich. Iungbleiben als Künstler heißt doch nicht,
sich stets nach der letzten Mode verändern. Iung-
bleiben als Künstler, heißt immer die gleiche
Freude am Werk und den Glauben an sich selbst
behaupten, immer noch zu geben haben, immer
noch aufnehmen, lernen, weiter wollen — auch
mit ergrauendem Haar. Max Klinger darf dieser
Dinge wahrlich sich rühmen!

Wir wollen ihn nun doppelt lieben, weil
er so deutsch ist, weil er sich gibt, wie er
ist und sein Werk um dessen selbst willen
tut. Engherzig nationalistisch ist er nie ge-
wesen, aber in frenider Handschrift hat er
auch nie geschrieben. Er schämte sich seiner
deutschen Herbheit und Sprödigkeit nicht —
aber das Land der Griechen hat keiner mit
heißerer Seele gesucht, als er. Nicht die un-
nahbare Marmorkälte dessen, was die meisten
unter Antike verstehen, hat ihn angezogen,
er gehört zu den Seltenen, die das blühende,
glühende Leben in der Kultur der Alten füh-
len und verstehen. Von den zahllosen Ge-
stalten aus der antiken Mythe und Ge-
schichte. die er dargestellt, ist nicht eine klassi-
zistisch erfaßt, alle hat er lebenswarm, ge-
schmeidig und persönlich gebildet, ein Kind
seiner Zeit!

Wie unerschöpflich ist der Reichtum, aus
dem er spendet! Radierer, Maler, Bildhauer,
Führer auf neuen Pfaden zum Dekorativen,
Schriftsteller, Philosoph ist Max Klinger und
dazu klingt Musik durch sein ganzes Lebens-
werk. Der Gehalt seiner epischen Radierwerke
gibt ihm das Recht, sich Dichter zu heißen,
aber wohl nur absichtliches Mißverstehen
kann behaupten, daß sein Bildertum unter sei-
ner dichterischen Gedankenfülle gelitten hätte,
„literarisch" geworden wäre. In einer geist-
vollen Schrift „Malerei und Zeichnung" hat
er selbst die Berechtigung jener gedankengesät-
tigten Griffelkunst verteidigt, die er vertritt;
in einer ganzen Reihe zyklischer Radierwerke,
deren Titel hier aufzuzählen überflüssig ist, hat er
jene Berechtigung bewiesen. In großen Monu-
mentalwerken wagte er es, Malerei und Plastik in
neuer Art zu verbinden, als Bildhauer ging er
kühn an eine neue vielfarbige Skulptur heran,
nicht etwa, um Ausdrucksmittel der Malerei auf die
runde Form anzuwenden, sondern, uni die Plastik
in ihren legitimen Ausdrucksmitteln durch Ver-
bindung verschiedenartigen Materials zu berei-
chern. Seine Apotheose Beethovens bedeutet das
Höchste, was er in solcher Technik schuf — ebenso
leidenschaftlich bewundert, wie bestritten — eines
der eigenartigsten Bildwerke des Jahrhunderts.
Und dieser Beethoven gibt auch Zeugnis von einem
gar schönen menschlichen Zuge, der das Bild dieses
reichen und seltenen Künstlers auszeichnet: von
seiner Gabe, das Große, die Großen, neidlos und
innig zu bewundern! Höher gefeiert ist noch
kein Künstler von einem zweiten worden, als
Beethoven durch den Bildhauer Klinger, liebens-
würdiger und inniger nachfühlend noch keiner,
als Brahms durch Klinger, den Radierer, und
der gleiche hat einem Adolf Menzel ein Denk-
mal gesetzt, so wuchtig, daß wohl keiner den
Deutschen jemals eindringlicher sagen wird, was
Menzel war.

So steht Max Klinger, der Sechzigjährige,
heute als ein verehrungswürdiges Vorbild vor
uns, in der ersten Reihe unserer Künstler, stark,
frei und reich, sicher, selbstherrlich und froh seiner
Kunst, ein Schöpfer und ein Denker, Vorbild
auch darin, dankbar zu sein für das Schöne
und Jene, die es uns schenken. Und solchen
Dank wollen wir auch ihm zollen für die unaus-
schöpfbare Fülle seiner Gaben! . zeih von Osttn!

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Register
Max Klinger: Frühling
Fritz Frh. v. Ostini: Max Klinger
Otto Greiner: Zum Widmungsblatt
 
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